Stadtrat Freie Liste fühlt sich hintergangen
Es knirscht offenbar im Gebälk des neuen Stadtrates von Gardelegen. Die Freie Liste fühlt sich hintergangen - aus mehreren Gründen.
Gardelegen l Die Gerüchteküche würde brodeln. Fraktionen hätten versucht, seine Nachrückerin, Nadine Arnold, abzuwerben. Es sei an der Zeit, öffentlich einiges klarzustellen, betonte Dirk Kuke von der Freien Liste. So habe beispielsweise die Linke-Fraktion versucht, Arnold, die über die Freie Liste kandidiert hatte und nach Kuke (396 Stimmen) und Monique Grothe (308) die meisten Wählerstimmen (193) der insgesamt 16 Bewerber der Freien Liste erhalten hat, abzuwerben. Sie stehe somit auf Platz 1 der Nachrückerkandidaten für den Fall, dass Kuke und Grothe ausscheiden. Im Fall von Grothe ist das bereits der Fall. Sie wechselte zur Linke-Fraktion. Ob das Kalkül war, bleibt derzeit offen, denn hätte sie gleich auf der Liste der Linkspartei kandidiert, hätten ihre 308 Stimmen nicht gereicht für einen Einzug in den Stadtrat. Die Linke hatte sechs Sitze gewonnen, wobei Frank Roßband mit 420 Stimmen die Liste abschließt.
Den Spitzenplatz sicherte sich Andreas Höppner mit 1347 Stimmen. Selbst der erste Nachrücker – Frank Linow – hat mit 402 Stimmen noch mehr als Monique Grothe. Die hatte es übrigens bei der vorigen Kommunalwahl Ende Mai 2014 über die Liste der Linkspartei schon einmal versucht. Schaffte es aber mit 280 Stimmen nicht in den Stadtrat und stand auf der Nachrückerliste von insgesamt vier Kandidaten auf Platz drei. „Dass ein gewählter Volksvertreter zu einer anderen Fraktion wechselt, ist rechtlich legitim. Dass er damit seine Wähler und seine Mitstreiter enttäuscht, damit muss er klar kommen. Und seine Wähler natürlich auch“, betont Kuke. Mit Grothes Wechsel zur Linke-Fraktion hat die Linke statt sechs Sitze nun sieben. Und das hat Auswirkungen auf die Besetzung der Ausschüsse. Zum Nachteil der Freien Liste, wie Kuke verärgert feststellt. Und dabei habe er sich zunächst wirklich gefreut, dass Grothe über die Freie Liste kandidiert hatte.
„Ich hatte Leute gesucht, die mit mir gemeinsam sach- und fachgerecht arbeiten wollen“, so Kuke. Grothe sei ihm durch ihre Arbeit im sozialen Bereich – sie war in der vorigen Legislatur für die Linke als berufene Bürgerin im Sozialausschuss tätig – aufgefallen. Er habe sie angesprochen. „Auch wenn sie erst gezögert und gesagt hat, dass ihr Herz eigentlich links schlägt. Das wäre mir egal gewesen, denn wir arbeiten überparteilich“, betont Kuke. Nunmehr sitze er – gleichgestellt dem Einzelbewerber Thorsten Bombach – allein auf der Sitzungsbank. Denn auch seine Koalitionsvorstellungen seien geplatzt. Er habe damit gerechnet, mit der Liste Feuerwehr und der Wählergemeinschaft Südliche Altmark „zu einer starken Fraktion zusammenzufinden“.
