Feldscheune Sie war immer auf der Suche nach Heimat
Brigitte Thompson, Tochter des evangelischen Pfarrers Friedrich Franz, ist gestorben. Ihr Vater ist eine Legende in Gardelegen
Gardelegen l Ihr Vater rettete einst Gardelegen vor der Zerstörung, sie selbst hielt jahrelang den Kontakt zu ihrer Heimatstadt. Nun ist Brigitte Thompson, Tochter des evangelischen Pfarrers Friedrich Franz, gestorben.
Erst im Mai 2018 war die 87-Jährige, die in Südafrika lebte, zu Besuch in Gardelegen gewesen, hatte mit ihrer Familie im Pfarrer-Franz-Heim übernachtet. Der Johanniterorden hatte 2007 eines seiner Pflegeheime in Gardelegen nach ihrem Vater benannt. Denn der ist in Gardelegen eine Legende. Mit einem Kniefall vor General Frank Keating soll sich der evangelische Pfarrer bei dem Divisionskommandeur der 102. US Infantrie-Division dafür eingesetzt haben, dass die Stadt Gardelegen nicht dem Erdboden gleich gemacht wird. Denn das hatten die amerikanischen Alliierten vor, nachdem sie im April an der Feldscheune Isenschnibbe auf über 1000 von den Nazis brutal ermordeten KZ-Häftlinge gestoßen waren.
Vier von ihnen, darunter Mathieu Lambert van Geen sowie einen holländischen Häftling, hatte Franz kurz zuvor in einen Stall hinter dem Pfarrhaus neben der Nicolaikirche versteckt und ihnen so das Leben gerettet.
Die Fürsprache, vor allem von van Green, und die Versicherung des Pfarrers, dass die Gardeleger Bevölkerung nichts mit dem Massenmord zu tun hatte, der vor den Toren ihrer Stadt geschehen war, brachte General Keating zum Einlenken.
Damals war Brigitte Franz, die jüngste Pfarrerstochter, 14 Jahre alt. Als junges Mädchen hatte sie die Ereignisse miterlebt und erinnerte sich gut. Als einzige der drei Schwestern hielt sie allerdings auch als Erwachsene den Kontakt nach Gardelegen, obwohl sie mit ihrem englischen Ehemann und ihren Kindern nach Südafrika gezogen war.
„Sie war immer auf der Suche nach Heimat“, erzählt Ramona Gebur, Leiterin der beiden Johanniter-Pflegheime in Gardelegen. Und hier habe sie ihre Heimat immer wieder gefunden. „Und wir haben uns immer sehr gefreut, wenn sie da war. Sie war immer so bescheiden“, erinnert sich Gebur, die den Kontakt zu Brigitte Thompson nie abreißen ließ.
Am Mittwoch vergangenen Woche hatte Thompsons Tochter Ellen sie darüber informiert, „dass es der Mama sehr schlecht geht und sie im Sterben liegt.“ Kurz darauf sei die 87-Jährige dann verstorben, „im Kreise ihrer Mädchen“.
Gern wäre die jüngste Tochter von Pfarrer Franz bei der Eröffnung des geplanten Dokumentationszentrums auf der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe im kommenden Jahr dabei gewesen. Die Stadt Gardelegen verliert mit ihr ein Verbindungsglied in die Vergangenheit und in die eigene Geschichte.