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Tucheim: Der süßeste Job der Welt Unfassbare Tierliebe Nähe Genthin: Wie ein Engel aus Ringelsdorf Leben rettet

Igel sind vom Aussterben bedroht, an jeder Ecke lauert die nächste Gefahr. Wie eine Heldin aus Ringelsdorf die Vierbeiner rettet und warum sie manchen ein zweites Leben schenkt.

Von Louis Hantelmann Aktualisiert: 18.09.2024, 16:22
Stefanie Jaksch mit Igel Felix auf dem Arm.
Stefanie Jaksch mit Igel Felix auf dem Arm. Foto: Louis Hantelmann

Ringelsdorf. Ingo wohnt seit zwei Monaten in Ringelsdorf. Schon bald geht es für ihn zur Reha, damit er wieder nach Hause kann. Bei Ingo handelt es sich um einen dreibeinigen Igel, der in „Steffi’s Tierhilfe“ untergebracht ist und einen Sonderfall darstellt.

„Er hatte ein schlimmes Vorderbein. Da standen wir vor der Wahl, ihn einzuschläfern oder das Bein zu amputieren“, blickt Stefanie Jaksch von der Igelstelle zurück. Da der Igel aber einen großen Lebenswillen vermittelt hat, entschieden sich Stefanie Jaksch und der Tierarzt für Letzteres.

Gute Chancen zur Auswilderung

„Auch nach der Operation krabbelt er mit seinen drei Beinen den Käfig hoch“, freut sich die zertifizierte Beraterin für Tierhaltung und Tierpsychologie. Auf der Igel-Reha im eigenen Garten soll er, zunächst auf weichem Boden, lernen, das Gewicht zu verlagern, Muskeln sollen aufgebaut und die neue Haltung beim Gehen gelernt werden.

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Anschließend wird entschieden, ob er wieder in die Wildnis entlassen werden kann oder ob er zum Beispiel über die Naturschutzbehörde in ein Gehege kommt. „Er macht das bisher sehr gut“, sieht Jaksch eine gute Chance, dass Ingo wieder ausgewildert werden kann. „Als Igelstelle ist es das schönste Gefühl, wenn die Tiere wieder in die Wildnis entlassen werden können“, kämpft Jaksch um jedes Igelleben.

Igel Ingo vor seinen anstehenden Reha-Maßnahmen.
Igel Ingo vor seinen anstehenden Reha-Maßnahmen.
Foto: Louis Hantelmann

Die Igelpflegestelle existiert seit vier Jahren und ist durch einen Zufall entstanden: Auf Grund ihres Engagements im Tierschutz brachte eine Person Stefanie Jaksch einst vier Igelbabys, die sie bei sich aufgenommen hat. Weitere folgten, und mit der Gründung der Anlaufstelle wird seitdem eine Nische in der Umgebung gefüllt.

„Es ist eine der wenigen Igelstellen im Land und ist wichtig, dass es hier eine Anlaufstelle gibt“, sagt Jaksch über die Leute, die aus Orten von Magdeburg bis Brandenburg kommen. Durch die Schließung der Stelle in Barby kommt aus dem Gebiet nun ebenfalls mehr Zulauf.

Ein Podcast zur Aufklärung

Die Igelbetreuung ist quasi ein Ganztagsjob und beinhaltet unter anderem die Fütterung, Pflege, Wundversorgung, Reinigung der Boxen sowie regelmäßige Fahrten zum Tierarzt. Ein Inkubator fehlt ihr in ihrer Station noch, daher macht sie regelmäßig Wärmflaschen für die Tiere. Dafür fallen monatlich Kosten von 700 bis 800 Euro an, die Jaksch selbst zahlt, Förderungen für die Arbeit gibt es keine.

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„Daher helfen die regelmäßigen Spenden der netten Leute, seien sie finanzieller Art oder Sachspenden.“ Stefanie Jaksch besuchte mehrere Fortbildungen und ist zudem auch regelmäßig in Schulen und Kitas unterwegs und vermittelt dort ihr Wissen.

