Tierschutz Illegale Ferkel-Tötungen im Harz
Der Harz steht vor einem Skandal in Sachen Tierschutz. In einem Stall in Wasserleben werden Ferkel unsachgemäß getötet.
Wasserleben/Halberstadt l Krijn Tanis, einer der Geschäftsführer der Van der Velde Agrar GmbH aus Tarthun (Salzlandkreis) muss sich auf unangenehme Fragen gefasst machen. Der Anlass sind Videos, die Aktivisten des Vereins tierretter.de in seinem Ferkelstall in Wasserleben heimlich aufgenommen haben. Die Bilder sind erschreckend. Zu sehen sind schwache und sterbende Ferkel, die hilflos in den Boxen liegen. Ferner eine Zuchtsau, die laut Tierschützern massive und augenscheinlich seit längerem andauernde und unbehandelte Entzündungen an Geschlechtsorganen aufweist.
Besonders extrem sind jedoch Bilder, für die ein Mitarbeiter der Ferkelzucht sorgt. Er nimmt kurz hintereinander zwei offenbar schwache oder bereits sterbende Ferkel aus Boxen, schleudert sie mit den Kopf zuerst gegen den Boden und wirft sie achtlos beiseite.
„Wenn sich das alles so bestätigt, ist das schon heftig“, sagte Dr. Rainer Miethig, seines Zeichens Amtstierarzt und Chef des Veterinäramtes in der Kreisverwaltung, am Donnerstag nach einer ersten Sichtung der Bilder. Die Tierschützer haben ihr heimlich gedrehtes Material nicht nur der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt, sondern auch der Kreisverwaltung. „Das Töten von Ferkeln darf so keineswegs passieren“, so Miethig weiter. Spiegelten die Bilder die Realität wider, wäre das ein eindeutiger Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, so der Veterinär.
Dieser Fall dürfte vorliegen, denn Van-der-Velde-Geschäftsführer Tanis hat gegenüber der Volksstimme wenig später bestätigt, dass in dem Video „einer meiner Mitarbeiter zu sehen ist“. Und damit nicht genug: Das, was er mit den beiden Ferkeln macht, „war nicht richtig“, so Tanis.
In jedem Fall, so Miethig, müssten den Tieren laut Tierschutzgesetz jegliche Schmerzen und Qualen erspart bleiben. Wie das im Zweifelsfall bei der Ferkelaufzucht geschehen soll, habe das nun im Visier stehende Unternehmen im Übrigen für sich selbst festgelegt, so Miethig und beschreibt die schmerzfreie Tötung: Betäubung mittels Stockschlag auf den Kopf, anschließend Ausbluten nach Kehlschnitt.
Das bestätigt Krijn Tanis, ohne weiter ins Detail zu gehen. „Unser Mitarbeiter weiß ganz genau, wie er das zu machen hat. Warum er sich daran nicht gehalten hat, weiß ich auch nicht.“ Er selbst könne nicht permanent im Stall präsent sein und kontrollieren, habe aber bereits alle Mitarbeiter zur Rede gestellt, so Tanis. Und die, erklärt Miethig, kennen die schmerzfreie Tötungsmethode, denn es lägen für die drei in Wasserleben beschäftigten Mitarbeiter entsprechende Sachkundenachweise vor.
Geschäftsführer Tanis versucht indes, die Kritik von seinem Unternehmen wegzulenken. Die Tierschützer seien mehrfach illegal in seine Stallungen eingedrungen, erinnert er. Deshalb sei auch bereits Strafanzeige erstattet worden. „Meine Mitarbeiter sind darüber sehr erschrocken.“
Die Tatsache, dass Aktivisten von tierretter.de illegal in den Wasserlebener Ställen waren, ist unstrittig. Laut Juristin Barbara Felde ist Tierschutz jedoch ein „notstandsfähiges Rechtsgut“. Das erlaube gewisse Dinge wie derartigen Hausfriedensbruch, um dem Tierschutz zur Geltung zu verhelfen und Verstöße öffentlich zu machen, so die Juristin in einem MDR-Beitrag.
Die Tierschützer filmten nachts die Zustände im Stall und platzierten die Kamera. Eine Nacht später dokumentierten sie erneut und holten die Kamera wieder ab. Bereits in diesem kurzen Zeitfenster wurde der Tierschutzverstoß gefilmt.
Christian Adam, Vorstandsmitglied von tierretter.de, sieht daher in Wasserleben System bei dieser Tötungsart. „Das ist auch zu vermuten, weil der Mitarbeiter mit den beiden Ferkeln sehr routiniert verfährt“, so Adam. Zu kritisieren sei zudem, dass die frischgeborenen Schweine nach dem Schleudern auf den Boden „teilweise noch über eine Minute lang Anzeichen von Leben“ zeigten.
Hinsichtlich der Tiere moniert Adam weitere Missstände: Neben sterbenden Ferkeln dokumentieren die Aufnahmen angefressene Ohren und Schwänze zu sehen – typische Bilder aus der industriellen Schweinemast.
Damit dürften nun einige Fragen auf Tanis und dessen Mitarbeiter zukommen. Die Veterinärbehörde habe sich für den heutigen Freitag angekündigt, erklärte er am Donnerstag. Dabei dürfte es sich um die von Veterinär Rainer Miethig angekündigte kurzfristige Kontrolle handeln. Dass diese dem Zuchtbetrieb bereits bekannt sei, sei Zufall, so Miethig. „Wir hatten uns ohnehin wegen einer anderen Angelegenheit hier im Amt verabredet und den Termin nun nach Wasserleben verlegt.“
Auch die Staatsanwaltschaft dürfte nun aktiv werden. Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck bestätigte den Eingang einer Strafanzeige. „Wir werden nach Sichtung entscheiden, ob wir ein Ermittlungsverfahren einleiten.“