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Ukraine-Krieg Zwei Jahre nach der Flucht spricht Viktor Anisimov aus Gommern nur über Heimkehr

Viktor Anisimov und seine Frau Tamara sind vor zwei Jahren vor dem Ukraine-Krieg geflüchtet. Sie hatten nicht damit gerechnet, so lang fern der Heimat zu leben. Ihr Wunsch nach Heimkehr ist ungebrochen.

Von Thomas Schäfer Aktualisiert: 11.03.2024, 08:57
Viktor Anisimov lebt seit zwei Jahren in Gommern. Er flüchtete im März 2022 mit seiner Frau Tamara, Tochter Viktoria und Enkel Viktor vor dem Krieg aus der Ukraine. Zuerst kamen die Anisimovs bei Tochter Natalie Papendieck (Foto) unter, die schon vor 20 Jahren der Liebe wegen nach Deutschland auswanderte.
Viktor Anisimov lebt seit zwei Jahren in Gommern. Er flüchtete im März 2022 mit seiner Frau Tamara, Tochter Viktoria und Enkel Viktor vor dem Krieg aus der Ukraine. Zuerst kamen die Anisimovs bei Tochter Natalie Papendieck (Foto) unter, die schon vor 20 Jahren der Liebe wegen nach Deutschland auswanderte. Foto: Thomas Schäfer

Gommern - Als Viktor Anisimov im März 2022 mit seiner Familie vor dem Krieg aus der Ukraine flüchtete und in Gommern ankam, war auch sein Enkel dabei – der zehnjährige Viktor. Für den kleinen Viktor war alles ein großes Abenteuer. Warum und wieso sie nach Deutschland kamen, konnte der Zehnjährige nicht so recht begreifen. Damals stellte sich aber schon die Frage, was, wenn es ein „Abenteuer“ für zwei Monate, zwei Jahre oder gar für immer ist?

Nun sind tatsächlich zwei Jahre vergangen. Viktor Anisimov und seine Frau Tamara leben noch immer in Gommern, sind noch immer Flüchtlinge. Im März 2022 sind sie bei Jörg und Natalie Papendieck, ihrer Tochter, die schon seit 20 Jahren in Deutschland lebt, untergekommen. Wie ging es weiter? Wie haben sie die vergangenen zwei Jahre erlebt?

Große Dankbarkeit

„Es ist eine lange Zeit“, sagt Viktor Anisimov in sich gekehrt. Seine Tochter Natalie übersetzt ins Deutsche. „Nein, damit habe ich nicht gerechnet“, sagt er weiter.

Ihm ist wichtig, Danke zu sagen. „Wir wussten nicht, dass uns hier eine solche Hilfe widerfahren würde. So etwas wie das deutsche Sozialsystem gibt es in der Ukraine nicht. Und wir haben so viel Hilfe von so vielen Leuten erfahren. Damit hatten wir nicht gerechnet. Ich kann mich nur herzlich bei allen bedanken“, sagt er.

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Aber er lässt auch nicht unerwähnt, dass es schwer fällt, sich zu integrieren. Die Sprachbarriere ist sehr groß. Er berichtet beispielhaft von einer Situation beim Einkaufen, die mit Händen und Füßen und einer Zeichnung von ihm gemeistert werden konnte. „Ich habe eine Mühle und eine Weizenähre auf einen Zettel gezeichnet, da wusste die Verkäuferin, dass ich Mehl brauchte“, sagt Viktor Anisimov und lacht. „So gelingt das tägliche Leben. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Leute immer sehr herzlich und freundlich zu uns sind“, sagt er und lächelt gewinnend.

Ab und an trifft er beim Einkaufen jemanden, der auch aus der Ukraine nach Gommern gekommen ist. „Es ist schön, sich dann in der Muttersprache unterhalten zu können, Neuigkeiten auszutauschen und kurz zu vergessen, dass man über tausend Kilometer von zu Hause weg ist“, sagt Viktor Anisimov.

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Jeden Tag verfolgt er die Nachrichten und informiert sich im Internet, wie die Lage in der Ukraine ist. Er hofft auf Besserung, auf ein Ende des Krieges, auf einen Sieg der Ukraine. Denn so schön es auch in Gommern ist, wie er sagt, er möchte lieber heute als morgen zurück in die Heimat.

Sie reden oft darüber, wann und wie sie zurückkehren können. Die Situation lässt es aber momentan nicht zu. Was Viktor Anisimov zudem schwer auf der Seele lastet, ist, dass er – ein studierter Architekt, der in der Ukraine ein selbstbestimmtes Leben hatte – auf Hilfe anderer angewiesen ist. „Wir kommen aus einem anderen Land und bekommen hier Geld und Unterstützung – einfach so. Die Deutschen zahlen für uns. Das ist schwer zu begreifen. Wir möchten niemandem zur Last fallen“, sagt er.

Sein Enkel Viktor und Tochter Viktoria sind schon zurück in der Ukraine. Die Sehnsucht war größer als die Angst vor Krieg und Tod. „Und es fiel ihr auch schwer, hier eine passende Arbeit zu finden“, sagt Schwester Natalie Papendieck. Viktoria ist Steuerberaterin.

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Wunsch nach Heimkehr

Nach einem halben Jahr in Gommern sind sie zurück in die Ukraine gegangen. Bis dahin lebten sie bei den Papendiecks zusammen mit den Eltern. Dort, wo zuvor eine dreiköpfige Familie wohnte, mussten nun sieben Personen unterkommen. „Es war natürlich beengt“, sagt Natalie Papendieck über die Wohnsituation.

Viktor und seine Frau Tamara Anisimova leben mittlerweile in einer eigenen Wohnung in Gommern. Spärlich eingerichtet. So richtig häuslich wollen sie es sich nicht machen, heimisch möchten sie hier nicht werden. Über allem schwebt der Wunsch nach Heimkehr.

Doch was, wenn diese Sehnsucht nicht erfüllt werden kann? Haben die Anisimovs schon darüber nachgedacht, dass sie vielleicht für immer in Gommern bleiben müssen?

Langes, bedrückendes Schweigen. Viktor Anisimov scheint in die Ferne zu blicken. „Nein“, sagt er dann mit Bestimmtheit. „Wir werden zurückkehren. Die Ukraine wird gewinnen. Zu einhundert Prozent!“