Landespolitikerin Claudia Dalbert spricht an Diesterwegschule über gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern Für Inklusion sind noch längst nicht alle Hausaufgaben gemacht
Altenplathow l Zu den wichtigsten Themen, die beim Besuch von Claudia Dalbert, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Magdeburger Landtag, an der Diesterweg-Grundschule erörtert wurden, zählte die Inklusion. Hinter dem Begriff steckt der gemeinsame Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern. Die UN-Menschenrechtskonvention schreibt vor, das Schüler mit körperlichen und geistigen Behinderungen reguläre Schulen besuchen.
Für Claudia Dalbert müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit Inklusion funktionieren kann. Punkt eins betreffe die Bauordnung und beziehe sich auf Barrierefreiheit (genügend breite Flure, behindertengerechte Toiletten). Punkt zwei beinhalte die Baulichkeit der Schulgebäude. Stichwörter seien hier unter anderem Leitsysteme und Akustik. Punkt drei beschäftige sich mit dem Personal: Wie viele Lehrer, pädagogische Mitarbeiter etc. mit welcher Ausbildung ständen einer Schule zur Verfügung. Es reiche eben nicht aus, Förderschullehrer stundenweise auf Regelschulen zu verteilen, sagte Claudia Dalbert und traf damit auf offene Ohren bei ihren Gesprächspartnern. "Wir wollen Inklusion", nannte sie den Standpunkt der Grünen, "aber die Schulen müssen darauf vorbereitet sein."
Der Erhalt einiger Förderschulen im Land müsste darüber hinaus gewährleistet sein. "Es gibt Kinder für die der Unterricht dort die bessere Lösung ist." Das schätzte Kirsten Gibtner, Lehrerin an der Förderschule Albrecht Dürer in Parchen, genauso ein. "Es gibt Kinder, die können nicht an einer Regelschule unterrichtet werden. Die brauchen den geschützten Raum, den ihnen eine Förderschule bietet."
Den Standpunkt bekräftigte auch Ute Kliem, Leiterin der Diesterweg-Grundschule. So sehr sie um jedes Kind für ihre kleine Schule kämpfe, seien manche Kinder doch an Förder- oder Spezialschulen besser aufgehoben. "Wir Lehrer können viel steuern", sagte sie. Aber wenn es in einer Klasse zu viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen gebe, könne das ein Grundschullehrer allein nicht mehr bewältigen. "Die Inklusion wird uns übergestülpt, ohne die personellen und materiellen Voraussetzungen zu schaffen", fand die Schulleiterin klare Worte.
Auch Claudia Dalbert ist mit der jetzigen Situation alles andere als zufrieden. Aus ihrer Sicht werde zu lange zweigleisig gefahren. "Desto schwieriger wird es für die normalen Schulen."
Kirsten Gibtner nutzte die Gesprächsrunde, um sich für den Erhalt des Parchener Förderschulzentrums stark zu machen. "Wir brauchen uns nicht zu verstecken." Die Förderschule Parchen verfüge über ein "breites außerschulisches Angebot und über sehr engagierte Eltern".
Kirsten Gibtner wurde von Claudia Dalbert direkt gefragt, was ihrer Meinung nach eine Schule brauche, damit Inklusion funktioniere. Ein Förderschullehrer müsse festes Mitglied im Lehrerkollegium sein, lautete ihre wichtigste Forderung. Kirsten Gibtner selbst pendelt zwischen Parchen und Altenplathow. An der Förderschule ist sie nach wie vor Klassenleiterin, an der Grundschule betreut sie Kinder, die einen besonderen Förderbedarf haben.
Ihre Forderung fand breite Unterstützung. Der Förderlehrer werde auch über die ihm zugeteilten Stunden hinaus an der Schule benötigt: Beispielsweise damit sich die Lehrer untereinander abstimmen können, wie sie mit Schülern umgehen.
Noch bevor Claudia Dalbert eingeladen werden konnte, äußerte sie selbst Interesse, sich die Förderschule Parchen anzusehen. Die Einladung sprach Kurt Wicke, Vorsitzender des Bildungs-, Kultur- und Sozialausschusses des Stadtrates, dennoch aus. Der Besuch soll schon in Kürze stattfinden.
Kirsten Gibtner machte sich für den Erhalt der Parchener Dürerschule nicht zuletzt vor dem Hintergrund stark, dass Förderschülern für Hin- und Rückweg je 90 Minuten Fahrtzeit zugemutet werden kann.