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Neues Gesetz Corona-Vollbremsung im Harz ab Samstag

Chaos und viele Fragen: Der erste Geltungstag des novellierten Bundes-Infektionsschutzgesetzes hat im Harzkreis vor allem für Irritationen gesorgt. Klar ist: Die Bremse greift ab heute, ab Montag wechseln Schulen in den Distanzunterricht und Kitas in die Notbetreuung. Aber was ist mit Geschäften wie beispielsweise Baumärkten?

Von Dennis Lotzmann und Sabine Scholz Aktualisiert: 24.4.2021, 08:49
Auch auf dem Brocken ist aktuell alles dicht: Die Brockenbahn steht, die Gastronomie am Bahnhof (Foto) ist ebenso wie das Hotel geschlossen. Ab heute gehen auch im Nationalparkmuseum in der Brockenmoschee die Jalousien wieder runter.
Auch auf dem Brocken ist aktuell alles dicht: Die Brockenbahn steht, die Gastronomie am Bahnhof (Foto) ist ebenso wie das Hotel geschlossen. Ab heute gehen auch im Nationalparkmuseum in der Brockenmoschee die Jalousien wieder runter. Foto: dpa

Harzkreis

Die Menschen im Harzkreis müssen sich ab Samstag, 24. April, umstellen: Weil die Corona-Inzidenz aktuell bei 188 liegt, greift die bundesweit einheitlich geregelte Corona-Bremse nun mit voller Macht. Landrat Thomas Balcerowski (CDU) hat am Freitag, 23. April, eine Allgemeinverfügung erlassen, in der die wichtigsten Eckdaten klar geregelt sind. Demnach rutscht der Landkreis in einen Ruhezustand, der im weitesten Sinne mit den in den Wintermonaten geltenden Einschränkungen vergleichbar ist.

Am gestrigen Freitag waren die Experten der Kreisverwaltung bis in die Nachmittagsstunden damit beschäftigt, die Vorgaben des Bundesgesetzes mit Blick auf die aktuellen Inzidenzwerte vor Ort auf den Harzkreis zuzuschneiden. Das Problem: „Da wir aktuell über drei magischen Grenzwerten liegen, trifft die Bundesbremse uns mit aller Wucht“, so der CDU-Politiker. Unterm Strich bedeutet das Einschränkungen bei privaten Treffen, beim nächtlichen Ausgang sowie beim Einkaufen in Läden, die nicht zur lebensnotwendigen Grundversorgung gehören. Ferner schließen ab Montag faktisch alle Schulen und Kindereinrichtungen kreisweit wieder ihre Türen und wechseln in den Notbetrieb. Und die Bremse bedeutet auch das sofortige Aus des Modellversuchs im gastronomischen Außenbereich. Details zu den Regelungen finden sich am Schluss dieses Beitrags.

Landrat muss Bundesgesetz zwingend umsetzen

Balcerowski gab sich am Freitag keine Mühe, seine Skepsis am Bundesgesetz zu kaschieren: „Aus meiner Sicht wird hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen – ich bin als Landrat aber in der Pflicht, das Gesetz umzusetzen“, machte der 49-Jährige klar. Und das Bundesgesetz sei in dieser Frage eindeutig: Es gelte seit Freitag, 0 Uhr, der Betrachtungszeitraum für die relevante Inzidenz gelte drei Tage rückwirkend. „Und von Dienstag bis Donnerstag lagen wir stets über allen kritischen Marken, so dass ich am übernächsten Tag – also Samstag – zwingend reagieren muss.“ Er habe dabei keinen Ermessensspielraum, sondern müsse als Exekutive handeln.

Wie kurzfristig die Bremse im Harzkreis greift, war dem Behördenchef in einer Telefonschalte mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Donnerstagabend klar geworden. Nachdem Balcerowski zunächst gehofft hatte, dass die Bremse erst ab Montag greift und beispielsweise die Außengastronomie am Wochenende noch mal genutzt werden kann, musste er das nach der Schalte korrigieren: „Schon ab Samstag ist Schluss – leider.“

Baumarkt-Chef tappt im Dunkeln

Wie stark die Unklarheiten im Einzelfall sind, wurde am Freitag im Gespräch mit Christian Dörge, Filialchef des Wernigeröder Hagebaumarktes deutlich: „Ich stehe komplett im Dunkeln und weiß nicht, ob und was wir noch machen dürfen“, so der Chef von 30 Mitarbeitern gegen 11.20 Uhr: Am Samstag öffnen oder schließen, folglich 20 Mitarbeiter zur Schicht bestellen oder daheim lassen? „Zähle ich als Baumarkt oder falle ich in die Kategorie der Gartenmärkte?“ Letztere dürfen ebenso wie Lebensmittelmärkte öffnen.

