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Ingrid Reimann und Marianne Brune verabschiedeten sich nach 54 gemeinsamen Schuljahren Ein halbes Jahrhundert auf derselben Bank

Von Gesine Biermann 21.07.2012, 05:15

Nach 38 Jahren als Lehrerinnen sagten gestern Ingrid Reimann und Marianne Brune im Gardeleger Gymnasium ihren Schülern und Kollegen Ade - voller Vorfreude, aber auch Wehmut. Dass sie gemeinsam in den Vorruhestand gehen, ist für beide allerdings nur konsequent.

Gardelegen l Regina Walter, Fachobfrau für den Bereich Deutsch, brachte es auf den Punkt: So viele Gemeinsamkeiten könnten doch eigentlich kein Zufall sein, betonte sie lächelnd in ihrer kleinen Laudatio. Zuvor hatte Marianne Brune für sich und ihre Kollegin Ingrid Reimann eine kleine Abschiedsrede gehalten. Denn ein Abschied war es gestern, am letzten Schultag 2012. Und zwar nicht nur für sechs Wochen Ferien, sondern für immer. Denn für beide Pädagoginnen beginnt heute die passive Phase des Vorruhestandes. Sie müssen nicht mehr vor einer Tafel stehen und Gymnasiasten Goethes Gedichte und Schillers Dramen näherbringen. "38 Jahre waren wir Lehrerinnen aus Überzeugung", versicherte Brune. Nun freuen sich beide auch auf die kommende Zeit, die sie, darin sind sie sich einig, "aktiv, aber auch mit Ruhe" angehen wollen.

Dass sie gemeinsam in den neuen Lebensabschnitt wechseln, ist indes genau so viel Zufall wie logische Konsequenz. Denn für Ingrid Reimann und Marianne Brune begann schließlich auch vieles gemeinsam. Beide waren 1958 gemeinsam in Gardelegen eingeschult worden, hatten zwölf Jahre später ihr Abitur gemacht - "und wir saßen sogar immer auf derselben Bank, erst in der Schule, später dann am Lehrertisch", gestand Brune den applaudierenden Kollegen. Denn nach dem Abitur hatte für sie bereits festgestanden, dass sie Lehrerin werden wollte. "Schon meine Oma hat immer gesagt: Kind, lern was Vernünftiges, damit Du nicht immer auf dem Feld herumkrabbeln musst."

Ihre beste Freundin Ingrid hatte zunächst allerdings einen anderen Weg eingeschlagen. Als künftige Landwirtin sei sie aber so offensichtlich fehlbesetzt gewesen, dass es nicht viel Überredungskunst brauchte, um sie schließlich auch nach Leipzig zum Studium zu holen.

"1989 waren wir so mutig, zum Gymnasium zu gehen"

"Und so fanden wir uns wieder in der Seminargruppe von Erna Sack", erinnerte sich Brune zwinkernd, "wohnten auch noch nah beieinander. Ingrid bei Fräulein Staub und ich bei Frau Lampe." Bei Weiterbildungen hätten die Freundinnen dann auch schon mal "im Hotel im Ehebett geschlafen" und, logisch, im Sommer 1974 natürlich auch zeitgleich das Lehrerstudium beendet.

Dann hatten sich die Frauen beruflich allerdings getrennt. Eine hatte in Jävenitz, die andere in Apenburg eine Stelle als Junglehrer bekommen. Später unterrichteten sie in Gardelegen und Kalbe. Dann aber ist es wieder dasselbe Jahr, in dem "wir beide so mutig waren, zum Gardeleger Gymnasium zu gehen", so Brune. Eine ganze Generation junger Leute haben die beiden Kolleginnen und Freundinnen seither bis zum Abitur begleitet, um sich nun, nach mehr als einem halben Jahrhundert gemeinsamen Weges auch zusammen aus dem Schuldienst zu verabschieden.

Mitnehmen durften Ingrid Reimann und Marianne Brune gestern unzählige gute Wünsche aller Kollegen und vieler Schüler, Geschenke, Blumen über Blumen und jede natürlich auch die offizielle Gedenkmünze des Gymnasiums - die ihnen Schulleiter Dietmar Collatz mit den Worten in die Hand drückte "Eigentlich kann es ja gar nicht sein, dass Sie gehen. Sie sind doch noch viel zu jung". Und es gab sogar nochmal eine Schultüte, allerdings eine "Ausschultüte", wie Kollegin Kathrin Seitz im Namen des Kollegiums betonte.

"Ich will ohne Druck und Stress jeden Tag angehen"

Darin übrigens leuchteten gleich obenauf zahlreiche süße Bounty-Riegel. Vielleicht waren die ja ein kleiner Hinweis darauf, dass die Kolleginnen jetzt sogar außerhalb der Ferien Zeit haben zu reisen.

Und Ingrid Reimann wird das dann auch ganz sicher tun. Besuche in Irland, wo mit ihrem Sohn eines ihrer drei Kinder lebt, stehen schon fest auf dem Plan. "Fahrradfahren" will sie außerdem. Reimanns Lebensgefährte Wolfgang Schwerin, wie sie bis zum vergangenen Sommer Lehrer im Gymnasium, freut sich sicher, dass er nicht mehr allein radeln muss.

"Ohne Druck und Stress" will auch Marianne Brune von nun an jeden Tag angehen. Zeit für ihre zwei Kinder und zwei Enkel ist dabei fest eingeplant. Und natürlich auch für Ehemann und Landwirt Dietrich, der sich ganz gewiss auch darauf freut, dass seine Frau nun keine Arbeiten mehr korrigieren muss.