Das hätte gut gepasst, mit der FDP noch dazu wären wir zweitstärkste Fraktion gewesen. Im Vorfeld wurde auch von allen Beteiligten so argumentiert. Leider wurden wir enttäuscht“, stellt Kuke fest. Auch eine Nachfrage bei Bombach zwecks Fraktionsbildung sei erfolglos gewesen. „Der wollte nicht“, so Kuke. Als Zweier-Fraktion hätte die Freie Liste Anspruch auf Ausschusssitze gehabt. Und sie hätte in jedem Ausschuss ihre Kandidaten als berufene Bürger platzieren können. Im Endeffekt könne er nun lediglich als ganz normaler Zuhörer die Ausschüsse besuchen. Mehr nicht, so Kuke. Der Wechsel Grothes zur Linken habe aber auch Auswirkungen für die AfD. Denn die lag mit sechs Mandaten gleichauf mit der Linken. Nunmehr sitzt die Linke mit zwei Mitgliedern mehr in den Ausschüssen, die AfD mit einem. Wäre es bei den sechs Mandaten geblieben, hätte es für einen Ausschuss eine Losentscheidung geben müssen.
Kuke will seine Nachrückerin Nadine Arnold einarbeiten, denn die soll zum 1. Januar 2020 in den Stadtrat. „Ich werde dann 66, und ich will jungen Menschen eine Chance geben, sich politisch zu engagieren“, so Kuke. Deshalb hätten ihn die Abwerbeversuche anderer Fraktionen auch geärgert. Arnold bestätigte das auf Volksstimme-Anfrage. Sie sei angesprochen worden, habe zunächst weder Ja noch Nein gesagt, habe sich nach Rücksprache mit Kuke konsequent für die Freie Liste entschieden. Das Ganze habe sich offenbar „hochgeschaukelt“. Sie sei auch in ihrem Heimatdorf Letzlingen angesprochen worden. „Wir arbeiten gut zusammen. Ich stehe zur Freien Liste“, betont Arnold.
„Ich werde öffentlich keine Stellungnahme zu meinem Wechsel zur Fraktion Die Linke abgeben“, teilt Monique Grothe auf Anfrage mit. Auch Linke-Fraktionschefin Gudrun Gerecke will sich nicht äußern zum Fraktionswechsel Grothes. „Dazu sage ich nichts“, reagiert Gerecke mit dem Hinweis, doch Monique Grothe selbst zu fragen. Bei der CDU sieht man das offenbar vom Spielfeldrand aus ganz gelassen. Er habe den Unmut in der Freien Liste nach dem Wechsel Grothes zur Linken zwar mitbekommen, aber welche Absprachen es da gab, wisse er nicht, sagt CDU-Fraktionschef Thomas Genz.
„Bei jeder Zusammenarbeit spielen Sympathie, Vertrauen, Zuverlässigkeit und eine große Schnittmenge dessen, was man erreichen will und möchte, eine sehr große Rolle. Das wägt man für sich ab und trifft dann seine Entscheidung“, betont Genz. Vielleicht sollte die Freie Liste sich fragen, warum es so gekommen ist, wie es jetzt gekommen ist, meint der CDU-Mann. Mit dem Zusammenschluss der Wählergemeinschaft Südliche Altmark, Feuerwehr und SPD hat sich mit zehn Ratssitzen die zweitstärkste Fraktion gebildet. Die Verhandlungen hatte Oliver Stegert geführt. Alle Partner seien auf die SPD zugekommen, betont Stegert. Kuke habe beispielsweise behauptet, er brauche mit der Feuerwehr und der Südlichen Altmark nicht mehr zu verhandeln, die würden nämlich zu ihm zur Freien Liste kommen. Zu diesem Zeitpunkt habe es beispielsweise noch gar keine Entscheidungen der beiden Fraktionen gegeben. Seit der Fraktionsbildung würde Kuke vor allem auf Facebook „gegen die SPD schießen“. Dass er nun allein dasteht, dürfte seine eigene Schuld sein. „Das Ergebnis seines eigenen Handelns“, so Stegert. Richtig sei, die SPD habe nicht mit ihm gesprochen, was eine Fraktionsbildung betreffe, aber das sei auch das gute Recht der SPD. „Wir haben auch nicht mit der Linken, der CDU oder der AfD gesprochen“, stellt Stegert klar. Von der AfD-Fraktion lag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme dazu vor.