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Theater Ein Trump-Double im Shakespeare-Stück

Broadway im Harz - geht das? Durchaus, wie die jüngste Inszenierung des Nordharzer Städtebundtheaters in Halberstadt zeigt.

Von Sabine Scholz 09.05.2018, 08:00

Halberstadt l Der Funke springt über, schon im Eröffnungsbild der aktuellen Musical-Inszenierung ist bei allen Akteuren große Lust am Spiel spürbar. Ein bestens aufgelegter schauspielender Chor (Einstudierung Jan Rozenahl), ein Ballett, das Szenenapplaus bekommt und im Laufe des Stückes die großen Vorbilder des Broadways, der berühmtesten Theatermeile der Welt, gekonnt in den Harz bringt. Mario Mariano hat nicht nur eine ausdrucksstarke und lebensfrohe Choreografie entwickelt, er ist Co-Regisseur und überzeugt auch in den Sequenzen als Verehrer der schönen Bianca.

Die ist die fügsamere Schwester Katherine Minolas, die so partout keine Lust darauf hat, sich den Männern unterzuordnen und kratzbürstig gegen deren Vorherrschaft rebelliert. Dass sie am Ende willfährig und gezähmt ist, scheint angesichts ihres Selbstbewusstseins ein wenig befremdlich. Doch in William Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ gewinnt halt der Mann diesen Kampf, und in der Musical-Vorlage, die dieses Shakespeare-Komödie gekonnt parodiert, wird dieser Schluss nicht in Frage gestellt.

1948, als „Kiss me, Kate!“ Premiere in New York feierte, war das sicher auch noch kein Problem für die Regisseure. Heutzutage ist solch ein devotes Frauenbild sicherlich nicht einfach zu vermitteln. Doch Klaus Seiffert setzt in seiner Inszenierung, Dramaturgie von Susanne Germer, subtil eine ins Heute weisende Deutung. Zum einen heiratet in der Schlussszene Bianca in Hosen und nicht im Rüschen-Brautkleid, zum anderen nimmt die Hauptheldin Katherine ihrem Mann Petruchio die Peitsche ab.

Die Besetzung der Rollen in dieser Inszenierung ist neben einem genialen, für die kleinen Bühnen des Nordharzer Städtebundtheaters geschaffenen Bühnenbild (Tom Grasshof) ein Erfolgsgarant. So eroberte sich die aus Berlin engagierte Antje Rietz nach etwas zurückhaltenderem Start rasch die Zuneigung der Zuschauer. Rietz agiert spielerisch und sängerisch mit großer Präsenz, lässt Leidenschaft fürs Spiel spürbar werden und gibt ihren beiden Rollen neben der notwendigen Stärke auch die weichen, verletzlichen Zügen, die letztlich deren Verhalten nachvollziehbar machen. Rietz ist als Katherine ebenso wie als Lilli Vanessi eine Frau mit eigenem Kopf. Das bekommt auch Lillis neuer Verlobter Harrison Howell zu spüren, der nicht nur optisch Donald Trump ähnelt.

An Antje Rietz‘ Seite agiert ein glänzend aufgelegter Michael Rapke. Der zähmt als Petruchio seine Gemahlin durch Hunger und Schlafentzug und schreckt als Regisseur Fred Graham nicht davor zurück, sich zweier ihn unter Druck setzenden Ganoven zu bedienen, um seine Aufführung zu retten, als Lilli nicht mehr mitspielen will.

Klaus-Uwe Rein und Nobert Zilz sind als Ganoven einfach unschlagbar und sorgen für große Heiterkeit bei den Zuschauern. Nicht nur, weil sie als Mittel der Wahl für die Verführung der Damen empfehlen: „Schlag nach bei Shakespeare!“. Man muss diese beiden gestandenen Sänger einfach erlebt haben in ihrer Rockerkluft, tätowiert bis zum Hals und bauernschlau.

Es ist eine gelungene Ensembleleistung (wundervoll Tobias Amadeus Schöner als spielsüchtiger Bill Calhoun), die das Publikum am Ende zu stehenden Ovationen veranlasst. Von den Statisten über Chor, Ballett, Sänger, Orchester, Licht und Ton – es stimmt einfach, was da auf der Bühne präsentiert wird. Die geniale Vorlage von Samuel und Bella Spewack, Musik und Liedtexte von Cole Porter (ins Deutsche übertragen von Günter Neumann) ist beste Musical-Unterhaltung und auch in der Nordharzer Inszenierung mit der Empfehlung zu versehen: unbedingt sehenswert.

Spielplan sowie Infos zum Stück und dem Ensemble im Internet.