1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. "Ich bin immer gern Lehrer gewesen"

Abschied vom Beruf "Ich bin immer gern Lehrer gewesen"

Von Cornelia Ahlfeld 09.07.2015, 20:52

Nach 38 Jahren geht Lehrerin Roswitha Stadie in den Ruhestand.

Gardelegen l Quasi zurück zu den Wurzeln, wenngleich auch nicht ganz zurück. Roswitha Stadie wird in wenigen Wochen wieder in Richtung Norden ziehen. Genauer gesagt nach Schwerin. Die kleine Frau kommt aus dem Norden, wurde in Güstrow geboren und hat mit ihren Eltern viele Jahre in Rostock/Laage gewohnt.

Am 17. August steht der Möbelwagen vor ihrer Tür in Mieste. Dann heißt es Abschied nehmen von einem Dorf, von einer Region, von Menschen, die sie im Laufe der Jahrzehnte kennen- und schätzen gelernt hat. Und sie wird Abschied nehmen von vielen Schülergenerationen, die sie in ihrem Berufsleben als Lehrerin für Deutsch und Geschichte, Staatsbürgerkunde und nach der Wende zusätzlich für Rechtskunde, auf den Abschluss der zehnten Klasse vorbereitet hat.

Große Freude auf den neuen Lebensabschnitt

Etwas Wehmut ist da schon dabei, wenn sie in diesen Tagen in ihrem Klassenzimmer steht und Schränke voller Bücher und Unterrichtsmaterialien ausräumt. Ein Teil davon möchte sie ihren Kollegen anbieten. Vieles fliegt einfach in die Papiertonne, die im Klassenzimmer steht. "Das ist schon die zweite", erzählt die agile 61-Jährige.

Auf der anderen Seite freut sie sich riesig auf den neuen Lebensabschnitt. "Ob das ein Ruhestand wird, weiß ich nicht", sagt Stadie und lacht. Denn Pläne hat sie viele. Doch der Reihe nach: Geboren am 4. Dezember 1953 in Güstrow, aufgewachsen in Viestgest, ein kleines Dorf bei Güstrow, besuchte sie die dortige Schule bis zur vierten Klasse. Danach Umzug nach Rostock-Laage. Dort machte sie ihr Abitur. Danach folgte das Studium in Potsdam, das sie als Lehrerin für Geschichte und Deutsch beendete. In Potsdam wurde für den Raum Berlin, Magdeburg und Leipzig ausgebildet. Sie entschied sich für Magdeburg, und das aus ganz pragmatischen Gründe. Die Entfernung zur Heimat sei ausschlaggebend gewesen.

Roswitha Stadie

Ihre erste Wohnung war in der Miester Bahnhofstraße 26. "Was heißt Wohnung? Es war ein Zimmer, ein kleiner Verschlag, kein Wasser, keine Toilette, der Donnerbalken und die Pumpe auf dem Hof", erinnert sich Roswitha Stadie. Aber die Menschen seien sehr nett gewesen. Sie sei gut aufgenommen worden.

Miester Schule hatte früher über 400 Schüler

Später habe sie ins Erdgeschoss ziehen können. Ihr Vater habe ihr eine Toilette und ein Waschbecken eingebaut, so dass sie wenigstens "Wasser aus Wand" hatte. 1981 kam ihre Tochter Franziska zur Welt. Bis 1984 hat sie in der Bahnhofstraße 26 gewohnt. Dann folgte der Umzug in die AWG-Wohnung an der Goethestraße.

Zu DDR-Zeiten hatte die Miester Schule über 400 Schüler, die Schule wurde zeitweise vier- und fünfzügig geführt. "In den Klassen waren immer über 30 Schüler", erzählt Roswitha Stadie. Ihre erste eigene fünfte Klasse bekam sie zum Schuljahr 1978/79. Die Schüler von damals seien jetzt auch Anfang 40. Die schönsten Erinnerungen verbindet sie mit einer Klasse des Abschlussjahrganges 1991/1992. Die Schüler von einst seien heute bodenständige gute Leute, engagierten sich in ihren Dörfern, in der Feuerwehr, im Sportverein.

Nach der Wende sei es schwieriger geworden. "Ich habe mitunter schon an meinen Fähigkeiten gezweifelt", räumt die 61-Jährige ein. Aber insgesamt "bin ich immer gern Lehrer gewesen".

Für sie beginnt nun die Ruhephase der Altersteilzeit. Am 1. Januar 2019 ist sie ganz offiziell Rentnerin. Den neuen Wohnort Schwerin habe sie sich ganz bewusst ausgesucht. Zum einen leben dort ihr Vater und ihre Schwester. Zum anderen sei Schwerin eine schöne Stadt im Grünen mit ganz viel Natur. "Und ich brauche das Theater, ein Kino und ein schönes Café", erzählt sie schmunzelnd. Eines steht für sie ebenfalls ganz fest. Sie will sich auch in Schwerin politisch betätigen. Zu DDR-Zeiten war sie zwar Mitglied der SED. "Dazu stehe ich auch", betont Stadie. Nach der Wende war es dann die PDS, heute die Linke. Seit 21 Jahren ist sie in der Kommunalpolitik aktiv, im Gemeinderat Mieste, heute im Ortschaftsrat und im Gardeleger Stadtrat.

Und sie freut sich auf viel freie Zeit zum Lesen. Sie sei ein großer Science-Fiction-Fan, sei begeistert von Star Wars und Star Trek, lese gern Frank Schätzing, aber auch Fallada, Anna Seghers oder Scholochow. Sie freut sich auf viele Musical-Besuche, auf Reisen auf der Aida gemeinsam mit ihrer Schwester, auf die Ostsee. Und sie freut sich auf viel Zeit für die Familie ihrer Tochter Franziska, auf ihre Enkeltochter Isabelle, die in der Nähe des Bodensees wohnen. Ihre Reisen macht sie übrigens nicht mit dem Pkw. "Ich habe kein Auto. Ich kann nicht fahren. Das war nie so mein Ding", erzählt Roswitha Stadie. Sie fahre lieber mit dem Zug.

Heute wird sie sich von ihren Kollegen verabschieden, und zwar mit einem kleinen Imbiss im Eiscafé.