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Kunst Magerkost in Genthins öffentlichem Raum?

Was hat Genthin eigentlich für Kunst im öffentlichen Raum zu bieten? Die Volksstimme machte sich auf Spurensuche.

Von Mike Fleske 30.10.2020, 05:00

Genthin l Kunst im öffentlichen Raum habe, schrieb unsere Reporterkollegin Manuela Langer jüngst, ganz selbstverständlich und in vielfältiger Form ihren Platz in der Stadt und den Ortschaften der Einheitsgemeinde Gommern. Sie stellte in einer Serie bekannte und eher versteckt liegende Kunstwerke vor. Das brachte uns in Genthin auf die Idee, auch in der Kanalstadt auf die Suche nach Kunstwerken im hiesigen öffentlichen Raum zu fahnden. Fahnden erweist sich dafür als das passende Wort, denn die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Ausbeute unserer Suche lässt sich schon mit dem Attribut „etwas mager“ beschreiben.

In der Stadtverwaltung angefragt, ob es hier eine Liste jener Kunstwerke gebe, die im öffentlichen kommunalen Raum der Kernstadt und in den Ortschaften, also in den städtischen Parks, auf Straßen oder Plätzen von jedermann zu erleben sind, bekamen wir eine Liste von Denkmälern zugesandt, die an die Gefallenen im Ersten und Zweiten Weltkrieg erinnern, ein jüdisches Ehrenmal ist dabei und Baudenkmale wie der Glockenturm in Fienerode oder die Torfschleuse Mützel.

Ein Kunstwerk im eigentlichen Sinne ist nur eines darunter: die künstlerisch gestaltete Gedenkstätte in Genthin-Wald mit der vermutlich von Metalldieben gestohlene Frauenfigur aus Bronze, die von der Magdeburger Bildhauerin Ursula Schneider-Schulz stammt.

Nachdem die Bronzeskulptur gestohlen wurde, gab es umfangreiche Diskussionen um die Wiederherstellung des Bereiches. Am Ende einigte sich der Stadtrat darauf, dass die Betonwand, vor der einst die gestohlene Frauenfigur an das Land der KZ-Häftlinge erinnerte, mit einer Schrift im Kratzputzverfahren gestaltet werden solle.

Die Magdeburger Grafik-Designerin Gudrun Seifers bekam den Auftrag zur Gestaltung eines Entwurfs. Dieser wurde von einer Fachfirma umgesetzt, aber am Ende war das Ergebnis kaum ansehnlich. Der Stein war fleckig, die Buchstaben schnell ausgebrochen. Erst nach einem Richterspruch des Landgerichtes Stendal nahm sich die beauftragte Firma erneut des Steins an. Heute ist der Stein hergerichtet.

Wer da meint, Kunst im öffentlichen Raum sei eine Erfindung aus jüngster Zeit, gar der DDR, weil die von Staatswegen Kunst im öffentlichen Raum nicht nur gefördert, sondern auch in Auftrag gegeben hätte, der irrt. Kunst im öffentlichen Raum, so beschreibt es das Internetlexikon Wikipedia, stehe stets in Verbindung mit der Gestaltung des öffentlichen Raums, welcher in den Städten, Märkten und Dörfern viele Jahrhunderte alt sei.

Sie umfasse die teils mehrere hundert Jahre alten Standbilder und Brunnen in den Parkanlagen genauso wie zeitgenössische Werke und Projekte. Auch politisch bestellte Arbeiten wie der Karl-Marx-Kopf in Chemnitz würden dazu zählen.

Wir begeben uns in Genthin auf die Suche nach weiteren solchen Kunstwerken, die ihren Teil zur Wahrung des kulturellen Gedächtnisses der Stadt in dem Zeitgeist entsprechender Darstellung durch einen Künstler beitragen (können).

Die Figuren am Wahrzeichen Genthins, dem 1934/35 erbauten Wasserturms, dürften dazuzählen, auch wenn sie im negativen Sinne den damaligen Zeitgeist widerspiegeln.

Sie stammen vom Bildhauer Bernhard Schmitt, gebürtig aus Kaiserslautern (1902 bis 1950) und stellten einen Soldaten, ein Mitglied des Reichsarbeitsdienstes sowie je einen Angehörigen der SS und der SA dar. Diese Figuren wurden nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft entfernt. Die übrigen vier Figuren – Arbeiter, Frau, Landmann und Ingenieur – blieben erhalten und sind bis heute zu sehen.

