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Geschichte Jerichow gedenkt der Euthanasie-Opfer

Der Holocaust-Gedenktag wird im Jerichower Fachkrankenhaus für die Erinnerung an Opfer der NS-Zeit genutzt. Eine Ausstellung zu diesem Thema gibt es in Genthin.

Von Simone Pötschke Aktualisiert: 28.01.2024, 16:52
Martin Hering (l.) und Thomas Wendler legen am Gedenkstein auf dem Gelände des AWO-Fachkrankenhauses in Jerichow ein Gebinde nieder.
Martin Hering (l.) und Thomas Wendler legen am Gedenkstein auf dem Gelände des AWO-Fachkrankenhauses in Jerichow ein Gebinde nieder. Foto: Simone Pötschke

Jerichow - „Wir befinden uns heute an einem Ort, der uns an die dunkelste Geschichte der Einrichtung erinnert“, leitete Steffi Schünemann vom AWO-Landesverband Sachsen-Anhalt die Kranzniederlegung anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust auf dem Gelände des Fachkrankenhauses ein.

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Sie gehörte neben Wolfgang Schuth, Vorsitzender der AWO im Jerichower Land, zu den Rednern der Veranstaltung, dessen Teilnehmer sich um den Gedenkstein an die Opfer von Euthanasie und Eugenik versammelten.

Mit der Erinnerungskultur auseinandersetzen

Wolfgang Schuth setzte sich mit dem Begriff des Erinnerns und der Erinnerungskultur auseinander. Er zitierte den Buchenwald-Häftling, Soziologen und Buchautoren Eugen Kogon, wonach Geschichte das Arsenal unserer Erfahrungen sei, die man kennen müsse, um aus ihr bestätigt oder gewarnt zu werden. Über alledem, sagte Schuth, stehe das selbstverständliche Credo, das Zukunft Erinnerung brauche.

Wolfgang Schuth und Steffi Schünemann hielten Sonnabend die Gedenkreden.
Wolfgang Schuth und Steffi Schünemann hielten Sonnabend die Gedenkreden.
Foto: Simone Pötschke

Schuth knüpfte daran Worte des ehemaligen Häftlings des KZ Sachsenhausen, Andrzej Szczyiorski. Der Holocaust-Überlebende rät eindringlich: „Ich bin der Meinung, das Wissen um Europas schreckliche Vergangenheit sollte ein moralisches Gebot sein für jeden, der sich selbst achtet und die eigene Menschlichkeit vertiefen möchte.“

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Am Gedenkstein legten AWO-Geschäftsführer Thomas Wendler und Dr. Martin Häring, Ärztlicher Leiter, ein Blumengebinde nieder. Jerichows Bürgermeisterin Cathleen Lüdicke (parteilos) folgte ihnen. Dem schloss sich eine Schweigeminute an.

Erinnerung an Heilanstalt

Die jährliche Kranzniederlegung am 27. Januar nimmt im Fachkrankenhaus einen exponierten Platz in der Gedenkkultur der Einrichtung ein, so dass die Geschehnisse in der damaligen Landesheilanstalt während der Zeit des Nationalsozialismus im öffentlichen Gedächtnis bleiben.

Im Rahmen der geheimen Aktion „T 4“ wurden allein 930 Patienten der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Jerichow getötet. Sie wurden von Jerichow zu den NS-Tötungsanstalten Brandenburg/Havel und Bernburg verschleppt und dort ermordet. Bei der „Aktion T4“ wurden über 400.000 Menschen zwangssterilisiert und 70.000 Menschen systematisch ermordet.

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Opfer waren unter anderem Schizophrene, Menschen mit erblicher Fallsucht, Blindheit, Taubheit und „schwerem Alkoholismus“. Um an die historische und gesellschaftliche Verantwortung pflegerischer und medizinischer Berufe zu erinnern, wird in der historischen Kapelle die ständige Ausstellung „Euthanasie und Eugenik - Das AWO Fachkrankenhaus Jerichow in der Zeit des Nationalsozialismus“ gezeigt.

Vom 29. Januar bis zum 9. Februar wird diese als Wanderausstellung in der Genthiner Stadt- und Kreisbibliothek zu den üblichen Öffnungszeiten zu besichtigen sein. Anmeldungen sind nicht erforderlich. Für Fragen steht das Team der Bibliothek telefonisch unter 03933/80 56 27 oder per Mail info@bibliothek-genthin.com zur Verfügung.