Ruhestörender Lärm oder einfach Notwendigkeit? Wenn die Feuerwehr nachts mit Sirene und Blaulicht unterwegs ist
Die Feuerwehr verwendet das Blaulicht und das Martinshorn auch nachts und in den frühen Morgenstunden. Auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies, fragt Tim Lach aus Redekin. Er verweist auch auf etliche Beschwerden in seinem Freundes- und Bekanntenkreis über "Lärmbelästigung" durch das Verwenden des Martinshorns der Feuerwehrfahrzeuge auf Einsatzfahrten. Insbesondere in den Nachtstunden fühlten sich einige Bürger gestört. Sie würden sich sogar fragen, warum die Feuerwehr in der Nacht mit Blaulicht und Martinshorn fahren müsse, wo doch dann die Straßen frei sein sollten.
Genthin. Auf die Frage von Tim Lach antwortet Archim Schmechtig, Stadtwehrleiter aus Genthin.
Der Beantwortung, so Schmechtig, sei grundsätzlich vorangestellt: Die Feuerwehrangehörigen der Stadt Genthin verwenden das Martinshorn nicht zum Selbstzweck oder aus Gründen fehlender Verhältnismäßigkeit und Rücksicht, auch nicht willkürlich oder nach Gutdünken.
Zunächst bliebe festzuhalten, dass die Feuerwehren einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen haben. Schmechtig: Dieser besteht im abwehrenden Brandschutz (umfasst alle Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Personen, Tiere, Sachen und die Umwelt, die durch Brände entstehen) die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und Notständen (umfasst alle Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Personen, Tiere, Sachen und die Umwelt, die durch Unglücksfälle/ Notstände) entstehen.
Diese Tätigkeiten werden auch als hoheitliche Aufgaben der Gemeinde, die durch die kommunale Feuerwehr erfüllt werden, bezeichnet. (Siehe Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, Paragrafen 1 und 2)."
Feuerwehren seien, machte der Stadtwehrleiter deutlich, in erster Linie für die Sicherheit der Bevölkerung da, daher seien sie auch keine Vereine, die Kultur und Brauchtum pflegen.
"Um diese hoheitlichen Aufgaben, in deren Mittelpunkt der Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen steht, zügig erfüllen zu können, hat der Gesetzgeber in der Straßenverkehrsordnung (StVO) mit den Paragrafen 35 (Sonderrechte) und 38 (Blaues Blinklicht) den Feuerwehren die Möglichkeit gegeben, unter Beachtung des Paragrafen 1 (Grundregeln), eben diese Sonderrechte im Interesse der schnellstmöglichen Hilfeleistung bei in Not geratenen Bürger in Anspruch zu nehmen. Denn hier ist höchste Eile geboten".
Dazu schriebe der Gesetzgeber ganz klar und eindeutig vor, dass zur Inanspruchnahme des Wegerechtes gemäß Paragraf 38 StVO Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet werden müssen, denn nur in dieser Form gilt die Anordnung der StVO, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer freie Bahn zu schaffen haben.
Schmechtig: "Das heißt, die StVO verpflichtet uns auf der Einsatzfahrt mit Sonderrechten die Blaulichter nur in Verbindung mit dem Martinshorn zu benutzen."
Keine freiwillige Angelegenheit
Der Stadtwehrleiter richtet sich in sehr persönlichen Worten an die Leser des Genthiner-Rundblicks: "Denken Sie vielleicht einmal darüber nach, bestimmt können Sie unsere Situation dann besser verstehen.
Sicher verstehen wir Feuerwehrangehörigen, dass die Bürger auch belästigt werden, wenn sie nachts in Ihrem wohl verdienten Schlaf durch Martinshorn geweckt werden!
Wir können es verstehen, denn wir lagen bis vor kurzem auch noch dort und haben geschlafen.
Leider dürfen wir darauf aber keine Rücksicht nehmen, wenn es darum geht schnell auszurücken, um Menschenleben zu retten, oder andere Schadenslagen zu verhindern. Glauben Sie es uns, das Einschalten von Blaulicht und Martinshorn ist keine freiwillige Angelegenheit.
Ganz im Gegenteil, es wird sogar vom Gesetzgeber vorgeschrieben, wann wir die Sondersignale benutzen müssen. Dieses Gesetz ist nicht erlassen worden, um Bürger zu ärgern.
Ganz im Gegenteil, es soll vor allem uns Einsatzkräfte, aber auch insbesondere die Verkehrsteilnehmer schützen und das auch in der Nacht.
Denn wer rechnet schon mitten in der Nacht wenn augenscheinlich keiner mehr unterwegs ist damit, dass plötzlich tonnenschwere Einsatzfahrzeuge mit erhöhter Geschwindigkeit zu einem Unfall oder Brand unterwegs sind!
Schwere Unfälle in der Vergangenheit mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, aber auch des Rettungsdienstes und der Polizei sind dafür ausreichender Beleg.
Und auch dieser Aspekt sollte bedacht werden: Sie haben die Möglichkeit sich bequem im Bett wieder umzudrehen und weiterzuschlafen.
Die Feuerwehrangehörigen, die bis vor wenigen Minuten auch noch genau so wie Sie in ihren Betten lagen, haben dazu vielleicht in den nächsten Stunden keine Gelegenheit -und müssen am nächsten Morgen genauso zur Arbeit wie Sie. Bis dahin müssen die Einsatzkräfte unter physischer und psychischer Anspannung hochkonzentriert arbeiten.
Und einmal ganz ehrlich, wenn Sie einmal die Hilfe der Feuerwehr benötigen sollten, sind Sie doch bestimmt auch erleichtert, wenn wir schnell bei Ihnen sind. Und dann wäre es Ihnen bestimmt auch ziemlich egal, ob jemand anderes vielleicht durch die anrückenden Einsatzfahrzeuge geweckt wird.