Die Antwort: Er habe verfügt, dass Baumärkte, die ihre Gartenbereiche komplett vom Rest abtrennen, als Gartenmärkte gelten und folglich uneingeschränkt öffnen dürfen, so der Landrat. Für das restliche Baumarktsortiment gelte: Da der Inzidenzwert aktuell über 150 liege, dürften Kunden nur zuvor bestellte Waren in einem definierten Zeitfenster abholen. Sinke der Inzidenzwert unter 150, sei Einkaufen nach Anmeldung bei Vorlage eines negativen und maximal 24 Stunden alten Covid-Schnelltests möglich.

Was den Zulauf an den zertifizierten Covid-Testzentren steigen lassen könnte. Man könne nur abwarten, hieß es vom Betreiberteam von Studio D4 auf Anfrage. Mit den aktuellen Öffnungszeiten habe man gute Erfahrungen gemacht. In Halberstadt ist das Testen mit Bescheinigung oder Ergebnis-Einspielung in die PassGo-App montags bis samstags zwischen 9 und 17 Uhr möglich, in Wernigerode montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr.

Öffnungszeiten in Testzentren werden notfalls angepasst

Ob nun mehr Leute kommen, weil Friseure und Tiergärten nur mit bescheinigtem negativem Schnelltest besucht werden dürfen, bleibe abzuwarten. Mehr Testkits seien erstmal nicht bestellt. Da das Modellprojekt geöffneter Außengastronomie am Samstag beendet ist, dürfte der Vorrat gut bemessen sein, heißt es von D4.

Sollte es eine unerwartet hohe Nachfrage geben, werde man in den einzelnen Zentren mehr Teststrecken schaffen, andere Öffnungszeiten seien – Stand Freitagnachmittag – erstmal nicht vorgesehen. Schließlich gelten die Testbescheinigungen 24 Stunden. Wer also Dienstagmittag einen Friseurtermin hat, kann sich am Montagnachmittag testen lassen.

Handwerkskammer kritisiert Regelungswirrwarr

Dass man die Abläufe wieder komplizierter macht, verstärke den Frust bei allen Betroffenen, sagt Wulfhard Böker. Der Geschäftsführer der Handwerkskammer Harz-Bode ist vor allem über das Regelungswirrwarr entsetzt. „Es ist ein riesiger Aufwand, auch für die Kunden. Wer symptomfrei und zweimal geimpft ist – und das auch belegen kann – gilt als negativ getestet. Alle anderen müssen eine entsprechende Testbescheinigung vorlegen. Das wird Apotheken und Testzentren belasten“, ist sich Böker sicher. Dass viele Branchen trotz eingespielter Hygienevorkehrungen nun wieder abgekoppelt werden, sei kaum noch nachvollziehbar.

Während beim Friseur ein Negativtest vorgelegt werden muss, kann man Bus und Bahn auch ohne solchen Test nutzen, hier reicht eine medizinische Mund-Nasen-Maske. Die Harzer Verkehrsbetriebe und die Halberstädter Verkehrsgesellschaft ändern ihre Fahrpläne vorläufig nicht.

Museen zu, Tiergarten und Bürgerpark geöffnet

Während der Domschatz in Halberstadt wie alle Museen schließen muss, können der Tiergarten in Halberstadt sowie der Bürger- und Miniaturenpark Wernigerode weiter Gäste empfangen. Die neue Bundesgesetzgebung sieht eine Öffnungsklausel für botanische Gartenanlagen vor, zu denen das beliebte Areal im Norden Wernigerodes gehört.

Die Öffnung des Parks bedingt, dass angemessene Hygiene- und Sicherheitskonzepte vorliegen. Zusätzlich müssen Besucher ab heute ein aktuelles negatives Covid-Testergebnis vorlegen, das von einem anerkannten Testzentrum oder einer Apotheke durchgeführt wurde. Kinder unter sechs Jahren sind davon ausgenommen. „Wir wollen es unseren Gästen so einfach wie möglich machen. Neben den bestehenden Testkapazitäten am Großparkplatz Anger, an der Schwimmhalle, in der Remise und in diversen Apotheken werden wir in Kooperation mit der DLRG eine Teststation auf unserem Parkplatz einrichten“, kündigt Parkchef Andreas Meling an.

