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Abriss In Osterwiecks Altstadt entsteht eine Baulücke

Jahrzehntelanger Leerstand führt zum Verlust weiterer Fachwerkhäuser. Von zwei Gebäuden ging jetzt sogar akute Einsturzgefahr aus.

Von Mario Heinicke 27.11.2024, 18:14
Der Bagger hat angesetzt, damit beginnt der Abriss der Fachwerkhäuser Tralle 4 und 5 im Herzen der Osterwiecker Altstadt.
Der Bagger hat angesetzt, damit beginnt der Abriss der Fachwerkhäuser Tralle 4 und 5 im Herzen der Osterwiecker Altstadt. Foto: Mario Heinicke

Osterwieck. - Der Regen der zurückliegenden Herbstwochen war zu viel für die Fachwerkhäuser Tralle 4 und 5 im Herzen der Altstadt. Hier, wo zum Harzfest im Juni noch Tausende Besucher über die Blaulichtmeile pilgerten.

Mit Hilfe der Osterwiecker Feuerwehr-Drehleiter hatten sich Baufachleute schon vor fünf Wochen die maroden Häuser von oben angeschaut. Nachdem Bewohner der Straße jetzt auf herabfallende Steine aufmerksam gemacht hatten, war sozusagen Gefahr im Verzug. Montagabend wurde die Tralle gesperrt, Dienstag rückte eine Abrissfirma an, um zunächst die Fenster aus den Fassaden zu entnehmen, am Mittwochvormittag setzte der Bagger an. Zunächst am Schutzgitter an der Dachkante, das seit vielen Jahren große Ziegel vor dem Herabstürzen bewahren sollte. Für die zuletzt bröselnden Steine waren die Gitter indes zu großmaschig.

„Der Landkreis Harz wird im Rahmen der Gefahrenabwehr und des akut verschlechterten bauliches Zustandes beider Gebäude unmittelbar tätig und hat veranlasst, die Gebäude in Form einer sogenannten unmittelbaren Ausführung abzureißen“, erläuterte Franziska Banse, Pressesprecherin der Kreisverwaltung, auf Anfrage. „Bei dieser Ersatzvornahme tritt der Landkreis Harz zur Abwehr der Gefahrensituation in die Rolle und Verantwortung des Eigentümers ein. Der verantwortliche Eigentümer hat seinen Wohnsitz nach derzeitigen Erkenntnissen im europäischen Ausland und wurde über die akute Gefährdung und die ausgelösten Maßnahmen informiert. Nach Abschluss der Arbeiten erhält dieser Eigentümer auch die Rechnung über die erfolgten Arbeiten in Form eines sogenannten Leistungsbescheides.“

Nach Volksstimme-Informationen gehören die beiden Gebäude seit knapp 20 Jahren einem Mann aus Irland. Wie Katrin Löhr aus dem Bauamt der Stadtverwaltung berichtete, habe sie in dieser Zeit auch mal Kontakt mit ihm gehabt, in den letzten Jahren sei er aber nicht mehr erreichbar gewesen. Dem Iren gehören noch weitere Fachwerkhäuser in der Altstadt.

Die Häuser Tralle 4 und 5, aber auch die angrenzende Nr. 6 bereiten seit mindestens 2008 Probleme. Damals erhielten die Dächer Auffanggitter. 2015 drohte die Tralle 6 einzustürzen, konnte aber durch ein Notdach und Absteifungen gerettet werden. Goldschmiedin Angela Rauer-Loske, Eigentümer der Tralle 3, beklagte schon damals, dass ihre Hauswand zur Nr. 4 feucht sei. Inzwischen sei innen der Putz abgefallen, berichtete sie am Dienstag. Eine Reparatur habe erst Sinn, wenn das Nachbargebäude weg ist.

Nach Schilderungen von Baubeteiligten hatte sich im Haus Nr. 4 bereits ein Biotop mit Farnen entwickelt. In den letzten fünf Wochen habe sich der Zustand nochmals verschlechtert, so dass inzwischen der Weg ins Obergeschoss zu gefährlich wurde.

Gut zwei Wochen sollen die Abrissarbeiten für die Tralle 4 und 5 dauern. Unterdessen hat sich am Mittwoch auf Anraten der Fachleute auch die Eigentümerin der Tralle 6 zum Abriss entschlossen.

Die Häuser 4/5 werden bis zum Boden abgetragen, die Keller verfüllt. „Was letztlich mit dem Grundstück geschieht, liegt in der Verantwortung des Eigentümers“, sagte Franziska Banse. Die Stadt wird wohl einen Zaun vorsetzen.

Die Tralle 4 ist 1885 nach dem Stadtbrand erbaut worden, die Tralle 5 um 1700 und die Tralle 6 im 16. Jahrhundert.

1991 war das Haus Tralle 6 im Vordergrund noch bewohnt. Links davon die Gebäude Nr. 4 und 5 ebenfalls noch im  ansehnlichen  Zustand. Die akuten Probleme  kamen später mit dem Leerstand.
1991 war das Haus Tralle 6 im Vordergrund noch bewohnt. Links davon die Gebäude Nr. 4 und 5 ebenfalls noch im ansehnlichen Zustand. Die akuten Probleme kamen später mit dem Leerstand.
Foto: LDA Sachsen-Anhalt, Hans-Hartmut Schauer