Landgericht hat "gravierende Zweifel" und spricht Stabsunteroffizier in zweiter Instanz frei Soldat soll Krankenschein gefälscht haben - Freispruch
Stendal/Burg l Das Landgericht Stendal hat am Dienstag in zweiter Instanz einen 27-jährigen Zeitsoldaten der Clausewitzkaserne Burg vom Vorwurf der Dienstentziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung freigesprochen.
Damit hob die Berufungskammer unter Vorsitz von Richter Gundolf Rüge ein anderslautendes Urteil des Amtsgerichtes Burg vom 28. November auf. Die Strafrichterin dort hatte "keine Zweifel", dass der Stabsunteroffizier aus dem Harzvorland den Krankenschein seines ihn behandelnden Vertragsarztes am 28. März vorigen Jahres verfälscht hatte, um in den Genuss kürzerer Dienstzeiten zu kommen. Sie verurteilte ihn zu 90 Tagessätzen á 60 Euro (5400 Euro) Geldstrafe
Auf dem Dokument war ein Zusatz eingefügt worden, der den "Spieß" (Hauptfeldwebel) der Kompanie stutzig werden ließ. Er informierte seinen Dienstvorgesetzten, und der wiederum schaltete die Staatsanwaltschaft Stendal ein, die Anklage erhob.
Wie Richter Rüge sagte, steht laut Wehrstrafgesetz auf "arglistige, auf Täuschung berechnete Machenschaften", um sich dem Wehrdienst zu ziehen, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre. Rüge sprach in einem "offenen Wort" zu Prozessbeginn von einer "plumpen Täuschung", die nicht arglistig sei und "sofort ins Auge steche". Der Tatvorwurf im konkreten Fall könne möglicherweise dienstpflichtwidrig, aber nicht strafrechtlich relevant sein.
Der Angeklagte, von seinem Hauptfeldwebel als "vorbildlicher Soldat" bezeichnet, beteuerte immer wieder, den Krankenschein nicht geändert zu haben. Dazu hätte er überhaupt keinen Grund gehabt.
Den Krankenschein will er nach dem Arztbesuch nicht angeschaut und im "Spieß"-Zimmer abgegeben haben. Er habe sich in der Reha-Phase nach einer Knieverletzung befunden und den Vertrags-arzt plan-mäßig nur wegen einer Therapieverlängerung aufgesucht.
Der Arzt bestätigte als Zeuge den Sprechstundenbesuch des Soldaten. Den fraglichen Eintrag auf dem Krankenschein habe er nicht gemacht, so der Arzt. In seinem Geschäftszimmer sei das auch nicht passiert, hielt der Hauptfeldwebel dagegen. Der Kompaniechef konnte nicht als Zeuge gehört werden, weil er sich in Afghanistan im Einsatz befindet.
Der Staatsanwalt beantragte, das Amtsgerichtsurteil hinsichtlich der Dienstentziehung aufzuheben, die Urkundenfälschung hielt er indes für erwiesen an, weil nur der Angeklagte dafür ein Motiv gehabt habe.
Doch die Berufungskammer folgte mit ihrem Urteil dem Antrag des Verteidigers, der Freispruch gefordert hatte. "Ob er es tatsächlich war, kann mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit nicht festgestellt werden. Gravierende Zweifel sind geblieben - im Zweifel für den Angeklagten", hieß es zur Begründung des Freispruchs.
"So dilettantisch und saublöd kann niemand sein, seine Karriere aufs Spiel zu setzen", so Richter Rüge. Der Angeklagte hätte nur ein "verschwindend geringes Maß an Vorteil" daraus ziehen können.
Mit dem Freispruch dürfte auch das Disziplinarverfahren sein Ende gefunden haben, das die Bundeswehr gegen den 27-Jährigen eingeleitet hatte.