1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Umstritten: Aus für regelmäßige Lüftungsreinigung in Plattenbauten

Schornsteinfeger beklagen das Ende der Prüfaufträge, verweisen auf Brandschutzrisiken / Metscher spricht von "eklatanten Folgen" Umstritten: Aus für regelmäßige Lüftungsreinigung in Plattenbauten

Von Falk Heidel 23.03.2013, 02:16

Biederitz/Burg/Heyrothsberge l Aufregung im Schornsteinfeger-Handwerk. Die Volksstimme titelt am 15. März: "Schornsteinfeger fürchten um Brandschutz." Hintergrund: Den hiesigen Kaminkehrern sind die Prüfaufträge für Lüftungsanlagen vor allem in Plattenbauten gestrichen worden. Die Innungen befürchten den Verlust von 150 Arbeitsplätzen.

Unlängst hat das Bundeswirtschaftsministerium den Ländern freigestellt, in eigener Regie die Überprüfung etwa von Abluftschächten in den tausenden Plattenbauten in einer Landeskehrordnung zu regeln. "Bisher ist das aber nicht passiert", beklagt Magdeburgs Innungs-Obermeister Frank Buchholz. Landesweit gibt es 246 Schornsteinfegerbetriebe mit insgesamt rund 300 Beschäftigten. "Bekommen wir die Aufgabe nicht erneut zugewiesen, bricht ein großer Teil unseres Geschäfts weg", meint Buchholz.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsministerium sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Die Überprüfung der Lüftungsanlagen sei weder für Brandschutz noch im Bauordnungsrecht erforderlich. Zudem würden Hauseigentümern und Mietern jährlich Kosten in Millionenhöhe erspart bleiben. Die Wohnungsverbände in Sachsen-Anhalt gehen von 2,5 Millionen Euro aus.

Die Schornsteinfeger pochen auf den Brandschutz. Zu DDR-Zeiten hatten die Fachleute zweimal im Jahr, nach der Wende einmal jährlich, die Abluftschächte auf entzündliche Ablagerungen geprüft. Die Reinigungen seien heutzutage umso wichtiger, weil durch die Änderung der Lebensumstände viele Menschen tagsüber zu Hause seien und Küchen und Bäder weitaus stärker frequentieren würden als früher. Dadurch würden auch die Abluftschächte stärker durch Kochdämpfe, Staub oder andere Stoffe belastet.

Als Leiter des Feuerwehr-Instituts in Heyrothsberge schränkt Horst Starke jedoch ein: "Im Küchenbereich sammeln sich immer Fettreste an, und die sind kritisch. Sie können im Brandfall brennen oder sich schon durch heiße Gase entzünden", sagt der Brandschutzexperte. "Eine akute Gefahr in Plattenbauten sehe ich aber nicht."

Ihm widerspricht Walter Metscher aus Biederitz. Er sagte zur Volksstimme: "Aus meiner über 30-jährigen Praxis als Schornsteinfeger habe ich schon sehr oft erleben müssen, in welcher katastrophalen Menge sich in solchen Schächten Fettanteile und verfestigte Stäube angesammelt haben und nur unter großem Aufwand mit geeignetem Werkzeug entfernt werden konnten. Ein Wegfall dieser Überprüfungspflicht hat aus meiner Sicht eklatante Folgen. Nicht nur ein Ansteigen von Geruchsbelästigungen sondern vielmehr ein Entstehen von Bränden in diesen Bereichen wäre die Folge." Metscher zufolge bestehen die Schächte dieser Lüftungsanlagen aus dünnwandigen Baustoffen, die in der Regel keinen Feuerwiderstand haben: "Das führt dazu, dass im Falle eines eigentlich beherrschbaren Küchenbrandes diese Schächte als Brandschleuse zwischen den Geschossen fungieren. Damit wird dieser Brand in andere Geschosse übertragen und kann nur schwer beherrscht werden. Zudem wird der Schaden durch den Brand ein erheblich größeres Ausmaß annehmen, von Personenschäden ganz zu schweigen."

Walter Metscher ist nicht nur Schornsteinfeger, sondern auch Kreisbrandmeister im Jerichower Land. Seiner Meinung nach sind die Plattenbauten nur dann sicher, wenn die Schornsteinfeger die Überprüfung der Lüftungsanlagen beibehalten: "Dass bisher keine größeren Schäden entstanden sind, ist nur der regelmäßigen Reinigung durch das Schornsteinfegerhandwerk zu verdanken." Und: "Ich hoffe nur, dass jeder Mieter und Nutzer von Abluftanlagen über Rauchmelder und geeignete Löschsysteme verfügt."

Vor allem die Wohnungsunternehmen in Sachsen-Anhalt zeigen sich erleichtert über den Wegfall der Schornsteinfeger-Pflicht. Im Gegensatz zu unserem Bundesland hält Sachsen an der Überprüfungspflicht von Be- und Entlüftungsanlagen durch Schornsteinfeger fest. Auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben sich für die alte Regelung entschieden.