Breitenfelder Ortschaftsrat verweigerte dem Bürgermeister die Entlastung / Wießel: "Medial falsch eingeschätzt" Bernd Wießel: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen"
Die Breitenfelder Ortschaftsratsmitglieder stimmten am Donnerstag gegen eine Entlastung von Ortsbürgermeister Bernd Wießel für 2010 sowie gegen die Bestätigung der Jahresrechnung 2010 der Gemeinde. Am Montag entscheidet der Stadtrat darüber.
Breitenfeld l Als Einziger erhob Ortsbürgermeister Bernd Wießel am späten Donnerstagabend seine Hand, als es um die Bestätigung der Jahresrechnung der Gemeinde für 2010 ging. Steffi Verter, Mario Seidenberg, Lars Gille und Eckehard Mehnert waren gegen die Bestätigung im Zuge der Anhörung des Ortschaftsrates. Sie verweigerten auch einstimmig, der Entlastung des Bürgermeisters 2010 zuzustimmen. Wießel hatte bei dieser Abstimmung Mitwirkungsverbot angezeigt.
Für Wießel war das Verhalten der Mitglieder des Ortschaftsrates keine Überraschung: "Das habe ich erwartet", sagte er gestern auf Nachfrage. Enttäuscht sei er jedoch nicht. Er könne die Irritationen der Räte auch durchaus verstehen. Der Entlastung im Stadtrat am Montag sehe er aber gelassen entgegen. Wießel: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen."
Für die vier Ortschaftsräte waren es nach zweistündiger Diskussion am Donnerstag aber einfach zu viele Unklarheiten, besonders über Telefonrechnungen in Höhe von mehr als 2000 Euro und exorbitante Kosten für Unkrautvernichtungsmittel für die Gemeinde, die das Rechnungsprüfungsamt in seinem Bericht kritisiert hatte. Außerdem fühlten sie sich von Wießel offenbar schlecht informiert, alle Informationen bis zur Sitzungseinladung mit Prüfungsbericht und Rechnungen hätten die Räte aus der Berichterstattung über die städtischen Ausschüsse erfahren.
Den Antrag auf die Sitzung des Ortschaftsrates hatten die Ratsmitglieder selbst gestellt. Das bestätigte Roswitha Kausche von der Stadtverwaltung gestern auf Anfrage. Gewöhnlich lädt der Ortsbürgermeister ein. Wenn aber ein Viertel des Ortschaftsrates unter Angabe des Themas eine Sitzung wünsche, sei das möglich, so Kausche. Der Breitenfelder Ortschaftsrat hatte vor geraumer Zeit beschlossen, viermal im Jahr jeweils zu Beginn des Quartals zu tagen. "Und wenn besondere Umstände sind", ergänzte Mario Seidenberg. Die letzte Sitzung war im Februar.
"Die Verwaltung hat eingestanden, dass sie versäumt hat, uns zu informieren"
"Wir wären zur Stadtratssitzung am Montag immer noch im Dunkeln getappt, ich denke nicht, dass eine Ortschaftsratssitzung stattgefunden hätte", kritisierte Ratsmitglied Eckehard Mehnert Wießel scharf. Das sei durch Versäumnisse der Verwaltung begründet, erklärte der Ortsbürgermeister. "Die Verwaltung hat eingestanden, dass sie versäumt hat, uns zu informieren", betonte Wießel am Donnerstagabend mehrfach. "Wo sie sonst doch immer so fleißig arbeitet", ergänzte er. Er selbst habe nur den Entwurf des Vorberichtes des Rechnungsprüfungsamtes vom April gekannt, als er zur Stellungnahme zu den kritisierten Punkten aufgefordert worden sei. "Und dann habe ich immer gewartet, dass das auf der Tagesordnung steht", so Wießel.
Auf Anfrage relativierte er gestern diesen Fakt, denn als Ortsbürgermeister erhalte er natürlich die Einladungen zu den städtischen Ausschüssen, auch zu denen in dieser Woche: "Das muss ich fairerweise sagen, ich habe es übersehen. Ich hätte sehen können, dass Breitenfeld auf der Tagesordnung steht."
Kämmerer Maik Machalz betonte auf Nachfrage gestern, dass Wießel seit Monaten in das Verfahren involviert sei: "Er ist immer mit einbezogen worden." Die Jahresrechnungen und Entlastungen stünden schließlich nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung, einmal sei Wießel selbst bei einer Ausschusssitzung dabei gewesen.
Nein, wahrscheinlich hätte es auf sein Betreiben keine Ortsratssitzung mehr vor der Zusammenkunft des Stadtrates am Montag gegeben, so Wießel gestern: "Die Informationen waren doch eh draußen." Den Endbericht des Rechnungsprüfungsamtes, "der nicht anders als der Vorbericht war", habe er erst mit der Sitzungseinladung erhalten.
