Theater Halberstadt Blutiges Ende einer jungen Liebe
Was ist Wirklichkeit, was nicht? Diese Fragen bleiben beim Theaterstück "Clyde und Bonnie" ungeklärt.
Halberstadt l Die Aufführung des Zwei-Personen-Jugendstücks von Holger Schober „Clyde und Bonnie“ stand am Schluss des diesjährigen Tages der offenen Tür des Nordharzer Städtebundtheaters.
Nach 70 Minuten Spielzeit applaudierte ein vorwiegend erwachsenes Publikum – erstaunlicherweise waren wenige Jugendliche zur Aufführung in die Kammerbühne gekommen – den Schauspielern mit Händen und Füßen.
Doch blieb das Publikum in sich gespalten: Einerseits hoch emotionalisiert durch das Ende einer großen Liebe, andererseits intellektuell zunächst sprachlos hinsichtlich der im Stück thematisierten Perspektivlosigkeit von Jugendlichen und insbesondere der hier gewählten Lösung, um Armut und Bedeutungslosigkeit zu überwinden.
Auf die Frage „Was ist wirklich passiert und was nicht?“ wird im Stück keine eindeutige Antwort gegeben. Das Stück überlässt es dem Zuschauer, die Antwort für sich zu finden. Clyde und Bonnie wiederholen mehrfach die Schlüsselszene, den zehnten Überfall, den „Jubiläumsüberfall“, auf eine Bank, bei dem Bonnie im Kugelhagel der Polizei stirbt, jedoch in stets in verschiedenen Varianten.
Zunächst dominiert noch die Liebe das Geschehen auf der Bühne. Doch was passiert, wenn „Bonnie elf Tage am Stück nicht gelächelt hat von wegen dem ganzen Miet-Scheiß, und dem ganzen Lebensmitteleinkauf-Scheiß und dem ganzen verdammten am-Leben-bleib-Scheiß. Das hat mich fertig gemacht“, sagt Clyde. Und findet eine Lösung analog der des bekannten Gangsterpärchens aus den 1930er Jahren: ein Banküberfall, maskiert, aktuell mit Plastikpistolen und ohne Fluchtauto.
Und das funktioniert. Zunächst. Nur immer dann, wenn Bonnie, die Waffe in der Hand, Clyde fragt: „Und, wie sieht’s aus?“ Und wenn Clyde antwortet: „Nicht gut.“ „Was genau meinst Du, wenn Du sagst, ‚nicht gut’?“, fragt Bonnie zurück.
Dann bedeutet „nicht gut“ im Fall der beiden Außenseiter, dass die Gesellschaft zurückschlägt.
Für Jonte Volkmann und Swantje Fischer sind die Rollen von Clyde und Bonnie die jeweils ersten Hauptrollen am Nordharzer Städtebundtheater. Die jüngsten Mitglieder des Schauspielensembles spielen mit beeindruckender Präsenz und Leidenschaft das Liebespaar. Man nimmt es ihnen ab, dass der jeweils andere der immer gesuchte „missing link“ ist.
Schnelle und spannungsgeladene Handlungsabläufe bestimmen die Inszenierung, deren Dramaturgie in den Händen von Daniel Theuring liegt. Erfrischend unterbrochen werden die romantischen Liebesszenen durch Situationskomik und freche Sprüche, natürlich in cooler Jugendsprache.
In Videoszenen spulen Clyde und Bonnie nochmals ihr gemeinsames Leben vom ersten Kennenlernen an ab, erzählen von ihren von Gewalt und Verlust geprägten Kindheiten und der perspektivlosen Gegenwart ohne Job und Geld.
Wie Autor Holger Schober lässt es auch Regisseur Janek Liebetruth weitgehend offen, was daran Spiel ist und was wahr.
All diese Faktoren zusammen genommen machen das Anziehende des Kammerstücks aus.
Das minimalistische Bühnenbild (Hannes Hartmann) aus 20 Europaletten und Sperrholzplatten aus Seekiefer, ergänzt durch die sparsam eingesetzten Requisiten, unterstreichen die Aussagen des Srücks.
Bemerkenswert auch die Musikauswahl, besonders das Lied von der Band Mosermeyerdöring „Watching the Daybreak“ am Ende des Stücks.