Austellungen Erinnerungen an das „Leseland DDR“
Das Gleimhaus wäre nicht das Gleimhaus, wenn es geliehene Tafel-Wanderausstellungen nicht um eigene Akzente bereichern würde. Das aktuellste Beispiel: Die Eröffnung der Sonder-Exposition „Leseland DDR“. Was die Besucher zu sehen bekommen.
Halberstadt - Die Ausstellung hat das Gleimhaus von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur übernommen.
Schon die Vernissage war eine neue Erfahrung. Zum einen war die Eröffnung mit dem letzten Hofabend in diesem Jahr gekoppelt, zum anderen war sie eine „partizipative“, wie Gleimhaus-Direktorin Dr. Ute Pott es nannte. Will heißen, dass die Besucher selbst parallel zur Eröffnung der Wanderausstellung ihr persönliches Leseland im Foyer des Hauses vorstellten.
Für das eigene Leben prägende Bücher gezeigt
Sie präsentierten eigene Bücher unterschiedlicher Genres, die prägend für ihr eigenes Leben gewesen waren, und die zum Teil an ihre Kinder /Enkelkinder weitergereicht wurden. Und es verwundert keineswegs, dass unter den Partizipanten eine Lesepatin war.
Wie nicht anders von den früheren Bewohnern des „Leselandes DDR“ zu erwarten, wurden persönliche Erfahrungen thematisiert, beginnend mit dem Deutsch-Unterricht in der Schule. Im Fokus standen weiter nicht nur die beliebten Reihen wie Reclam, Romanzeitung, Mosaik, Insel oder Spektrum oder Erkundungen, beispielsweise, die für kleines Geld erworben werden konnten. Anerkennung wurde auch dem hohen künstlerischen und polygrafischen Niveau der Buchillustration in der DDR gezollt.
Und natürlich wurde die „Bückeware“ beim Bücherangebot thematisiert, deren Erwerb für den Lesebegeisterten einen echten Glücksfall bedeutete.
Begriff geht auf Honecker zurück
Annegret Loose, eine der Vorbereiterinnen der aktuellen Ausstellung, machte anhand von aussagekräftigem Zahlenmaterial (zum Beispiel Anzahl der Bibliotheken und Bibliotheksnutzungen) deutlich, dass die DDR tatsächlich ein „Leseland“ gewesen ist. Der Leseland-Begriff geht auf Erich Honecker zurück.
Die Partizipation der Ausstellungsbesucher sei auch weiter gewünscht, sagte Ute Pott. So stünden drei Wechselvitrinen im Foyer zur Verfügung, in denen Interessierte Bücher auslegen und kommentieren können.
Informative Zeitreise mit Texten, Bildern und Videos
Den Grundgedanken der Ausstellung kann man nicht besser als mit Erich Kästner wiedergeben: „Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet den Menschen um. Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm“. Und so laden im ersten Stock des Literaturmuseums ab sofort 20 Leseland-Tafeln und 25 Tafeln zu Science Fiction in der DDR mit Texten, Bildern und Videos zu einer informativen Zeitreise in das Leseland DDR ein.
Und da gibt es allerlei zu entdecken, wie den „Zauberberg der vergessenen Literatur“ der Peter-Sodann-Stiftung oder „Meine Flitterwochen mit Mr. Spotny“ von Wolf D. Brennecke, in der Krimi-Abteilung zu finden.
Kleine Ausstattungsbeigaben, wie ein Lesetisch mit Leselampe im Mid-Century-Stil oder Leseinseln geben der Ausstellung noch ein Extra an Atmosphäre.
Blick in den „Giftraum“
Nicht versäumen sollte der Besucher einen Blick in den „Giftraum“ zu werfen. Hier sind die Bücher osteuropäischer und sowjetischer Dissidenten (Alexander Solshenizyn) versammelt. Ihnen „Gesellschaft leisten“ Stefan Heym, Walter Janka, Erich Loest, Christoph Hein, Volker Braun und Wolf Biermann. Den höchsten toxischen Grad hat George Orwell mit „1984 “ erreicht.
Die in der Ausstellung ausliegenden Bücher aus der DDR - sie wurden privat gespendet - können nach Schluss der Exposition gern mit nach Hause genommen werden. Das Gleimhaus-Team notiert die Bücherwünsche.
Die Ausstellung ist bis zum 28. Januar 2024 im Gleimhaus zu den bekannten Öffnungszeiten zu sehen. Wie gewohnt hat das Literaturmuseum ein vielfältiges Begleitprogramm entwickelt (die Volksstimme berichtete).