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Klinik-Chirurg wegen Nebentätigkeit gekündigt / Arbeitsgericht verlangt Wiedereinstellung Chefarzt als privater Verkaufsberater

Von Gesine Biermann 10.11.2012, 02:18

Der ehemalige Chefarzt der Gardeleger Chirurgie, Dr. Bernd Falkenberg, bewarb privat Nahrungsergänzungsmittel einer amerikanischen Firma. Unter anderem führte das zu seiner Kündigung.

Gardelegen l Es geht ums Abnehmen, um "gesunde Ernährung", um Nahrungsergänzungsmittel. Und es geht um die Motivation zur Unternehmensgründung als privater Wellness-Berater. Für all dies steht die amerikanische Firma Herbalife. Für all dies steht offensichtlich auch der Privatmann Dr. Bernd Falkenberg, der bis vor kurzem noch als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung im Gardeleger Altmark-Klinikum tätig war.

Mit eigener Seite im Internet, die inzwischen abgeschaltet worden ist, warb der Mediziner für das Unternehmen und seine Produkte: Eiweißshakes, Multivitaminpräparate, Fischöl, Antioxidantien, Energie-Drinks oder Getränke, die als Mahlzeitersatz das Abnehmen erleichtern sollen.

Auf seiner Website www.falkenberg-mlm.de versicherte der Mediziner unter anderem, dass "wir heutzutage also gezwungen sind, Nahrungsergänzung zu betreiben". Falkenberg warb dort als "Selbstständiger Herbalifeberater und Chefarzt für Chirurgie" aber nicht nur für das Sortiment des Unternehmens, sondern stellte auch die Karrieremöglichkeiten innerhalb der Firma heraus. So trug er Interessenten, die auf der Website teilweise sogar geduzt werden, "kostenlose Ausbildungsseminare" an, nach deren Absolvierung er sich melden werde, "um das weitere Prozedere zu besprechen".

"Wahrscheinlich helfe ich so viel mehr Leuten"

Dr. Bernd Falkenberg zu Produkten der Firma Herbalife

In einem Werbe-Video des Unternehmens, das noch bis vor wenigen Tagen auf der Website des Mediziners zu sehen war und das der Redaktion vorliegt, bewirbt Falkenberg die angebotenen Medikamente: "Die sind richtig, ich kann sie nur jedem empfehlen!" Früher habe er operiert und Rezepte geschrieben und habe gedacht, damit den Leuten zu helfen, versichert Falkenberg darin weiter - der zu diesem Zeitpunkt noch Chefarzt der Gardeleger Chirurgie war. Mit Produkten des Unternehmens könne er "aber wahrscheinlich mehr Leuten helfen als so..."

Nach Volksstimme-Informationen war es unter anderem dieses Video, das zu Falkenbergs Kündigung führte (wir berichteten). Eine seriöse Nebentätigkeit ist Medizinern des Altmark-Klinikums zwar nicht verboten. Im Falle Falkenbergs war diese Erlaubnis allerdings bereits im Jahr 2008 entzogen worden.

Die Entscheidung hatte noch der damalige Geschäftsführer Axel Burghardt getroffen. Falkenberg habe sich indes nicht an diese Anweisung gehalten, sondern sei auch weiterhin nebenberuflich tätig gewesen, informiert ein Schreiben des Geschäftsführers Matthias Hahn, in dem er Mitarbeiter des Altmark-Klinikums über die außerordentliche fristlose Kündigung des Chefchirurgen informiert und das der Volksstimme vorliegt.

"Durch die Nebentätigkeit bewirbt er in erster Linie Diätprodukte"

Geschäftsführer Matthais Hahn

Falkenberg, so argumentiert Hahn in dem Brief, kritisiere zudem in dem Video auf seiner Website nicht nur die Schulmedizin, sondern suggeriere, dass er "früher operiert" habe, jetzt aber "bekehrt" sei und "nun den richtigen Weg weiß".

Als Chefarzt und Tendenzträger präsentiere er das Altmark-Klinikum in besonderem Maße. "Durch seine Nebentätigkeit bewirbt Dr. Falkenberg aber in erster Linie Diätprodukte." Dies sei mit seiner Verantwortung und der enormen Außenwirkung als Chefarzt nicht vereinbar: "Sein Name darf nicht vorrangig mit Herbalife verknüpft werden, sondern sollte automatisch positiv als Verbindung mit dem Altmark-Klinikum dienen."

Hahn macht in dem Brief an Falkenbergs Kollegen allerdings auch noch weitere Kündigungsgründe geltend. So hätten sich die Behandlungen von Patienten durch Falkenberg innerhalb der vergangenen acht Jahre um über 35 Prozent reduziert, beziffert der Geschäftsführer in dem Schreiben. Zudem lägen Beschwerden über das unfreundliche Verhalten von einweisenden Ärzten vor. "Gespräche werden seinerseits durch Auflegen des Telefonhörers abgebrochen", beschreibt Hahn. Eine Kommunikation mit dem Chefarzt werde durch einweisende Ärzte "mittlerweile als sinnlos eingeschätzt". Gerade die gute Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen sei jedoch "ein wichtiger Baustein auf dem Weg der Weiterentwicklung einer Klinik".

Geschäftsführer Matthias Hahn war gestern für eine persönliche Stellungnahme nicht zu erreichen.

Falkenbergs Anwalt Uwe Bitter schon: "Die Nebentätigkeit war genehmigt", versicherte er gestern gegenüber der Volksstimme, und sie sei tatsächlich auch einer der Gründe gewesen, die zur Kündigung des Mediziners geführt hätten. Unberechtigterweise, wie der Jurist beteuert.

Laut Bitters Aussage habe dies auch das Arbeitsgericht in Stendal erkannt. Denn das habe das Altmark-Klinikum am 4. Oktober dazu verurteilt, Dr. Bernd Falkenberg bis zum 30. Juni 2013 (Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist) weiterzubeschäftigen. "Das Arbeitsgericht hat offensichtlich keinen Grund für eine fristlose Kündigung erkennen können", so Bitter. Da sich das Klinikum aber "weigert, meinen Mandanten weiterzubeschäftigen", habe er "gegen den Geschäftsführer ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft beantragt".