Dem Schönhauser Tierarzt Christian Löffler bei einer OP zugeschaut Etwas Tigerfell büßt Lorri beim Kastrieren ein
Was passiert eigentlich, wenn eine Katze kastriert wird? Die Volksstimme hatte am Dienstag Gelegenheit, dem Schönhauser Tierarzt Christian Löffler bei der Operation über die Schulter zu schauen.
Schönhausen. Katzendame "Lorri" Junge hat im Mai zum ersten Mal Junge bekommen - ihre Babys "Coco" und "Leo" haben bei Stimmings in Wust und Düsterhöfts in Schönhausen ein gutes Zuhause gefunden. Damit es im Herbst nicht gleich wieder Nachwuchs gibt, geht es zum Tierarzt. Hier lernt der unwissende Besitzer auch gleich noch etwas: Nicht nur Kater werden kastriert, auch Katzen. Die weitläufig verbreitete Meinung, dass Katzen sterilisiert werden, stimmt nicht. "Bei einer Sterilisation werden lediglich die Eileiter durchtrennt. Aber sobald etwas entfernt wird - bei Katern der Hoden und bei Katzen die Eierstöcke, spricht man von kastrieren", erklärt Christian Löffler.
OP-Termin um 11 Uhr. Noch ist Lorri entspannt, schaut sich neugierig in der Praxis um. Die Narkosespritze findet sie nicht nett. Lange Zeit, böse über den Schmerz zu sein, hat sie nicht. Denn schnell schwinden die Sinne und sie spürt nichts mehr von dem, was in den nächsten Stunden passiert. Als erstes steht die Rasur an. Denn ein kleines Stück ihres Tigerfells unterm Bauch muss sie hergeben. "Nun kann es losgehen." Christian Löffler zieht sich sterile Kleidung an, Haube auf den Kopf, Mundschutz. Er holt Lorri aus dem Behandlungszimmer in den kleinen Operationsraum. Hier ist es nicht ganz so steril wie in einem OP für Menschen, aber dennoch keimarm. Der Tisch ist bereits angeklappt in die Senkrechte. "Katzen werden für die Kastration an den Hinterbeinen aufgehängt. Denn dadurch sackt der Darm nach unten und im Bauchraum ist Platz. In Deutschland wird das so gehandhabt, in England dagegen liegen die Tiere und der Schnitt wird seitlich angesetzt. Das hat den Nachteil, dass die Narbe eher sichtbar ist als unter dem Bauch." Das über die Katze gelegte OP-Tuch gibt nur noch das rasierte Stück frei. Nun setzt Christian Löffler das Skalpell an. Knapp zwei Zentimeter ist der Schnitt. Erst durch die Haut, dann die bei Lorri äußerst dünne Fettschicht, zuletzt durch den Bauchmuskel. Mit einem kleinen Instrument zieht er die Eierstöcke heraus. "Gut! Nichts verwachsen und die Katze hat sich an das Anatomiebuch gehalten, da gibt es keine Schwierigkeiten." Der linke Eierstock, so groß wie eine Bohne, wird abgebunden und herausgetrennt. Auf den rechten Seite genauso. Das war es schon. Nur noch die Naht. Christian Löffler gibt sich Mühe, "denn die Naht ist die Visitenkarte eines guten Chirurgen, auch in der Veterinärmedizin".
Es kommt kein Katerbesuch mehr
Während der Tierarzt vorsichtig jeden Stich setzt, erzählt er, dass gerade mal fünf, sechs Prozent aller hier in der Region lebenden Katzen kastriert sind. "Die Jungen werden einfach weggemacht - die freundliche Umschreibung der Besitzer für totgeschlagen. Oder die Jungen werden einfach auf dem Hof laufengelassen. Es werden immer mehr und Krankheiten breiten sich durch diese Überpopulation aus." Dabei hat die Kastration nicht nur den Vorteil, dass keine Jungen mehr "weggemacht" werden müssen. Erfreulich ist, dass die Katzen nicht mehr rollig werden und auch keinen Katerbesuch mehr bekommen. Und Kater, denen bei einer Operation die Hoden entfernt werden? "Die markieren nicht mehr. Und sie bleiben mehr zu Hause, laufen nicht mehr so weit weg und sind deshalb auch nicht mehr so gefährdet, auf der Straße überfahren zu werden." Für die Kastration sollten die Tiere mindestens ein dreiviertel Jahr alt sein, "denn sonst bleiben sie etwas kleiner als ihre Artgenossen und haben es schwer, ihr Revier zu verteidigen", erzählt der Tierarzt.
Lorri hat es geschafft. Sie liegt wieder in der Transportbox, träumt wohl vom Futter, auf das sie seit dem Abend zuvor verzichten musste. Es wird noch ein paar Stunden dauern, bis sie wieder auf den Beinen ist. Erst torkelt sie benommen, dann spitzt sie schon wieder die Ohren und springt noch etwas ungeschickt herum. Und am nächsten Morgen ist alles vergessen. Endlich fressen. Nur bei den anschließenden Katzenwäsche merkt sie, dass da wohl irgendwas gewesen sein muss, denn am Bauch fehlt Fell.
Für Christian Löffler war am Dienstag nach der Kastration noch nicht Schluss im OP. Eine zweite Katze wartete - Tumor auf der Haut. "Solche kleinen Dinge können wir hier in der Praxis operieren. Wenn größere Dinge anstehen, für die beispielsweise Beatmungstechnik gebraucht wird oder bei der es tatsächlich steril sein muss, überweisen wir in die Tierklinik." Manche Operationen nimmt Christian Löffler auch vor Ort vor. Bei Kühen beispielsweise oder Kastrationen von Pferden. Er erzählt, dass es inzwischen auf dem Land gerade an Großtierpraxen mangelt, "gerade erst gab es dazu ein Krisengespräch bei der Tierärztekammer".
Nicht mehr nur zum Mäusefangen da
Über 90 Prozent der Studienanfänger im Bereich Veterinärmedizin seien Frauen. Und die würden sich meist dazu entscheiden, Kleintierpraxen zu eröffnen. Denn wer sich auch um Großtiere beispielsweise die Vielzahl der Rinder in großen Milchviehanlagen kümmert, müsse nicht nur ordentlich zupacken können, sondern auch mit den langen Arbeitszeiten zurechtkommen. Denn schon morgens um 4 Uhr, wenn das Melken beginnt, sind auch die ersten Tiere zu behandeln. Nur noch selten gebe es solche Gemischtpraxen wie die in Schönhausen oder die von Leues in Sandau oder von Stefan Boden in Jerichow.
Erfreulich findet Christian Löffler es, dass in jüngster Zeit immer mehr Besitzer bereit sind, in die Gesundheit und das Wohlergehen von Hund, Katze und Co zu investieren. Denn gerade, wenn die Besitzer älter werden und die Kinder aus dem Haus gehen, bringen die Tiere Freude in den Alltag." Katzen sind nicht mehr wie früher nur dazu da, Mäuse zu fangen. Und gerade Hunde werden oft zu einem Familienmitglied, das volle Aufmerksamkeit erfährt. "Tiere dürfen bei all der Liebe nicht vermenschlicht werden", mahnt Christian Löffler. "Aber sie machen das Leben schöner!"