Gerichtsurteil Halberstadts Trauerhalle wird zum Zankapfel
Eine Bestatterin spricht von Erpressung durch die Stadt Halberstadt. Nun hat das Verwaltungsgericht Magdeburg zu Bestattugen geurteilt.
Halberstadt l „Wir haben genau das erreicht, was wir wollten“, berichtet Susann Pflock. In der Stimme der Inhaberin von Bestattungen Lindemann klingt Genugtuung mit, als sie über das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg spricht. „Wir haben in dem Punkt Recht bekommen, der uns am wichtigsten war.“
In diesem geht es um die Nutzung der Trauerhalle des städtischen Friedhofs – oder vielmehr die indirekte Verpflichtung dazu. In einem Bestattungsplan, den die Friedhofsverwaltung aufgestellt hatte und der zum 1. Februar 2018 in Kraft trat, wurde festgelegt, an welchen Wochentagen und zu welchen Uhrzeiten Urnen- und Erdbestattungen sowie Trauerfeiern am Sarg stattfinden dürfen. „Bei den attraktiven Terminen ist die Buchung der Trauerhalle verbindlich“, so Susann Pflock. „Das ist Erpressung.“
Denn zusätzlich zu den ohnehin anfallenden Gebühren und Kosten für die jeweilige Bestattungsart fallen zu diesen Zeiten Kosten für die städtische Trauerhalle an: Findet darin tatsächlich eine Trauerfeier statt, handelt es sich um 240 Euro. 120 Euro schlagen zu Buche, wenn sie nicht genutzt wird.
Es komme nicht selten vor, dass die Trauerfeiern an anderen Orten stattfinden, zum Beispiel in Kirchen, berichtet Susann Pflock. Auch gehört zu ihrem Unternehmen, das nur wenige Meter vom städtischen Friedhof entfernt ist, ebenfalls eine kleine Trauerhalle. Die Familien zahlen also doppelt für eine Leistung, die sie nur einmal erhalten. „Viele machen das dann einfach. Man darf nicht vergessen, dass sie in einem emotionalen Ausnahmezustand sind. Sie haben gar nicht die Kraft, sich darüber aufzuregen.“
Doch nicht jeder könne sich das finanziell leisten. „Mit dieser Regelung schafft man Beerdigungen erster und zweiter Klasse – für diejenigen, die es sich leisten können und die, die nicht genug Geld haben“, echauffiert sich Pflock. „Denen bleibt dann oftmals nur übrig, den Termin um 8.45 Uhr zu nehmen – aber wer will den schon?“
Noch vor Inkrafttreten des neuen Bestattungsplans, über den die Stadt im Dezember 2017 informierte, wandte sich Susann Pflock mit ihrer Kritik schriftlich an die Halberstädter Stadträte und den Oberbürgermeister. „Es ist traurig, dass darauf keine Reaktion kam“, so die Unternehmerin. „Natürlich ist es ein unliebsames Thema – aber früher oder später betrifft es jeden.“
Ein Fall im April 2018 brachte das Fass zum Überlaufen: Für eine Urnenbestattung, der eine christliche Trauerfeier vorausgehen sollte, fragte das Bestattungsunternehmen Termine um 10.45 und um 14.45 Uhr am Montag, 16. April 2018, an. Von der Friedhofsverwaltung wurde mitgeteilt, so steht es im Urteil des Verwaltungsgerichts (liegt der Volksstimme vor), dass in der Woche nur ein Termin zur Verfügung stünde, da auf eine Trauerfeier in der städtischen Trauerhalle verzichten werden sollte: dienstags um 8.45 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt fand die Urnenbestattung auch statt.
Als Susann Pflock im Nachgang eine Aufstellung für die Bestattungstermine in der betreffenden Woche erhielt, erfuhr sie, dass an dem Montag drei Termine nicht vergeben wurden. Erneut setzte sie ein Schreiben an die Stadt auf. Es herrsche Uneinigkeit darüber, ob darauf geantwortet wurde, so das Gericht. Zwischenzeitlich kritisierten auch der Bundesverband deutscher Bestatter, bei dem Susann Pflock Mitglied ist, und die damalige Superintendentin Angelika Zädow das Prozedere zur Vergabe der Bestattungzeiten (Schreiben liegen der Volksstimme vor).
Am 19. Juni 2018 klagte Susann Pflock schließlich gegen die Stadt. Begründung: Sie sei in ihrer Berufsfreiheit beschränkt. Es sei unzulässig, die Bestattungszeiten so einzuschränken und insbesondere von der Nutzung der Trauerhalle abhängig zu machen. So etwas, berichtet die Bestatterin, kenne sie von anderen Städten, in den ihr Unternehmen Zweigstellen hat, nicht. Auch in den Ortsteilen Halberstadts laufe das anders ab.
Der Grund: Dort richten Bestatter die Beisetzungen komplett aus, auf dem städtischen Friedhof Halberstadts sind dagegen auch Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung involviert. So sind diese als Sargträger im Einsatz.
Das sei einer der Gründe für den Plan, erläutert Timo Günther, Justiziar der Stadt Halberstadt. „Die Schwierigkeit liegt darin, den Personal- und Ressourceneinsatz mit den Ansprüchen der Trauernden unter einen Hut zu bekommen.“ So sollen zum Beispiel Überstunden vermieden werden und gleichzeitig dafür gesorgt sein, dass nicht neben einer Beisetzung – 472 sind es durchschnittlich im Jahr – gerade Mäharbeiten stattfinden. Zudem, so betont Günther, sei der Plan nicht willkürlich erstellt worden. Vielmehr sei eine Analyse über Beisetzungstage und -zeiten erfolgt. Daraus habe sich unter anderem ergeben, dass generell am Mittwoch – dem am schwächsten nachgefragten Tag – keine Beisetzungen mehr stattfinden.
Gegen einen solchen Plan, der regelt, welche Bestattungsarten zu welchen Zeiten stattfinden dürfen, sei rechtlich nichts einzuwenden, urteilt das Verwaltungsgericht. Dies greife nicht in die Berufsausübungsfreiheit der Bestatter ein. Deshalb weist das Gericht die Klage von Susann Pflock in diesem Punkt ab.
Anders lautet das Urteil hinsichtlich der Trauerhallennutzung. Darin heißt es, dass die Stadt Bestattungen nicht von der Trauerhallennutzung abhängig machen darf.
Warum wurde das überhaupt so gehandhabt? „Wir sind verpflichtet, Gebühren für den Friedhof zu kalkulieren“, so Timo Günther. In regelmäßigen Abständen werde kontrolliert, ob Aufwand und Einnahmen im Einklang sind – gegebenenfalls müsse nachjustiert werden. „Ein Friedhof ist eine kostendeckende Einrichtung“, so Günther. „Die Stadt hält die Trauerhalle und Sargträger vor, das muss bezahlt werden.“ Als fairste Lösung habe die Stadt eine Art Solidarprinzip angesehen: Je mehr Menschen für die Halle zahlen, desto günstiger ist die Leistung für den Einzelnen.
Da jetzt die Gebühr für die Nicht-Nutzung wegfällt, sei es sehr wahrscheinlich, dass die Kosten für die Nutzung der Trauerhalle steigen, gibt der Justitiar zu bedenken. Dennoch nehme die Stadt das Urteil hin, es ist bereits rechtsgültig. Die Stadt sei nun dabei, neu zu planen. „Wir müssen gucken, wie wir das hinbekommen, ohne dass die Gebühren aus dem Ruder laufen.“Kommentar