Kandidat zur Landtagswahl Auch beruflich ein Grüner
Im Wahlkreis 15 (Blankenburg) kämpfen sieben Direktkandidaten um das Mandat für den Landtag. Die Volksstimme stellt sie vor – heute: Jens Kiebjieß (Bündnis90/Grüne).
Osterwieck - Jens Kiebjieß ist bereits zum zweiten Mal Direktkandidat zur Landtagswahl. Vor fünf Jahren kam er zwar nur als Vierter der vier Bewerber im Wahlkreis ins Ziel, gewann seinem Ergebnis aber dennoch Positives ab, erzielte er doch nahezu doppelt so viele Stimmen wie seine Partei im Wahlkreis. „Das habe ich als persönliche Bestätigung empfunden“, blickt er zurück.
Der Harz ist erst seit 14 Jahren die Heimat von Jens Kiebjieß. In Sachsen-Anhalt aber lebt der gebürtige Lübecker schon doppelt so lange. Durch das Studium kam er 1993 nach Bernburg, wo er danach noch einige Jahre wohnte und heute immer noch arbeitet.
Nicht nur politisch ist der 52-Jährige ein Grüner, ebenso beruflich. Als Landschafts- und Stadtplaner ist er tätig, damit in der Architektenkammer eingetragen. Das Studium fest im Blick, hatte Kiebjieß nach Abitur und Zivildienst zunächst noch den Beruf des Baumschulgärtners gelernt. „Davon profitiere ich heute bei Landschaftsplanungen.“
Jens Kiebjieß war schon fast 30 Jahre alt, als er in den Beruf des Planers eintrat. Zumal er sein Studium noch um ein Jahr ausgedehnt hatte, um Einblicke auch in einige tangierende Fächer wie Forstplan, Flurneuordnung oder Waldbau zu erhalten, um „über den Tellerrand zu schauen“.
Dass Bäume eine Leidenschaft von Jens Kiebjieß sind, haben die Osterwiecker Stadtratsmitglieder schon mehrfach gespürt. Kürzlich erst stritt er für den nicht nur pauschal formulierten, sondern kontrollierbaren Erhalt von Schauener Parkbäumen in einem Bebauungsplangebiet. Kiebjieß fand mit seinem Anliegen keine Mehrheit. „Es gehört zur Demokratie, dass jeder seine Auffassung hat. Da muss man auch mit Niederlagen leben können“, formuliert er seinen Standpunkt. In einem anderen Fall, wo es um den Erhalt von Bäumen ging, hatte er mit einem Vorschlag auch schon Zustimmung unter den Ratskollegen gefunden.
Als Fachplaner viel in Kommunalparlamenten unterwegs
Wenn Kiebjieß sich im Stadtrat, wo er auch als Fraktionsvorsitzender fungiert, zu seinen „Lieblingsthemen“ zu Wort meldet, erzeugt das bei den Kollegen nicht nur Begeisterung. „Man hat immer das Gefühl, ein Teil der Ratsmitglieder möchte es gar nicht, dass so ausgiebig diskutiert wird“, schätzt der Bündnisgrüne ein. Doch der Osterwiecker kommt aufgrund seines Berufs viel in Städten und Gemeinden Sachsen-Anhalts herum, muss dort in Räten und Ausschüssen seine Fachplanungen verteidigen. „Dass ein Planer wie in Osterwieck selten an einer Sitzung teilnimmt, ist in anderen Orten eher die Ausnahme als die Regel“, erklärt er.
Dass Jens Kiebjieß auch in Osterwieck seinen Pfad nicht verlässt und selbst bei massivem Gegenwind für seine Überzeugung streitet, „habe ich nicht gelernt. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon 20 Jahre Kommunalpolitik mache. Vielleicht auch daran, dass ich viel in andere Stadträte komme und Unterschiede wahrnehme.“
2007 kam Jens Kiebjieß nach Osterwieck, durch seine spätere Frau, die Geigenbauerin Renate Fink, die sich ebenfalls für die Bündnisgrünen in der Kommunalpolitik engagiert und seit fast zwölf Jahren im Ortschaftsrat vertreten ist. Seit 2014 sitzt Kiebjieß im Osterwiecker Stadtrat, hatte sich aber bereits früher in Bernburg im dortigen Stadtrat als sachkundiger Einwohner engagiert.
In die Partei Bündnis 90/Die Grünen war Kiebjieß 1998 noch als Student eingetreten, zusammen mit zwei Kommilitonen. Als er 2007 nach Osterwieck zog, wurde gerade der Harzkreis mit seinen neuen Strukturen gebildet. Auch auf Parteiebene. „Ich bin im neuen Kreisverband Harz Beisitzer geworden und bin das bis heute. Unter den heutigen Vorstandsmitgliedern bin ich der Einzige, der schon 2007 im Vorstand war.“
Mit am Tisch bei Koalitionsverhandlungen
Bei den Koalitionsverhandlungen nach den Landtagswahlen 2016 saß Jens Kiebjieß mit am Tisch der Verhandlungsgruppe für das Ressort des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr. „Das war eine interessante Erfahrung.“
In diesem Ministerium wird übrigens auch der Denkmalschutz verwaltet. Ein Thema, das Kiebjieß dank seiner Geburtsstadt Lübeck quasi in die Wiege gelegt worden ist und für das er sich auch in seiner neuen Heimat Osterwieck engagiert. „An der Lübecker Altstadt ist es so toll, dass man noch das Mittelalter erleben kann.“ Die Häuser dort sind also sogar noch älter als in Osterwieck, das wiederum auf eine in der Breite ältere Bausubstanz als Quedlinburg oder Wernigerode verweisen kann.
