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130 Jahre Chortradition in Kade haben ein (vorläufiges) Ende / Feier mit Gast-Ensembles aus der Region Wehmut und Frohsinn: Ein Abschied mit Gesang

Von Sigrun Tausche 27.02.2013, 02:14

Eigentlich ist es ein schöner Anlass, auf 130 Jahre Chortradition zurückblicken zu können. In Kade jedoch hieß das zugleich Abschied zu nehmen: Es fehlt der Sängernachwuchs. Der Gemischte Chor Kade hatte auf seinem Jubiläumsfest seinen (vorläufig) letzten Auftritt.

Kade l So ganz endgültig wollte Vereinsvorsitzender und Ortsbürgermeister Heinz Beier den Abschied doch noch nicht klingen lassen. "Wir gehen in den Ruhestand" umschrieb er das traurige Wort "Auflösung" mit einem Rest von Hoffnung, dass es vielleicht doch irgendwann weitergehen könnte. Immerhin: Einen Kirchenchor hat Kade noch, dem etliche der Mitglieder des Gemischten Chors auch angehören.

Freilich ist der Kader Chor nicht allein mit seinen Sorgen. Das Durchschnittsalter der Gast-Ensemble ist auch nicht gerade niedrig. Insbesondere der Männerchor "Liedertafel" Wusterwitz bangst sehr um neue Stimmen. Dass die Zahl der Herren recht klein war, begründete Vereinsvorsitzender Harald Stempowski mit einer Portion Humor: "Wie hatten einen harten Wettbewerb: Nur die Besten durften mit hierher nach Kade kommen!"

So klein der Chor, so groß der Applaus, denn es ist lange her gewesen, dass ein Männerchor im Saal der Gaststätte Pflaumbaum gesungen hat, blickten die Anwesenden zurück.

Dass neben den Wusterwitzern noch die beiden Frauenchöre "Stremmelerchen" und Tucheim zu Gast waren, hatte auch historische Gründe: Alle waren früher schon in Sachen Gesang eng miteinander verbunden.

Heinz Beier berichtete aus der Geschichte des Chorgesangs in Kade: Am 22. Februar 1883 wurde der Männerchor "Concordia" Kade gegründet. Begonnen wurde mit acht sangesfreudigen Männern unter der Leitung von Adolf Buchholz, der später von Richard Horst abgelöst wurde. Weitere Chorleiter waren Hermann Beelitz und Hermann Arnold Beelitz (bis 1945), dann Adolf Krause und Herbert Krause.

Die Mitgliederzahl erhöhte sich damals schnell, der Chor erfreute sich großer Beliebtheit. Daneben hat es Anfang vermutlich seit 1907 eine Zeitlang noch einen zweiten Chor, den Gesangsverein "Euterpe", gegeben, von dem aber nicht viel überliefert ist.

Die Initiative für den Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg ergriff Gustav Lietzmann als Vorsitzender. Dirigent wurde Pfarrer Jucknat, der auch den Kirchenchor gründete. 1955 übernahm Fredi Buchholz, der auch den Karower Männerchor dirigierte, diese Aufgabe. Im gleichen Jahr traten beide Chöre gemeinsam beim Sängerfest in Kirchmöser auf.

Im Jahr 1959 wurde aus dem Männerchor "Concordia" durch Aufnahme von Frauen der "Gemischte Chor Kade". Vorsitzender wurde 1967 Fritz Quappe, 1970 Gerhard Abelmann, 1972 Lothar Beck, 2002 Heinz Beier. Dirigent wurde 1970 Franz Lauer, der erst im vorigen Jahr dieses Amt abgab. Er leitete damals auch den Karower Chor, und Anfang der 70er Jahre entschlossen sich die Mitglieder, beide Chöre zum "Gemischten Chor Kade/Karow" zu vereinen.

Das künstlerische Niveau wurde immer besser. Bei einem Chorvergleich in Parchen wurde das Ensemble mit dem Prädikat "Mittelstufe sehr gut" bewertet.

1976 wurde die Chorgemeinschaft "Stremme-Fiener", die Chöre aus Kade, Karow, Tucheim und Brettin vereinte, gegründet. Hauptinitiatoren waren Franz Lauer und Johannes Hämmerling, der den Chor Brettin leitete. Dieser Klangkörper bestimmte das kulturelle Leben im Kreis Genthin wesentlich mit. Es gab viele schöne Auftritte: unter anderem 1978 im Dom Havelberg und mehrmals bei Konzerten in der Klosterkirche Jerichow.

1977 erhielt die Chorgemeinschaft die höchste Auszeichnung im Kreis: den "Kulturpreis des Kreises Genthin". Franz Lauer wurde mit der "Medaille für Verdienste im künstlerischen Volksschaffen" geehrt. Ein Höhepunkt im Vereinsleben war 1983 das Sängerfest anlässlich des 100. Gründungsjubiläums des Chors "Concordia".

Nach der Wende fiel die Chorgemeinschaft auseinander. Der Karower Chor löste sich aus Mangel an Mitgliedern auf. Den Tucheimern gelang es, unter der Leitung von Dr. Sighilde Bodamer einen eigenen Chor aufzubauen. Die Kader sangen zunächst noch mit den gemeinsam mit den Brettinern, bis 2001 auch diese Verbindung riss.

Ein besonderer Höhepunkt wurde das 120. Jubiläum des Chorgesangs in Kade 2003 dann trotzdem: Es fand ein Sängertreffen mit etwa zehn Chören der Region im Park statt, und fünf Jahre später gab es erneut ein sehr schönes Chortreffen in dieser Größenordnung.

Noch viele weitere Auftritte und viele gemeinsame Unternehmungen stehen auf einer langen Liste schöner Erinnerungen, wenn die Chormitglieder nun auseinander gehen. Wohl war ein bisschen Wehmut zu spüren an diesem Nachmittag, als die vielen Gäste - Vertreter von Kades Vereinen und einige mehr - ihre guten Wünsche überbrachten. Eine Trauerveranstaltung wurde es dennoch nicht, im Gegenteil. Mit fröhlichen Liedern erfreuten die Gast-Chöre ihre Gastgeber, die "Stremmelerchen" mit zum Teil selbstverfassten, passenden Texten, und die Tucheimer sorgten als echte "Stimmungsmacher" für die gute Laune, um diesen gemeinsamen Nachmittag fröhlich ausklingen zu lassen.