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Corona-Folgen Halberstädter in Aufräumwut

Gibt es mehr Müll, wenn die Halberstädter wegen der Corona-Beschränkungen verstärkt zuhause sind? Durchaus.

Von Sabine Scholz 09.11.2020, 07:08

Halberstadt.l Die Zahlen sind höher, deutlich, sagt Ingo Ziemann. Der Chef der Entsorgungswirtschaft Harz (Enwi) steht im Stoff, schließlich ist die Organisation der Abfallentsorgung im Landkreis Harz die Aufgabe dieser als Anstalt öffentlich Rechts strukturierten Behörde. Vor allem im Sperrmüll sei das Aufkommen in diesem Jahr deutlich höher als in den Vorjahren. Kamen bis August 2019 rund 4400 Tonnen Sperrmüll zusammen, waren es bis August dieses Jahres schon rund 400 Tonnen mehr. „Und da sind die aktuellen Entwicklungen noch nicht erfasst“, sagt Ziemann.

Die Aufräumwut der Harzer scheint ungebrochen. „Seit gut zwei Wochen haben wir wieder lange Schlangen auf dem Wertstoffhof in Halberstadt, an einem Samstag mussten wir mehrfach den 38 Kubikmeter fassenden Sperrmüllcontainer wechseln. Normalerweise reichen zwei Container, an dem Samstag brauchten wir vier.“ Viele Einwohner bringen Sperrmüll selbst auf den Wertstoffhof, andere nutzen das kostenlose Abholangebot. Sofas und zerlegte Schränke sah man in den vergangenen Monaten des Öfteren auf den Gehwegen.

Über die Gründe der Sperrmüllberge kann Ziemann nur spekulieren. Der Lockdown im Frühjahr hat vermutlich viele, die plötzlich zwangsweise zuhause bleiben mussten, dazu ermutigt, lange aufgeschobene Dinge zu tun – Keller und Dachböden zu entrümpeln, Garagen aufzuräumen. „Da hatten wir den ersten spürbaren Ansturm auf die Sperrmüllcontainer.“ Warum auch jetzt so viel angeliefert wird, da könne man nur spekulieren. „Vielleicht“, mutmaßt Ziemann, „nutzen einige das nicht ausgegebene Urlaubsgeld, um sich neu einzurichten oder geplante Anschaffungen vorzuziehen.“

Die veränderten Lebensumstände spiegeln sich auch an anderer Stelle wider. So ist der Anteil des hausmüllähnlichen Gewerbemülls deutlich gesunken – bis August waren es 1290 Tonnen, im Vorjahreszeitraum 1560 Tonnen. Was nicht an Müll in den Büros und Pausenräumen zusammenkam, fiel im eigenen Haushalt an: Bis August dieses Jahres registrierte die Enwi 27.500 Tonnen Hausmüll. 2019 waren es im gleichen Zeitraum 26.875 Tonnen. Wie der zweite Lockdown wirken wird, weiß die Entsorgungsbehörde genauer erst Anfang des nächsten Jahres.

Das bringt zudem eine Änderung im System der Verpackungsmüll-Entsorgung mit sich. Das ist in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre privat organisiert. Zehn Firmen haben sich Deutschland aufgeteilt, sie vergeben den Verpackungsherstellern die Lizenzen, den „Grünen Punkt“. „Das ist ein komplett eigenständiges System neben der öffentlichen Abfallentsorgung“, erklärt Ziemann. Allerdings werde alle drei Jahre seitens der DSD-Entsorger mit der Enwi verhandelt, über Entsorgungszeiträume und Art der Erfassung. „Es gibt Landkreise, in denen wird nur alle vier Wochen die gelbe Tonne oder der gelbe Sack abgeholt. Wir konnten den Zwei-Wochen-Rhythmus durchsetzen.“

Verhandelt wurde nun, dass künftig in vielen Orten die gelbe Tonne statt des gelben Sacks genutzt werden soll. Die Kommunen hatten auf eine Anfrage entsprechende Voten abgegeben. In Halberstadt sollen die Tonnen in der ersten Jahreshälfte kommen. Davon werde sicherlich das Stadtbild profitieren, weil dann weder gelbe Säcke herumfliegen noch aufreißen, wenn es windig ist.