Als Wießel den schwarzen Peter am Donnerstag bei der Ratssitzung der Verwaltung zuschob, reagierte Ortsrat Eckhard Mehnert aufgebracht: "Das ist doch eine Schutzbehauptung! Du wusstest, dass die Welle auf uns zurollt. Als Bürgermeister bist du auch in der Pflicht, uns über so etwas zu informieren." Mario Seidenberg sah dies ähnlich: "Ich hätte es toll gefunden, wenn du in die Offensive gegangen wärst. Wir hatten von den ganzen Sachen keine Rechnung auf dem Tisch. Bis vor kurzem bin ich im Dunkeln getappt." Wießel gestand ein: "Ich habe es verpennt. Und ich habe es medial falsch eingeschätzt."
"Hat der, der dir das verkauft hat, auch mal nach der Fläche gefragt?"
Zu den Kosten für das Unkrautvernichtungsmittel 2010 in Höhe von 2284,07 Euro (2009 war für 1617,94 Euro Unkrautvernichtungsmittel gekauft worden) sagte Seidenberg: "Hat der, der dir das verkauft hat, auch mal nach der Fläche gefragt?" Wießel dazu: "Die Flächengröße war der Verwaltung bekannt. Ich kann mich nicht erinnern, dass da nachgehakt wurde." In der Verwaltungsgemeinschaft Südliche Altmark war die große Menge aber offensichtlich durchaus aufgefallen. Auf einer Rechnung der Firma aus Schweina über 1379,92 Euro für 40 Liter "Unkrautvertilger Glyfos" vom 16. März 2010 an die Gemeinde ist handschriftlich vermerkt: "OH, OH! GUTES VORBILD!?", mit einer Unterschrift, datiert auf den 25. März und eingekreister Literzahl.
Einwohner Ulrich Scheffler hatte während der Einwohnerfragestunde ein Angebot des Unternehmens aus Schweina mit den identischen Liefermengen von 2009 und 2010 präsentiert und als Kostenvoranschlag eine Summe von 900 Euro erhalten. "Wie sind dann die 3000 Euro mehr zusammengekommen? Das ist nicht wenig Geld für so eine kleine Gemeinde wie Breitenfeld", so Scheffler. Wießel: "Mir liegen die Rechnungen nicht vor, die liegen bei der Stadtverwaltung. Ich kann darauf nicht antworten. Ich habe das damals bestellt und kann mir heute nicht erklären, warum das so teuer war." Teil des Rechnungsprüfungsberichtes sind jedoch sämtliche Rechnungen und Lieferscheine zu den georderten Unkrautvernichtungsmitteln. Ortsrätin Steffi Verter schob ihre Unterlagen zu Wießel: "Ich habe die Rechnungen hier."
"Wir sind doch nicht die einzige Gemeinde, die Unkrautvernichtungsmittel gekauft hat", merkte Mario Seidenberg an. Er drängte auf Klärung: "Entweder sind wir über den Tisch gezogen worden, oder das Zeug ist falsch verbraucht worden." Auf Anfrage sagte Kämmerer Maik Machalz gestern, dass nur eine weitere Gemeinde der VG ebenfalls Unkrautvernichter bestellt habe, aber "bei weitem nicht in dieser Größenordnung". Wießel abschließend am Donnerstag: "Mit dem Wissensstand von heute ist es schwierig zu sagen, was man vor zwei Jahren hätte machen können."
"Das sind Handykosten, die jenseits von Gut und Böse sind, fast 300 Euro im Monat"
Sehr hitzig wurde die Debatte bei den Handykosten. Die beliefen sich 2010 auf 2115,59 Euro. Eckehard Mehnert scharf: "Das sind Handykosten, die jenseits von Gut und Böse sind, fast 300 Euro pro Monat. Ich werde dir aufgrund der Telefonrechnung keine Entlastung erteilen."
Wießel sei angehalten, sparsam mit den Mitteln der Gemeinde umzugehen und nicht eine Haushaltsstelle auszureizen. Da höre bei ihm die Freundschaft auf, so der Ortschaftsrat ärgerlich. "Ich spreche dir eine sparsame Haushaltsführung ab", stellte Mehnert klar. Von Wießel kam dazu erst wenig: "Was soll ich dazu jetzt sagen? Das ist zwei Jahre her." Später ergänzte er: "Ich war auch VG-Ausschussvorsitzender."
