Anliegerbeiträge von 8000 Euro am Lindenweg und bis zu 17000 Euro am Gardeleger Eichenweg "Das kann und will keiner bezahlen!"
Erstmals gab es bei einem Vor-Ort-Termin am Gardeleger Linden- und Eichenweg konkrete Zahlen zu möglichen Anliegerbeiträgen im Falle eines Straßenausbaues. Über die Höhe sind die meisten Anwohner schockiert - ohnehin fühlen sich die Hausbesitzer nach einer Satzungsänderung ungerecht behandelt.
Gardelegen l "Für Sie zum Mitschreiben: Unter diesen Bedingungen wollen wir keine neue Straße. Das kann und will hier nämlich keiner bezahlen!" Dass er wütend ist, kann Thomas Ziolkowski am Dienstagabend nicht verbergen, und auch viele seiner Nachbarn nicht, die sich vor seiner Haustür eingefunden haben. Es geht um die Zukunft ihrer Straße - und ihre Ersparnisse. Bauamtsleiter Engelhard Behrends, Planer Thomas Sellge, Kämmereimitarbeiterin Manuela Dietrich-Beckers und Frank Hellmann, technischer Leiter beim Wasserverband Gardelegen sind gekommen, um den Anwohnern die Baupläne zu eröffnen.
Geplant sei eine rund drei Meter breite Fahrbahn und ein eineinhalb Meter breiter "überfahrbarer" Gehweg, erläutert Behrends den Grundstücksbesitzern. Wie so was aussehen könnte, sei gut an der Parallelstraße zu sehen. "Genau so wollen wir es machen." Dass sich in keinem der Gesichter Freude über die Nachricht zeigt, sondern eher Anspannung, liegt indes genau an dieser Parallelstraße, besser gesagt an den Kosten für deren Ausbau. Den hatten die Lindenweganwohner nämlich aufgrund der damals geltenden wiederkehrenden Ausbaubeitragssatzung mitbezahlt, genau wie die Maßnahmen am Akazien-, Ulmen- und Erlenweg.
Doch die Lindenstraßenbewohner wissen mittlerweile: Deren Bewohner werden sich im Gegenzug nicht an ihrer Straße beteiligen. Denn nach der Klage eines einzigen Anwohners hatte die Stadt ihre Satzung ändern müssen und aus den wiederkehrenden einmalige Beiträge machen müssen. "Die Abrechnungseinheit für wiederkehrende Beiträge war nicht rechtens", erinnert Manuela Dietrich-Beckers die Lindenwegbewohner. "Und wir kriegen auch keine wirksame Abrechnungseinheit mehr hin!" Beliebt macht sich die Finanzfachfrau mit dieser Aussage nicht. Mit dem, was sie an Zahlen mitbringt, allerdings noch weniger: Rund 220000 Euro soll der Lindenweg nämlich kosten. Rund 166000 Euro werden auf die Anlieger umgelegt, "... also rund 7,50 Euro pro Quadratmeter." Blitzschnell rechnet Ziolkowski um: "8000 Euro pro Grundstück." Der Protest folgt unmittelbar: "Kommt gar nicht infrage!", "Von mir keinen Euro", oder "Ihr müsst doch wohl spinnen", sind nur einige der Zwischenrufe.
Dann folgen die Argumente. Man habe jahrelang die Instandhaltung versäumt, ist eines davon: "Wenn die Stadt ihrer Sicherungspflicht nachgekommen wäre, müssten wir jetzt nicht für diesen Scheiß geradestehen", sagt Ziolkowski.
Nachbarin Annette Arnhold stellt zudem die Bezeichnung Anliegerstraße infrage. Manuela Dietrich-Beckers widerspricht ihr: "Das ist sowas von eine typische Anliegerstraße", betont sie und liefert die Definition gleich nach: "Wenn über 50 Prozent Ziel- und Quellverkehr in einem Wohngebiet sind - und dass dies ein Wohngebiet ist, werden sie nicht abstreiten - ist es eine Anliegerstraße."
Dass es sich beim Lindenweg um eine solche handelt, könnte sich allerdings auch als Möglichkeit für die Anwohner herausstellen, einen Ausbau zu verhindern. "Nur in einer Anliegerstraße" würden die Anwohner nämlich überhaupt nach ihrer Meinung gefragt, erläuterte Dietrich-Beckers. Jedes Grundstück hätte in diesem Fall eine Stimme. "Wird der Ausbau mehrheitlich abgelehnt, entscheidet der Stadtrat." Aber auch diese Nachricht kommt offenbar nicht gut an: "Die entscheiden dann sowieso, dass gebaut wird, vermutet Annette Arnhold.