Seit diesem Jahr betreibt sie zudem den Podcast „Piks, der stachelige Podcast“, informiert über die aktuelle Situation bei ihr und gibt allgemeine Infos und Tipps zu den Tieren. „Die Öffentlichkeitsarbeit ist sehr wichtig, um die Leute zu sensibilisieren.“

Die ersten Babys des Jahres sind Anfang August eingetroffen.
Die ersten Babys des Jahres sind Anfang August eingetroffen.
Foto: Steffi’s Tierklinik

Denn Gefahren für die Tiere lauern überall und werden immer mehr. „Igel sind draußen in der Natur am Aussterben und stehen unter Artenschutz“, schlägt sie Alarm: Es ist wenig Nahrung vorhanden, der Lebensraum wird zugebaut und -betoniert, die Überquerung der Straßen ist ebenso eine Gefahr wie die Mähroboter im Garten.

99 Prozent der Igel, die bei ihr ankommen, seien unterernährt. Oft essen sie notgedrungen Schnecken und Würmer, dadurch wachsen später allerdings auch die Parasiten der Tiere. Eine Wurmkur in der Igelstelle ist häufig die Folge.

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Für die Hilfe zu Hause gibt es bei ihr auch ein Notfallset mit diversen Hilfsmitteln und nützlichen Informationen und Anleitungen. Alarmzeichen, dass es einem Igel schlecht geht und dass Hilfe nötig ist, gibt es mehrere. So sollte sich das Tier bei Tagaktivität genauer angeguckt werden. Babys ohne Fell und außerhalb des Nestes sind hilfsbedürftig, auch bei offenen Wunden besteht Handlungsbedarf.

Rollt sich der Igel zusammen und bleibt für etwa zehn Minuten so – auch bei Abwesenheit des Menschen – deutet dies auf innere Verletzungen hin. Auf Untergewicht weist die Form des Tieres an. „Ein gesunder Igel soll rund aussehen, wie ein Apfel“, so Jaksch, wohingegen die Körperform einer umgedrehten Birne auf Unterernährung hinweist.

Maßnahmen für zu Hause

Schon einfache Maßnahmen können den Tieren auch im eigenen Garten helfen. So sollen Laubhaufen im Garten gerne länger liegen bleiben und die Hecken möglichst in Ruhe gelassen werden. „Mit faul sein im Garten hilft man den Tieren sehr“, lacht Jaksch. Kleine Löcher oder Durchgänge im Zaun reichen aus, damit die Tiere sich in ihrem Revier bewegen können.

Mähroboter solle man am besten nur tagsüber laufen lassen. Eine große Hilfe ist zudem die Errichtung von Futterstellen. „Allerdings ist dabei zu beachten, dass es sich bei den Tieren um Fleischfresser handelt. Milch oder Kaffeesahne darf keinesfalls verfüttert werden.“

Am besten eigne sich Hunde- oder Katzennassfutter mit mindestens 60 Prozent Fleischanteil, auch angebratenes Ei oder Rinderhack kann in die jeden Tag zu reinigende Futterstelle gegeben werden, erklärt Jaksch. Steht ein Igel an der Straße, könne man ihn zudem in Nasenrichtung übersetzen. „Oft trauen sie sich nicht rüber.“

Im Notfall auch ander Tiere

Bei Notfällen und sofern sie genügend über das Tier weiß, nimmt Stefanie Jaksch auch andere Wildtiere auf. So standen einmal drei Soldaten mit Marderbabys vor der Tür, auch einen Feldhasen, ein Eichhörnchen oder eine Krähe zählten schon zu ihren Patienten.

„Aktuell beginnt die Igelbabyzeit“, sagt Jaksch Anfang August, als sie einen Anruf bekommt: Ein Mann hat vier kleine Tiere außerhalb des Nestes umherlaufen sehen, von der Mutter keine Spur. Noch am gleichen Tag treffen die Neuankömmlinge in Ringelsdorf ein.

Tragisches Schicksal

Für Stefanie Jaksch bedeutet das: Nachtschicht. Denn alle ein bis zwei Stunden müssen die Tiere gefüttert werden. Die vier Babys sind nur wenige Tage alt. „Zwei der Kleinen sind auf Grund der langen Unterversorgung leider verstorben“, bedauert Jaksch.

Es sind die ersten Igelbabys in diesem Jahr gewesen. In der ersten Jahreshälfte, von Januar bis Anfang August, habe sie bereits 40 Igel bei sich aufgenommen. Im April ist sogar schon Aufnahmestopp gewesen. „Ich muss bei den Tieren auch mit der Arbeit hinterherkommen und ihnen gerecht werden“, erläutert Jaksch. Sie geht davon aus, dass die 100er-Marke an gepflegten Tieren in diesem Jahr geknackt wird.