Fündig auf unserer Suche wurden wir natürlich auch hinterm Stadtkulturhaus am Ufer des Elbe-Havel-Kanals. Hier steht auf einem hohen Metallsockel der „red man“. Der stilisierte Männertorso besteht aus Polyesterlaminat und ist innen hohl. Geschaffen wurde „red man“ in einer neunmonatigen Arbeit des in Mecklenburg lebenden Künstlers Reinhard Buch. Geschaffen auf Initiative der Henkel Genthin GmbH hat ihn Genthins Bauamtsleiterin Dagmar Turian im Dezember 2006 mit einer Flasche Sekt eingeweiht.

Seit 60 Jahren betreibt Dieter Rohr Heimatgeschichtsforschung in Genthin. Er weiß Genaueres über die Sandsteinreliefs an der Sparkassen-Zweigstelle in der Brandenburger Straße zu berichten: „Das Gebäude hat am Eingang zwei Terrakottareliefs, welche die Figuren ‚Saat und Ernte‘ darstellen.“ Diese wurden von Rudolf Belling kreiert, einem Berliner Bildhauer.

Dann entdecken wir bei unserer Erkundungstour noch eine kunstvoll geschmiedete Hausnummer in der Mühlenstraße 16. Über der Zahl thront eine Justitia mit der Waage und verbundenen Augen. Die hat, so erzählt uns der ehemalige Hausbesitzer Olaf Schmeichel, der 2008 verstorbene Bildhauer Volker Roth aus Rathenow im Auftrag von Schmeichel und seiner Frau geschaffen, da damals eine Rechtsanwaltskanzlei in der Nummer 16 ihren Sitz hatte.

Nach einer künstlerischen Brunnenfigur oder ähnlichem suchen wir vergeblich.

Fündig wurden wir nur noch bei Graffiti-Kunstwerken. In der Stadt sind in den vergangenen Jahren eine Reihe von besonderen Kunstwerken hinzugekommen: Graffitis. Damit gemeint ist öffentliche Wandmalerei gemacht von Künstlerhand. Bunt statt grau, ist hier das Motto. In Genthin zumeist gestaltet von Experten aus Brandenburg und Potsdam mit Jugendlichen aus der Region.

„Wir waren dafür bereits mehrfach in Genthin und haben Jugendliche bei der Gestaltung verschiedener Wände unterstützt“, berichtet Guido Raddatz von der Brandenburger Firma „Colorful – Agentur für Gestaltung“.

Los ging es vor vier Jahren in Altenplathow. Am heute leerstehenden Sozialen Möbellager entstand durch öffentliche Finanzen unterstützt, ein Bild ganz im Sinne des Gebäudes zum Thema „Geben und Nehmen“. Dafür stehen symbolisch zwei Hände. Auch wenn das Geschäft heute verwaist ist, das Bild hat die Zeit überdauert und ist immer noch zu sehen.

Seit zwei Jahren gibt es ein Graffito am Jugendhaus Thomas Morus. Hier standen wieder die Brandenburger zur Seite. „Wir haben dort Halbkreise in verschiedenen Farben mit weichen Übergängen gestaltet“, sagt Guido Raddatz. Auch hier hatten die jungen Leute die Federführung. Von der Schollstraße ist dieses Kunstwerk auch bei geschlossenem Gartentor zu sehen.

Auch unter Raddatz Regie, stand die Verschönerung des Unterstellhäuschens auf dem Sportplatz.

Seit dem vergangenen Sommer sind dort der Jerichower-Land-Kranich als freundliche Comic-Figur und ein Fußball spielender Dachs zu sehen. Das Werk ist vom Gehweg der Berliner Chaussee zu sehen und war seinerzeit mithilfe von Jugendlichen aus Genthin, Jerichow und Elbe-Parey entstanden.

Und das auch Firmen Interesse an bunten Bildern an der Wand haben, zeigt das Beispiel „Avacon“. Der Energieversorger ließ vor drei Jahren einer neunten Klasse der Brettiner Sekundarschule viel Gestaltungsspielraum. Gemeinsam mit Hanno Fennel von der Potsdamer Firma „artefx“, brachten die jungen Leute eine besondere Reisegruppe auf die Wand. Nun ist dort ein Zug fahrendes Alpaka nebst einem Fisch und einem Elefanten in den Waggons zu sehen.

In den Ortschaften gibt es einige bunt gestaltete Trafohäuschen. In Mützel haben die Künstler Daniel Siering und Hendrik Uterwedde die Mühle samt Gespann kunstvoll verewigt. Ähnlich lokal ist auch das Kunstwerk der beiden Potsdamer in Parchen: Auf dem Häuschen ist die Parchener Landschaft rund um die Bockwindmühle zu sehen.