Historisches Gardelegens Bombardierung am 15. März 1945: Geschichtsprojekt mit Zeitzeugen und Recherchen im Internet gestartet
Erinnern und mahnen – das ist auch 76 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wichtig, der soviel Tod, Leid und Trauer brachte. Auch in Gardelegen. Am 15. März 1945 fielen Bomben auf die Stadt, über 50 Menschen starben. Vor allem in einem Keller am Postparkplatz. Dort soll nun an die Opfer erinnert werden. Wie? Daran arbeiten derzeit sehr interessierte Jugendliche.
Gardelegen - Sie haben die Erwachsenen beeindruckt – die 14 Elftklässler von der AG Stolpersteine des Gardelegener Gymnasiums sowie die jeweils zwei Neuntklässler von der Gardelegener Karl-Marx-Sekundarschule und der Miester Sekundarschule „Am Drömling“. „Die Erwachsenen haben gesagt, es ist toll, dass es eine so interessierte Generation gibt, die das Wissen bewahren, daran erinnern und mahnen will, dass so etwas nie wieder passiert“, berichtet Monique Grothe von der Netzwerkstelle Schulerfolg im Altmarkkreis Salzwedel immer noch fasziniert beim Gespräch mit der Volksstimme vom zweitägigen Geschichtsprojekt der Hansestadt Gardelegen.
Die 18 Schüler seien sehr interessiert und wissbegierig gewesen und hätten beispielsweise am ersten Tag bei den Ausführungen von Torsten Haarseim vom Gedenkstättenförderverein zum Kriegsende im allgemeinen und dann speziell in Gardelegen mit der Bombardierung am 15. März 1945 „wie hypnotisiert an seinen Lippen geklebt“. Das lag zum einen daran, schätzt Grothe ein, dass er sehr spannend und jugendgerecht erzählen kann und vor allem auch viele Fotos aus der damaligen Zeit zum Vergleich zu heute mitgebracht hatte. Denn die Projektgruppe besuchte nach dem ersten Vortrag auch den Ort des Geschehens, den Postparkplatz, und unternahm dann einen geschichtsträchtigen Spaziergang durch die Stadt, der in der Nikolaikirche endete. Auch sie wurde an dem „schönen Frühlingstag“ zerstört, der damalige Superintendent Bodo Pauls und Pfarrer Paul Kuss, der damals zu Besuch in Gardelegen war, wurden dabei getötet.
Sehr bewegend empfanden die Schüler auch die Zeitzeugenberichte, die Grothe und Rupert Kaiser von der Stadtverwaltung im Vorfeld zusammengetragen hatten, denn dadurch wurde dieses schreckliche Ereignis persönlicher, auch für sie selbst, berichtet Grothe. Zahlreiche Gardelegener, die damals Kinder waren und heute zwischen 83 und 95 Jahre alt sind, hatten sich gemeldet. Sie hatten, das war ihnen anzumerken, so Grothe, das Bedürfnis davon zu erzählen, wie „ein wunderschöner Frühlingstag“, wie viele sagten, so ein schreckliches Ende nahm. Und auch sie und Kaiser erfuhren so manches Unbekannte. Das Haus, in dessen Keller, der gar kein Luftschutzkeller war, soviele Menschen umkamen, wurde auch das „braune Haus“ genannt, weil die Nazis, die es nutzten, immer braune, mit Nägel beschlagene Stiefel trugen.
Die Erwachsenen haben gesagt, es ist toll, dass es eine so interessierte Generation gibt, die das Wissen bewahren, daran erinnern und mahnen will, dass so etwas nie wieder passiert.
Monique Grothe, Netzwerkstelle Schulerfolg
Am zweiten Tag stand zunächst die Reflektion und der Austausch über das am Vortag Gehörte und Gesehene im Mittelpunkt, nachdem Dr. Hans-Joachim Becker, der Vorsitzendes des Kreisverbandes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, von sich, der Gedenkkultur und die Aufgaben der Kriegsgräberfürsorge berichtet hatte.
Er habe, so Grothe, dabei betont, dass die jetzige Generation die Verantwortung dafür habe, dass es so etwas wie den Zweiten Weltkrieg nie wieder passiert. Deshalb sei es wichtig, an die damaligen Ereignisse zu erinnern, die Mahnung sein sollen. Das hatte auch den Ideengeber Heinz Möhring aus Gardelegen bewogen, als er eine Gedenktafel am Postparkplatz anregte. Und genau das ist die Aufgabe des Geschichtsprojektes der Schüler in Zusammenarbeit mit der Netzwerkstelle im Jugendförderungszentrum, der Stadt, des Gedenkstättenfördervereines und der Kriegsgräberfürsorge. Deshalb ging es am zweiten Tag vor allem darum, Ideen für die Art und Weise des Gedenkens zu entwickeln. Dafür fanden sich die Schüler spontan in fünf Gruppen zusammen, erzählt Grothe, tauschten sich sehr rege aus und recherchierten im Internet.
Jeder stellte anschließend seine Ideen vor, die zumeist eins gemeinsam hatten. Wichtig war allen die digitale Verknüpfung des Gedenkens vor Ort mittels QR-Codes, über den noch weitere Informationen, wie zum Beispiel die Zeitzeugenberichte, abgefragt werden können, und die Verknüpfung mit der Nikolaikirche, in der ja schon seit den 1990er Jahren an die Opfer des Bombenangriffs erinnert wird. Der eigentliche Gedenkort aber, da waren sich alle einig, soll der Postparkplatz sein.
Aus den fünf laut Grothe sehr guten Ideen sollen beim nächsten Projekttag, der am Freitag vor den Herbstferien geplant ist, zwei Ideen ausgewählt und so weiter entwickelt werden, dass sie dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden können, erklärt Grothe den nächsten Schritt. So habe sie es auch mit Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Schumacher und der Vorsitzenden des Sozialausschusses, Sandra Hietel, besprochen, die am ersten Projekttag ebenfalls vor Ort waren.