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Tödliche Maschenzäune bei Hochwasser Mit Video: Dramatischer Rettungsversuch am Elbdeich zwischen Jerichow und Fischbeck 

Maschenzäune bewahren Neuanpflanzungen im Elbdeichbereich vor dem Verbiss durch Wildtiere. Die wiederum verfangen sich bei Hochwasser darin und gehen qualvoll zugrunde.

Von Susanne Christmann Aktualisiert: 04.01.2024, 10:31
Tragisch: Die Rehmutter, im Maschenzaun verfangen. Ihr Kitz ist zu diesem Zeitpunkt offenbar schon im Hochwasser der Elbe ertrunken.
Tragisch: Die Rehmutter, im Maschenzaun verfangen. Ihr Kitz ist zu diesem Zeitpunkt offenbar schon im Hochwasser der Elbe ertrunken. Foto: Jens Sperling

Jerichow/Fischbeck. - Dass die derzeitige Hochwasserlage an den kritischen Deichen neben den menschlichen und wirtschaftlichen Aspekten vor allem auch viel Tierleid verursacht, weiß eigentlich jeder, nur Beachtung - bei den „zuständigen Behörden“ - finde das kaum.

Meinen jedenfalls die Augenzeugen und jene Tierfreunde, die am 30. Dezember im Elbdeichbereich zwischen Jerichow und Fischbeck versucht haben, eine Rehricke mit ihrem Kitz aus den dort gesetzten Maschenzäunen aus dem kalten Elbwasser zu befreien.

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Dem Kitz konnten Jäger Jens Sperling und sein Mitstreiter schon am Tag des Dramas nicht mehr helfen, das war offenbar bereits ertrunken, als sie mit ihrem Boot am Zaun ankamen. Die Ricke aber konnten sie befreien, an Land bringen und versuchen zu wärmen. Trotzdem hat es auch die Ricke letztendlich nicht geschafft - sie war zu entkräftet und unterkühlt.

Im Video: Hochwasser: Tierdrama am Elbdeich

 
Dramatischer Rettungsversuch: Warum es auch am Elbdeich zwischen Jerichow und Fischbeck Zäune gibt, die schützen - und töten.(Kamera: Reinhard Hopp/Jens Sperling, Schnitt: Bernd Stiasny)

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„Für uns ist es nun aber nicht nachvollziehbar, weswegen die aus unserer und auch aus der Sicht der anwesenden Tierfreunde eigentlich nutzlos gewordenen Maschenzäune noch immer im Überschwemmungsgebiet der Elbe stehen und sie nicht längst, insbesondere in Anbetracht der seit Wochen bestehenden Hochwassergefahr, rechtzeitig abmontiert worden sind“, fragen sich Margit und Reinhard Hopp, die zufällig Augenzeuge des, wie sie es nennen, „tierischen Dramas“ geworden sind. „Ob die zuständigen Behörden aus den Hochwassern 2002 und 2013, bei denen Hunderte Wildtieren ertrunken sind, weil sie sich in von Menschen installierten Zäunen und Begrenzungen verfangen hatten, nichts gelernt?“

Die Tierretter nähern sich dem Maschendrahtzaun, in dem sich das Reh verfangen hatte.
Die Tierretter nähern sich dem Maschendrahtzaun, in dem sich das Reh verfangen hatte.
Foto: Reinhard Hopp

Diese 1,80 Meter hohen Zäune, so Martina Große-Sudhues, Direktorin des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) im Gespräch mit der Volksstimme, stehen in diesem Bereich des Elbdeiches seit zwei Jahren. „Sie wurden dort aufgestellt, um die Neuanpflanzungen dort zu schützen, vor allem auch gegen Verbiss durch Wildtiere.“ Einfach bei drohendem Hochwasser abbauen und danach wieder aufstellen - das ginge einfach nicht.

Erst nach zehn Jahren würden sie regulär wieder abgebaut. Jeden Tag, so die Direktorin, würden zur Zeit Kontrollgänge dort gemacht. In den Zäunen verfangene Wildtiere seien dabei noch nicht beobachtet worden. Das Dilemma - Schutz der Wildtiere gegen Schutz der Pflanzen - ist Große-Sudhues aber bewusst und es lasse sie auch nicht kalt. Sie will gemeinsam mit dem Flussbereichsleiter dafür sorgen, dass bei den Kontrollgängen nun noch genauer geschaut wird, ob sich ein Tier in den Zäunen verfangen hat, um gegebenenfalls einzugreifen.

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Für Jens Sperling ist das zu wenig. Der Jäger aus Fischbeck hat sich am 30. Dezember mit einem Mitstreiter ins Boot gesetzt, um Ricke und Kitz zu retten. Als Jäger sehe er das Ganze durchaus pragmatisch. Nicht jeder Feldhase ließe sich aus den Hochwasserfluten retten. Bei Tierqual wie dem Verfangen in den Maschenzäunen aber müsse man eingreifen.

Die Retter versuchen, das unterkühlte und entkräftete Tier zu wärmen.
Die Retter versuchen, das unterkühlte und entkräftete Tier zu wärmen.
Foto: Reinhard Hopp

Solche Zäune wie am Elbdeich seien „das Schlimmste“ für die Wildtiere. Die seien in diesem Bereich seiner Auffassung nach viel zu umfangreich, rund zwanzig Meter vor dem Deich aufgestellt worden. In genau diesen Auslaufzonen bewegen sich die Wildtiere bei Hochwasser.

Das Wasser an sich sei dabei gar nicht das Problem, viele Wildtiere könnten schwimmen. Der Knackpunt seien bei Hochwasser eben die Maschenzäune. Die ja wiederum die Pflanzen vor dem Verbiss durch eben diese Wildtiere schützen sollen. Ein Teufelskreis.

Das Boot jedenfalls haben Jens Sperling und sein Mitstreiter bei einem nahe gelegenen Bauern deponiert. Um wieder losrudern zu können, wenn ein Wildtier sich im Zaun verfangen haben sollte.