"Als VG-Ausschussvorsitzender sicherlich zwei-, dreimal mehr telefoniert"
Seidenberg merkte spitz an: "Dann ist das jetzt ärgerlich für die Gemeinde Breitenfeld, weil die das mitbezahlt hat?" Steffi Verter schüttelte verständnislos ihren Kopf. Auf Nachfrage sagte Wießel gestern, "dass ich als Ausschussvorsitzender sicherlich zwei-, dreimal mehr telefoniert habe". Aber die Telefonkosten seien nicht höher gewesen als in den Jahren zuvor. Außerdem habe er ja 15 Prozent der Kosten selbst bezahlt. Diese Eigenbeteiligung sei ja "eine Erfindung des Gemeinderates" gewesen, so Wießel.
Das sah Seidenberg anders, "denn dass die Telefonkosten ziemlich hoch sind, da haben wir öfter drüber gesessen". Mehnert holte alte Unterlagen vor: "2008 waren es 1800 Euro." Wießel knapp: "Die Situation ist, wie sie ist." Als Ulrich Scheffler einwarf, dass besonders über die Weihnachtsfeiertage die Kosten explodiert seien, merkte Steffi Verter süffisant an: "Da wurden wahrscheinlich alle Bürgermeister angerufen."
Auf eine vom Rechnungsprüfungsamt kritisierte Fahrt zu einer CDU-Versammlung nach Winterfeld reagierte Wießel mit der Erklärung, dass dies ein Versehen sei. "Das ärgert mich auch. Ich habe das nicht gesehen." Die Rechnung sei gestellt worden für die Weihnachtsfeier des Gemeinderates im Januar 2010 in Winterfeld. Wießel, der CDU-Regionalgeschaftsführer ist: "Ich mache da viele Veranstaltungen mit der CDU", deswegen könne das durcheinandergekommen sein. Seidenberg: "Ich kann das nicht verstehen. So eine falsche Rechnung kann doch nicht eingebucht werden." Steffi Verter zu Wießel: "Es hätte dir auffallen müssen." Der Ortsbürgermeister betonte jedoch, "dass das keine strafbare Handlung ist".
Kritik gab es von Verter auch für die Anschaffung der 50 Kofferanhänger (165,22 Euro): "Ich sehe darin keinen Sinn." Wießel dazu: "Dazu bedarf es keines Gemeinderatsbeschlusses. Ich durfte das machen und hatte die Befugnis." Die Anhänger seien im Dorf als Dankeschön verteilt worden. Gleiches gelte für die 75 Kugelschreiber (142,68 Euro): "Da hat auch der Gemeinderat welche bekommen", sagte der Ortsbürgermeister. Er schrieb diese Anschaffungen "der Endzeitstimmung in Vorbereitung der Auflösung der Gemeinde zu".
"Wenn man dagegen doppelt Verträge abschließt, da hätte ich schon Probleme mit"
Zur Kritik des Rechnungsprüfungsamtes zur fehlenden Rücklage der Gemeinde sagte Mehnert: "Es hört sich so an, als hätten wir über unsere Verhältnisse gelebt." Wießel: "Wir haben die Rücklage halbwegs ordentlich verbraucht, ich kann es nicht mehr heilen. Zumindest sind wir nicht mit Schulden in die Stadt aufgenommen worden."
Das seien alles keine strafbaren Sachen, betonte Wießel wiederholt. "Wenn man dagegen doppelt Verträge abschließt, da hätte ich schon meine Probleme damit", sagte er mit Blick auf die juristischen Ermittlungen gegen Letzlingens Ortsbürgermeisterin Regina Lessing.
Wießel kritisierte scharf, "dass ganz offensichtlich Informationen aus der Verwaltung rausgetragen werden". Es gehe seit eineinhalb Jahren darum, dass die Stadt den Nachweis erbringen wolle, dass "die Gemeinden und die VG zu blöd waren zu wirtschaften", sagte Wießel gestern.
Kurz vor der Beschlussfassung am Donnerstagabend betonte Wießel mehrfach: "Einer Entlastung des Bürgermeisters steht nichts entgegen. Die letzte Passage des Rechnungsprüfungsberichtes ist für mich entscheidend." Und er ergänzte, dass die Entlastung am Ende gar nicht für ihn erfolge, "sondern formal für Konrad Fuchs" - also für Gardelegens Bürgermeister. Seine Ortschaftsratsmitglieder überzeugte das offensichtlich nicht.
Fast schon ein komischer Moment war es, als Mehnert den Beschluss zur Entlastung des Bürgermeisters für 2010 vorlas und Bernd Wießel offensichtlich das Wort "Entlassung" verstanden hatte. Am Ergebnis änderte dies nichts: Seidenberg, Gille, Verter und Mehnert stimmten gegen die Entlastung und die Bestätigung der Jahresrechnung.
Ein Diensthandy hat Breitenfelds Ortsbürgermeister zurzeit übrigens nicht. "Ich habe zwar ein Handy, aber da telefoniere ich auf Privatkosten mit der Stadtverwaltung", merkte Wießel gestern an.