Im Wildpark Christianental in Wernigerode ändert sich nach Angaben von Stadtbetriebsamtsleiter Tobias Kascha erstmal nichts. Die Anlage könne nicht geschlossen werden, weil auch Straßen und Wege hindurch führen. „Wir belassen es erstmal bei Aushängen mit appellierendem Charakter.“

Verfassungsbeschwerde angekündigt

Letztlich, so Landrat Balcerowski, sei das Bundesgesetz, für dessen Umsetzung die von ihm geleitete Behörde zuständig sei, im Alltag „schwer umsetzbar“. Da unter anderem die FDP bereits angekündigt habe, das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Prüfstand zu stellen, könne dem Staat eine Blamage drohen.

Letztlich, so der Behördenchef, sei das aber Stochern im Nebel. Für den Harzkreis gelte: „Wir haben ein Gesetz, das wir umsetzen müssen. Unsere Aufgabe sollte es sein, so schnell wie möglich unter eine Inzidenz von 100 zu kommen, um dem eisernen Griff der Notbremse zu entkommen.“

Die Regelungen für den Harzkreis im Einzelnen:

Folgende Regeln hat die Kreisverwaltung mit Allgemeinverfügung ab Samstag, 24. April, für den Harzkreis unter anderem festgelegt:

Kontaktbeschränkungen für private Treffen drinnen und draußen: Treffen eines Hausstandes mit einer weiteren Person sind weiter möglich - Treffen mit mehr Menschen nicht.

Ab Montag, 26. April: Kein Präsenzunterricht an öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft; Ausnahmen bildet der Präsenzunterricht für die Abschlussklassen an Grundschulen (4. Klasse), Sekundar-/Gemeinschaftsschulen (9. und 10. Klasse), Gymnasien (Klassen 11/12), Förderschulen sowie berufsbildenden Schulen (Präsenzunterricht). An Förderschulen findet Wechselunterricht statt. Für die Teilnahme am Präsenzunterricht ist ab 26. April für alle Schüler der Abschlussklassen sowie alle weiteren Personen in der Schule eine dreimalige Testung pro Woche mittels anerkanntem Test mit negativem Testergebnis verpflichtend.

Notbetreuung für Kinder und Schüler aus Kitas, Tagespflegestellen, Horten: Details und Informationen zur Nutzungsberechtigung sind in der Allgemeinverfügung unter www.kreis-hz.de zu finden.

Geschäfte: Geöffnet bleiben der Lebensmittelhandel einschließlich Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Tankstellen, Zeitungsverkauf, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Gartenmärkte und Großhandel. In allen Fällen sind Hygienekonzepte und Maskenpflicht Voraussetzung. Bei einer Inzidenz unter 150 wird es zudem bei allen weiteren Geschäften möglich sein, mit Termin und einem aktuellen negativen Covid-Testergebnis einzukaufen. Im Dienstleistungsbereich bleibt alles, was nicht ausdrücklich untersagt wird, offen, also beispielsweise Fahrrad- und Autowerkstätten, Banken und Sparkassen, Poststellen und ähnliches.

Körpernahe Dienstleistungen: Sie sollen nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken in Anspruch genommen werden. Ausnahme: Friseurbesuch und Fußpflege, allerdings nur, wenn die Kunden einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen können – und natürlich nur mit Maske. Andere körpernahe Dienstleistungen sollen nicht mehr möglich sein.

Gastronomie und Hotellerie, Freizeit- und Kultureinrichtungen müssen bei einer Inzidenz über 100 schließen. Ausnahmen: Außenbereiche von Zoos und ähnlichem – sie können aktuellem Negativtest besucht werden.

Ausgangsbeschränkungen: Zwischen 22 und 5 Uhr soll nur derjenige das Haus verlassen, der einen guten Grund hat – also etwa zur Arbeit geht, medizinische Hilfe braucht oder den Hund ausführen muss. Bis 24 Uhr wird es möglich sein, alleine zu joggen oder spazieren zu gehen.

Das Modellprojekt zur Öffnung der Außengastronomie endet am 24. April um 0?Uhr. Quelle: KV HZ