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925 Jahre Anderbeck / 60 Jahre Kinderheim wird morgen gefeiert Ein feierlicher Spatenstich und viele spannende Erinnerungen

Von Dieter Kunze und Dennis Lotzmann 02.09.2011, 04:32

Gemeinde Huy/Anderbeck. Anlässlich der 925-Jahr-Feier von Anderbeck, die morgen um 10 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt eröffnet wird, gibt es morgen auch ein Schultreffen sowie ein Fest aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des DRK-Landkinderheims. Ab 11.30 Uhr öffnet das DRK-Landkinderheim im Rahmen eines Tages der offenen Tür seine Pforten.

Pünktlich zum runden Jubiläum hat das Team um Heimleiterin Rosemarie Behrmann morgen ganz besonderen Grund zum Feiern: Um 15 Uhr soll der offizielle Startschuss für den Bau einer Heimerweiterung gegeben werden. Zu diesem feierlichen ersten Spatenstich sind zahlreiche Gäste eingeladen - neben dem Vorsitzenden des DRK-Kreisverbandes Quedlinburg/Halberstadt, Henning Rühe, auch dessen Geschäftsführer Michael Funke, Landrat Michael Ermrich sowie Vertreter der Kreisverwaltung und Mitarbeiter, die heute oder früher im Heim gearbeitet haben.

Kinderheim-Kinder im kreativen Einheits-Look

Folglich dürfte am Rande des feierlichen Spatenstichs reichlich in der Mappe mit der Aufschrift "Erinnerungen" geblättert werden. Schließlich ist verdammt viel passiert in den vergangenen sechs Jahrzehnten.

Zu den Mitarbeiterinnen, die besonders lange im Heim gearbeitet haben, gehört auch Irmgard Bremert. Die heute 74-Jährige erinnert sich gern an ihre 35 Berufsjahre als Heimerzieherin. "Ich möchte keine Minute davon missen", betont die rüstige Seniorin, die heute in Halberstadt lebt. Zunächst arbeitete die frühere Eilsdorferin in Dingelstedt als Sprechstundenhilfe. Im Sommer 1956 begleitete sie eine Gruppe aus dem Heim bei einem Ferienaufenthalt und bewarb sich anschließend aufgrund der tollen Erfahrungen sofort bei der Heimleitung.

Im September des gleichen Jahres begann sie ihre Arbeit als Erziehungshelferin im Heim und qualifizierte sich später in einem dreijährigen Fernstudium zur Heimerzieherin. "Das war für mich keine einfache Zeit", meint sie rückblickend. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien viele Waisenkinder in die Heime gekommen. Anderbeck gehörte mit 40 Plätzen zu den kleineren und offensichtlich gut geführten Einrichtungen.

"Satt wurde bei uns jeder und Kleidung gab es auch immer genügend", erinnert sich Bremert. Die Schneiderin Lucie Eickenroth habe aus beschafften Stoffen neue Hemden genäht. "Am einheitlichen Stoff der Kleider erkannte man anfangs unsere Heimkinder in der Schule", schmunzelt sie beim Plausch über die Vergangenheit.

Später seien Verbindungen zu den Kleiderwerken in Osterwieck und Dedeleben aufgenommen und so die Versorgung gesichert worden. Von den örtlichen Verkaufsstellen wurde das Heim gut mit Lebensmitteln versorgt - sogar Südfrüchte habe es gegeben.

Enge Verbindungen gab es auch zu einem Vorschulheim in Wernigerode. Von dort kamen viele Kinder im sechsten Lebensjahr nach Anderbeck. Und auch auf das Team der Anderbecker Grundschule lässt die Erzieherin nichts kommen. Natürlich musste es wie in einer Großfamilie ein strenges Zeitregiment geben. So wurden nachmittags vor der Freizeit zunächst gemeinsam Hausaufgaben erledigt. "Es war streng, aber wir haben auch viel Spaß gemacht."

Mit Feldarbeit zur ersten Flimmerkiste fürs Dorf

Das Heim lockte auch Anderbecker: So erinnert sich mancher gern an den ersten Fernseher, der im Kinderheim aufgestellt wurde und eine riesige Magnetwirkung auslöste. So konnte manches Kind aus dem Dorf erstmals "Täve" Schur bei der "Friedensfahrt" erleben oder das Kinderfernsehen verfolgen. Das teure Gerät hatten die Heimkinder mit Rübenverziehen oder Hilfe auf dem Kartoffelacker selbst verdient.

Der Dienstplan stand mit einem sechswöchigen Wechsel fest. Weihnachten und Silvester waren für die unverheiratete Irmgard Bremert und die langjährige Heimleiterin Anneliese Schütz viele Jahre fest bei den Heimkindern gebucht. Mit der politischen Wende gab es auch im Bereich Erziehung einen Umbruch. Da nutzte Bremert die Möglichkeit zum Vorruhestand und betreute ihre pflegebedürftige Mutter.

Zum 70. Geburtstag gab es noch einmal ein großes Treffen, bei dem fünf ehemalige Heimkinder zu Gast waren. Mit Begeisterung erinnerte man sich an den ersten Schüler aus dem Heim, der die zehnte Klasse erfolgreich absolvierte, und an die erste Jugendweihe. Irmgard Bremert ist gespannt, wer sich zum morgigen Jubiläumstreffen in Anderbeck einfindet.