Vor seinem Umzug nach Osterwieck wusste Jens Kiebjieß zwar schon um die Bedeutung der Fachwerkstadt, kannte sie aber noch nicht. Um so überraschter war er von der historischen Bausubstanz – und wohnt mit seiner Frau heute selbst in einem 450 Jahre alten Fachwerkhaus.
Die Politik kann man durchaus als ein Hobby von Jens Kiebjieß bezeichnen. So arbeitet er mit seiner nunmehr reichlichen Erfahrung auch im Vorstand der Grünen Kommunalpolitischen Landesvereinigung mit. „Es geht darum, unsere Mandatsträger zu vernetzen und weiterzubilden.“ Dabei sei er natürlich auch mit seinen Spezialthemen vertreten.
Dank seiner Kontakte nach Magdeburg konnte Kiebjieß schon Olaf Meister für einen Besuch in Osterwieck gewinnen. Der Bündnisgrüne ist Vorsitzender des Finanzausschusses im Landtag. Im Ergebnis erhielt Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko) die Chance, im Finanzausschuss über die Haushaltsprobleme einer Kommune wie Osterwieck zu sprechen.
Jens Kiebjieß hat aber auch ein Hobby außerhalb der Politik. Zusammen mit seiner Frau ist er im Folktanzverein Halberstadt aktiv und dort auch im Vorstand vertreten. Im Slow-Food-Team Harz gehört er zum Leitungsteam. „Es geht darum, unsere regionalen Erzeuger zu unterstützen.“ Mit Begeisterung spricht Kiebjieß über den Brockenbauern und sein Harzer Höhenvieh, das nicht nur gesundes Fleisch liefere, sondern auch wertvoll für die Landschaftspflege sei. „Das ist das Optimum dessen, was man auch den Tieren bieten kann.“
Bewusstsein für Radverkehr größer geworden
Eine gewisse Spannung liegt auch für Jens Kiebjieß vor der Landtagswahl. Die politische Großwetterlage spricht momentan für die Bündnisgrünen. Und noch aus einem anderen Grund ist die Ausgangslage 2021 anders als 2016. Weil die Partei jetzt Teil der Landesregierung ist. „Man sieht jetzt, was erreicht wurde und was folgen könnte“.
Kiebjieß erkennt, dass sich grüne Politik auch im Wahlkreis niedergeschlagen hat. Dieses Jahr soll ein Radweg zwischen Zilly und Berßel entstehen, ein Radweg zwischen Schauen und Stapelburg wird angestrebt. „Das Bewusstsein für den Radverkehr ist größer geworden.“ Die Mittel für den Radwegebau seien auf Druck der Grünen in den Koalitionsverhandlungen vervierfacht worden. Das Land habe im Ministerium eine Radverkehrsbeauftragte bekommen. Eine Arbeitsgemeinschaft „Fahrradfreundliche Kommunen“ ist gegründet worden mit Osterwieck als Gründungsmitglied. Auch Blankenburg sei vertreten, freut sich Kiebjieß. „Ich sehe es als Genugtuung, dass wir dabei sind.“ Erhalten die Kommunen hier doch Hilfestellung für den Radverkehr und mögliche Förderungen.
Schwerpunktthema für den Bündnisgrünen ist außerdem die Mobilität. „Mir ist es wichtig, dass der Nahverkehr im ländlichen Raum besser wird.“ Die vom Land betriebene Buslinie Halberstadt-Vienenburg bezeichnet er dabei als Erfolgsmodell. Gleichwohl sieht er die Probleme an den Umsteigepunkten, wenn etwa der Bus oder Zug zu spät ankommt und der Anschluss verpasst wird. Hier fehlten moderne Lösungen zur Vernetzung, damit bei Verspätung der Fahrer im Anschlussbus weiß, dass gleich noch Fahrgäste zusteigen wollen. Die Technik dafür gebe es, aber dafür müsse man Geld in die Hand nehmen.
Umweltministerin zu Unrecht in der Schusslinie
Nachdem das Grüne Band per Gesetz zu einem Nationalen Naturmonument erhoben wurde, müsse dieser Landstrich nun entwickelt werden. Jens Kiebjieß macht darauf aufmerksam, dass sich die größten Naturschutz-Lücken des Grünen Bandes zwischen Ostsee und Vogtland hier im Nordharz befänden – nämlich zwischen Lüttgenrode und Vienenburg sowie Rhoden und Osterode. Auch in der Erinnerungskultur sollte das Grüne Band weiterentwickelt werden. So fehlten etwa Gedenksteine an die Grenztoten. Rührig auf diesem Gebiet arbeite bereits der Heimatverein Abbenrode.
Zu Unrecht in der Schusslinie sieht Kiebjieß seine Partei mit ihrer Umweltministerin Claudia Dalbert an der Spitze bezüglich des Fichtensterbens im Harz. Nach drei trockenen Sommern seien die Bäume so geschwächt, dass sie den Borkenkäfer nicht abwehren können. „Das ist eine Folge des Klimawandels.“
Der Nationalpark Harz sei verpflichtet, auf 75 Prozent seiner Fläche „die Natur Natur sein zu lassen“, den Borkenkäfer also nicht chemisch zu bekämpfen. „Das ergibt jetzt ein verheerendes Waldbild“, räumt der Osterwiecker ein. „Aber das begrünt sich wieder.“
Die gleiche Situation gebe es übrigens im Nationalpark des Bayerischen Waldes, betont Kiebjieß. „Nur dass dort keine grüne Ministerin ist, der man die Schuld in die Schuhe schieben kann.“