Anwohnerin Ramona Kruber will wiederum wissen, was mit den bereits bezahlten Ausbaubeiträgen - immerhin 1600 Euro pro Grundstück - passiert. Zurückgezahlt, verneint Dietrich-Beckers, würden diese nicht - im Falle eines einmaligen Beitragsbescheides allerdings angerechnet. Zudem gebe es die Möglichkeit, den dann noch offenen Beitrag über fünf Jahre zinsfrei und nach fünf Jahren mit einem angemessenen Zins abzuzahlen, macht sie Mut. Doch auch damit kann sie nicht punkten. Keiner der Lindenweganwohner kann sich offenbar einen Ausbau zu diesen Konditionen vorstellen. "Dann verlegt der Wasserverband eben seine Leitungen, macht alles wieder zu und das Bauamt hält sich einfach raus!", schlägt Annette Arnhold vor. Frank Hellmann vom Wasserverband ist von dem Vorschlag offensichtlich alles andere als angetan. Auch für den Wasserverband gab es an diesem Abend nämlich schon einiges an Kritik aus dem Lindenweg. Doch Hellmann lenkt ein: "Der Ausbau wird zwar seit Jahren geschoben", erinnert er. "Aber es ist noch nicht so akut. Wir könnten locker noch zwei, drei Jahre warten."
"Wie ich das hier so sehe, lehnen Sie alle also den Ausbau der Straße ab", stellt schließlich Bauamtsleiter Engelhard Behrends abschließend fest. "Wir nehmen das jetzt so mit, aber sie müssen wissen: Es wird nicht billiger!"
Alles andere als billig wird der Ausbau ihres Weges allerdings garantiert für die Anwohner des Eichenweges - zumeist sind sie nämlich Besitzer der Eckgrundstücke zu anderen Wegen. Auch sie erwarten am Dienstag die Abordnung der Stadt. Und auch für sie sind die Zahlen, die sie hören, ein Schock. Zu Recht: "Ich war auch erschrocken, als ich die Summen gehört habe", gibt selbst Behrends zu. Der umlagefähige Quadratmeterpreis liegt hier nämlich für den geplanten Ausbau bei 20,83 Euro. "Das ergibt Summen von 11000 bis 17000 Euro pro Grundstück", beziffert Dietrich-Beckers. "Wer soll das bezahlen, wir jedenfalls nicht", sagt Susann Bollinger, die als erste ihre Sprache wiederfindet.
Richtig sauer sind auch die Eichenwegbewohner vor allem über die Ungleichbehandlung der Grundstücksbesitzer: "Die in den anderen Wegen lachen doch über uns", versichert Bollinger an Behrends gewandt. "Die haben ihre Straßen fertig."
Behrends` Argument, beim Ausbau der Wege und der Abrechnung nach wiederkehrenden Beiträgen hätte man im Eichenweg als Eckgrundstücksbesitzer ja schon "5000 Euro gespart", zieht bei den Anliegern schon gar nicht: "Das hätte alles fertig sein können, der Stadtrat hat einfach geschlafen", findet Joachim Loleit. "Uns wurde die ganze Zeit etwas vorgegaukelt", schimpft auch Susann Bollinger. Und auch die unzureichende Information der Anlieger über die veränderte Situation wird, wie zuvor im Lindenweg - auch im Eichenweg heftig kritisiert: "Alles hat man nur aus der Zeitung erfahren", sagt ein Anwohner. "Das kann nicht sein."
Dennoch nehmen die Eichenweganrainer auch angesichts der Horrorsummen künftiger Ausbaubeiträge am Dienstagabend noch nicht ganz vom Ausbau Abstand: Engelhard Behrends und sein Bauamt sollen einen neuen Vorschlag erarbeiten.
Anstelle eines grundhaften Ausbaues soll nur das Abfräsen und Erneuern der Deckschicht und das Setzen neuer Borde Schwerpunkt sein. Den Vorschlag werde das Bauamt prüfen, verspricht Behrends. Allerdings hat er offensichtlich wenig Hoffnung, dass dies möglich ist: Ein Baugrundgutachten gebe Mindestanforderungen vor, sagt er. "Das könnte schwierig werden."