Der Paritätische bietet Hilfe bei Geldproblemen Ein Viertel aller Klienten der Einrichtung ist jünger als 26 Jahre Jugendliche in der Schuldenfalle: Privatinsolvenz keine einfache Lösung, um Probleme loszuwerden
Fast jeder zehnte Jugendliche ist verschuldet. Das eigene Auto, Kredit- und Handyverträge oder unbedachte Klicks im Internet sind die häufigsten Schuldenfallen. Der Weg raus aus dem Finanztief ist nicht leicht, aber machbar.
Von Sebastian Prill
Haldensleben l "Mit dem was Peter Zwegat macht, hat unsere Arbeit nicht viel zu tun", sagt Gabriele Thoms über den Schuldnerberater aus dem Fernsehen. Gabriele Thoms ist eine der Schuldnerberaterinnen des Paritätischen in Haldensleben. Die Hilfe der Berater kostet kein Geld, verlangt aber viel Eigeninitiative von dem, der Hilfe sucht.
Im Jahr 2007 haben Kinder und Jugendliche in Deutschland über 2,5 Milliarden Euro Taschengeld verfügen können. Nicht eingerechnet die Gelder, die Großeltern und Eltern auf Sparbüchern oder Konten beiseite gelegt hatten. Als größter Taschengeldfresser galten Handy und Internet: 2,2 Milliarden Euro gingen für Downloads und das Telefon drauf. Mit dem Geld könnte jedem Einwohner Sachsen-Anhalts ein neues iPhone geschenkt werden.
Bei so vielen Möglichkeiten fürs Geldausgeben kommt es vor, dass einigen Jugendlichen das Geld ausgeht und sie sich verschulden. Gabriele Thoms erklärt: "Die schwierigste Phase beginnt mit dem Auszug aus dem Elternhaus. Ab dem 18. Geburtstag sind Jugendliche allein haftbar. Vorher helfen die Eltern meist bei Geldproblemen aus." Minderjährige kommen deshalb selten in die Beratungsstelle am Waldring.
"Jugendliche zwischen 18 und 26 Jahren suchen die Beratungsstelle in Haldensleben öfter auf. Aus dieser Altersgruppe kommt ein Viertel aller Hilfesuchenden", sagt Thoms. Nur acht Jugendliche beantragten 2011 die Privatinsolvenz.
Weil das Einkommen nicht für alle Träume reicht, werden manche Wünsche mit Krediten erfüllt. Ein großer Fernseher, das eigene Auto, Markenklamotten oder ein neues Handy. "Die Verkäufer von solchen Produkten sind an ihrem Umsatz interessiert und prüfen nicht, ob sich der Käufer die Waren auch leisten kann. Finanzierungen sind meist viel zu einfach zu bekommen", stellt Thoms fest. Sie erklärt, dass Finanzierungen so lange gut gehen, wie ein regelmäßiges Gehalt vorhanden ist. Auch in der Ausbildung kann vieles schon über Kredite finanziert werden. Ist jedoch nach der Ausbildung nicht sofort ein Jobangebot zu bekommen, bedrohen die Schulden das Budget. "Die Raten müssen dann trotzdem gezahlt werden, und das kann Jugendliche in Schwierigkeiten bringen," sagt die Schuldnerberaterin.
Die eigenen Finanzen zu überschauen ist wichtig
Oft suchen sie Hilfe, wenn es schon fast zu spät ist. Die Arbeit der Berater hängt stark davon ab, dass Schuldner sich helfen lassen wollen. Einfache Lösungen sind selten. "In der ersten Beratungssitzung geht es darum, die Hilfesuchenden kennenzulernen. Wir wollen herausfinden, welche Schulden und Probleme die Klienten haben. Oft kommt zu den Geldsorgen noch ein Drogen- oder Alkoholproblem dazu. Dann arbeiten wir eng mit anderen Beratungsstellen zusammen", berichtet Thoms. Die Gründe für Schulden sind zahlreich und unterscheiden sich sogar nach dem Geschlecht. Thoms dazu: "Frauen verschulden sich oft beim Einkaufen in Online-Warenhäusern oder weil sie Kinder haben und nicht so leicht wieder in Arbeit kommen, Männer durch den Verlust des Jobs." Das wichtigste Ziel der Schuldnerberater ist die Existenzsicherung der Schuldner: Miete, Strom und der Lebensunterhalt müssen bezahlt werden, erst dann kann an den Schuldenabbau gedacht werden. "Natürlich kommt es vor, dass wir Hilfesuchenden raten müssen, ihr Auto zu verkaufen oder sich von ihrer Wohnung zu trennen", berichtet sie. Die Einsicht zu solchen Schritten fällt jedoch schwer.
"Es ist ein wichtiger Schritt, einen Überblick über die eigene finanzielle Situation zu erhalten," so Gabriele Thoms. Wenn nach Einnahmen und den Ausgaben Geld übrig bleibt, können Pläne gemacht werden, wie die Schulden langsam abgebaut werden. "Es gibt Schuldner, die sofort eine Insolvenz anmelden wollen. Das ist allerdings die allerletze Alternative, die Privatinsolvenz kein einfaches Verfahren", warnt Thoms.
"Junge Frauen mit Kindern haben es am schwersten. Mit Kindern finden sie schwerer eine Anstellung, haben manchmal auch keine Ausbildung. Geht dann die Waschmaschine oder der Kühlschrank kaputt, ist dies der erste Schritt in die Schuldenfalle", sagt sie.
Die Privatinsolvenz ist keine einfache Lösung
Wenn nach dem Budgetplan feststeht, dass die Schulden nicht so einfach bedient werden können, versuchen die Schuldnerberater zuerst, angepasste Ratenzahlungen zu vereinbaren. Es können auch Vergleiche getroffen werden, bei denen die Gläubiger auf einen Teil der Schulden verzichten. Eine Möglichkeit wäre noch die Stundung, bei der eine Zahlungspause vereinbart wird, die Summe jedoch gleich bleibt.
Scheitern alle Hilfsversuche droht der Schritt in die Privatinsolvenz. Damit beginnt ein kompliziertes Verfahren. "In einem ersten Schritt wird eine außergerichtliche Einigung mit allen Gläubigern angestrebt. Ratenzahlungen an einzelne Gläubiger müssen wegen des Gleichbehandlungsprinzips eingestellt werden", so Thoms. Kredite, die bis dahin bedient werden konnten, werden dann aufgelöst. "Banken ziehen das auf Raten gekaufte Auto ein, selbst wenn man den Kredit bezahlen konnte. Die Kreditschulden aus dem Vertrag werden auf die Schulden aufgeschlagen", erklärt sie.
Sechs Jahre dauert die Privatinsolvenz, in der Zeit bleibt vom eigenen Geld nur ein kleiner Teil auf dem eigenen Konto. Wer mehr als 1030 Euro hat und allein lebt, muss aus dem Betrag darüber Anteile an die Gläubiger abgeben. Auch der Arbeitgeber erfährt von der Situation, das Gehalt darf nicht einfach ausgezahlt werden. Nur die unpfändbaren Einkommensanteile, also zum Beispiel 1030 Euro für Alleinlebende, werden auf das Privatkonto ausgezahlt. Wohlverhaltensphase heißt diese Zeit.
Wer sich darin befindet, muss Pflichten erfüllen, um schuldenfrei zu werden. