Restaurierung war ein Kraftakt/Drei Jahre harte Arbeit liegen hinter Herbert Schulz und seinen Mitstreitern Klein Engersener feiern ihre Bauernfahne
Mit einem Gottesdienst haben die Klein Engersener die Restaurierung ihrer Bauernfahne gefeiert. Hinter dem kleinen Ort liegt ein großer Kraftakt. Möglich machten diesen das Engagement von Herbert Schulz und viele Sponsoren.
KleinEngersen l Ein Stück Stoff hängt neben der Kanzel in der Klein Engersener Kirche. Ein roter Vogel und ein grüner Lorbeerkranz zieren die sichtbar alte Fahne. Mit einem Blick wird am Sonnabend klar, was dieses Stück Stoff für die Klein Engersener bedeutet. Die Kirche war voll. Die Gemeindemitglieder hatten eine lange Kuchentafel in der Kirche aufgestellt. "Für uns ist das nicht nur eine Fahne. Für uns ist das Emotion", sagte Herbert Schulz. Für den kleinen Ort war die Restaurierung seiner Bauernfahne ein Kraftakt. Drei Jahre harte Arbeit liegen hinter Herbert Schulz und seinen Mitstreitern. "Wenn ich so dahin gucke", sagte Schulz und zeigte zur Fahne, "kommen mir so ein bisschen...". Er stoppte den Satz und lächelte. Es ist geschafft.
Und die Fahne hat eine lange Geschichte, erzählte Eckhard Roitsch während des Gottesdienstes. Es war ein schweres Leben im 17. Jahrhundert für die Bauern. Sie mussten Frondienst leisten. Einen Großteil ihrer Ernte mussten die Klein Engersener an den Gutsherren Ludolf von Alvensleben abtreten. Für die Gutsherren waren sie praktisch "Gelddruckmaschinen", wie Roitsch klarstellte. Die Bauern bekamen im Gegenzug Schutz, mussten aber in den Krieg ziehen. So auch im Jahre 1675 als schwedische Truppen in Brandenburg einfielen. Ihr Ziel: ein Pakt mit den Braunschweigern. Dazu wollten sie die Elbe überqueren.
"Fest steht, sie gehört zu den ältesten preußischen Fahnen, die es noch gibt."
Eckhard Roitsch
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Hohenzollern gab den Befehl zum Sichern der Elbübergänge. Die Städte und der Adel reagierten darauf nicht. So mussten 1000 Bauern aus der westlichen Altmark in den Krieg ziehen. Unter ihnen waren auch fünf Bauern aus Klein Engersen. Sie zogen an die Elbe, um die Fähren vor den einfallenden schwedischen Truppen zu schützen. Doch sie kamen bis auf Spähtrupps nicht so weit und wurden bei Rathenow und Fehrbellin vom Kurfürsten und seinen Truppen besiegt.
Ende Juni kehrten die Klein Engensener wieder zurück. "Wer vor oder nach der Aktion die Fahne stiftete ist nicht überliefert", sagte Roitsch. "Fest steht, sie gehört zu den ältesten preußischen Fahnen, die es noch gibt", fügte er hinzu.
Gemeindepädagoge Lutz Brillinger bezog sich in seiner Predigt auf den Sieg von Mose und Josua gegen die Amelikiter. Nach der siegreichen Schlacht baute Mose einen Altar zu Ehren Gottes und nannte ihn: "Gott ist mein Feldzeichen." Die Bauern zogen im Unterschied dazu los im Dienst für ihren Landesvater. "Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserem Kurfürsten mit unserem Blut", steht auf ihrer Fahne. "Es ist wichtig, dass diese Geschichten weitergegeben werden. Es hält in uns die Erinnerung wach, dass Frieden nicht selbstverständlich ist", sagte Brillinger.
Manches Museum wäre froh über so eine Fahne", sagte Restauratorin Andrea Knüpfer. Mit Blick in die prall gefüllte Kirche fügte sie hinzu: "Ich finde es unwahrscheinlich, was hier in die Wege geleitet worden ist."
Bereits 2012 hatte Herbert Schulz 4000 Euro gesammelt. Das sollte reichen, um das alte Stück zu restaurieren. Doch dann fällt auf, dass die Fahne beidseitig bemalt ist. Noch einmal 5000 Euro musste Schulz auftreiben. Schulz bedankte sich bei den Sponsoren und Ortsbürgermeister Wilfried Hartmann für dessen Mithilfe. 29 Privatspender und Geld vom der kirchlichen Stiftung Kunst- und Kulturgut, der Sparkasse Altmark-West, den Jagdgenossen Engersen, dem Kreis-Kirchenamt, der Stiftung Zukunft Altmark und dem Mühlenverein Wiepke macht die Restaurierung möglich.
"Danke, dass Du den Mut nicht verloren und die Hoffnung nicht aufgegeben hast", bekam Schulz das Lob von der Kirchenältesten Andrea Teupel zurück. Wilfried Hartmann nannte den Einsatz des Klein Engerseners als "Beispiel, wie wir es brauchen, um das zu erhalten, was uns wichtig ist."