AfD-Kandidat Bischoff war geheimer Stasi-Offizier
Seine Vergangenheit hat den Harzer AfD-Kandidaten Frank-Ronald Bischoff eingeholt: Stasi-Unterlagen belegen, dass er Stasi-Offizier war.
Halberstadt l Nach dem Mauerfall hat Cliff Schinke nach Frank-Ronald Bischoff gesucht. Wollte ihn, wie er sagt, zur Rede stellen. Wollte wissen, warum Bischoff es ihm damals so unendlich schwer gemacht hat. 1986 und in den folgenden drei Jahren, in denen er, damals Mittzwanziger, der DDR ganz legal den Rücken kehren wollte und sich wegen des Ausreiseantrages in der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises Halberstadt jenem Herrn Bischoff gegenüber sah. „Es gab in den Jahren viele Gespräche, drei Mal hat mich Herr Bischoff hin zitiert. Das war nicht angenehm, es war richtig derbe. Mein Ausreiseantrag habe ehrverletzenden Charakter, hat er mir vorgeworfen. Und er drohte mir mit dem Kreisgericht und der Verhaftung“, erinnert sich der heute 53-Jährige.
Am 3. Oktober 1989 – und damit wenige Wochen vor dem Mauerfall am 9. November 1989 – durfte Schinke endlich raus. Nachdem er sich auf ziemlich abenteuerliche Weise in Ost-Berlin Zugang zur ständigen Vertretung der BRD verschafft habe und so geradewegs auf eine Liste mit Ausreisekandidaten gelangte. Wie es das Schicksal wollte, machte Cliff Schinke im Westen eine Ausbildung als Versicherungsmann und landete schon wenig später wieder in der alten Heimat. Um hier eine Generalvertretung für eine Versicherung aufzubauen.
Zurück in Halberstadt, wollte Schinke in den 1990er Jahren seinen Peiniger finden: „Schließlich kannte ich ja seinen Namen, der stand beim Rat des Kreises ganz offiziell an der Bürotür.“ Allein: Die Suche blieb erfolglos. Um so größer die Überraschung, als ihn jener Bischoff nun als Direktkandidat von den Wahlplakaten der AfD anlächelte. „Zugegeben, ich musste mehrmals hinschauen. Aber wenn ich mir die Falten weg denke, erkenne ich ihn eindeutig wieder“, versichert Cliff Schinke.
Eben jenen Frank-Ronald Bischoff, der von 1977 bis zur Wende nicht nur für Ausreisewillige beim Rat des Kreises zuständig war, sondern dies als Geheimoffizier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS/Stasi) im Dienstrang eines Hauptmanns tat.
Nachdem die Volksstimme vor einer Woche enthüllt hatte, dass sich Bischoffs Name auf einer Gehaltsliste mit hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern findet – Jahresgehalt zuletzt 23.250 DDR-Mark – legte wenig später die Bild-Zeitung mit Auszügen aus Bischoffs Stasi-Akte nach. Aus diesen Stasi-Akten, die nun auch der Volksstimme vorliegen, geht klar hervor: Der am 11. April 1948 in Aue bei Zeitz geborene Frank-Ronald Bischoff war nicht irgendein Stasi-Mitarbeiter, sondern ein Offizier im besonderen Einsatz, kurz OibE.
Dabei handelte es sich um Stasi-Offiziere, die im Sold des DDR-Geheimdienstes standen, aber als vermeintlich „normale“ Mitarbeiter an ausgewählten Schnittstellen von Betrieben, Behörden und Ministerien arbeiteten. Der Vorteil für das MfS: Der Geheimdienst hatte so direkten Zugriff auf die Abläufe vor Ort und das „Ohr an der Basis“.
Was die Akten nun belegen und was Cliff Schinke als Opfer berichtet, deckt sich zumindest grundsätzlich mit Bischoffs Darstellung: Er habe nach seiner Zeit bei der DDR-Armee beim Rat des Kreises Halberstadt und später beim Rat des Bezirkes Magdeburg gearbeitet und sei dort tatsächlich auch für Ausreiseverfahren zuständig gewesen. Er habe die Entscheidungen, wer letztlich gehen durfte, aber nicht getroffen, betonte Bischoff vor wenigen Tagen gegenüber der Volksstimme. Und: „Ich habe in meiner Position zwar Kontakte zu Stasi-Leuten gehabt, aber niemals vom MfS Gehalt kassiert.“
Eine doppelte Lüge, wie die nun vorliegenden Akten belegen. Demnach war Bischoff als OibE hauptamtlicher Mitarbeiter und stand auf der Stasi-Gehaltsliste. Was er nun auf erneute Nachfrage der Volksstimme auch einräumt: „Ja, ich war ein OibE.“ Das alles liege aber mittlerweile Jahrzehnte zurück. „Ich habe der DDR gedient, jetzt diene ich der BRD. Und dabei habe ich mich stets an Recht und Gesetz gehalten und bin nie straffällig geworden.“ Zudem hätten Leute wie Cliff Schinke und dessen Vater Dr. Werner Schinke – beide Vornamen hat Bischoff im Gespräch sofort parat – ihn nach der Wende doch anzeigen können.
Cliff Schinke hätte dafür gute Gründe gehabt. „Ich habe 1986 in Leipzig studiert und bin nach meinem Ausreiseantrag sofort exmatrikuliert worden.“ Auch seine Eltern hätten Repressalien erlitten. „Ich war damals Direktor der Fleischwarenwerke in Halberstadt und habe nach Cliffs Ausreiseantrag binnen 24 Stunden meine Position verloren und wurde nach Magdeburg abgeschoben“, berichtet der heute 81 Jahre alte Vater. „1993 bin ich rehabilitiert worden.“ Seine Frau Sigrid habe ihre Position im Vorzimmer des Chefs der damaligen Friseur-PGH „Figaro“ verloren.
Familie Schinke hat die Enthüllungen rund um Bischoffs Vergangenheit daher mit Genugtuung registriert. Das deckt sich mit dem Empfinden in Athenstedt, dem früheren Wohnort des heute in Stiege lebenden Bischoff. „Im Grund wusste damals doch jeder, wo und wofür Bischoff gearbeitet hat“, so eine Einwohnerin.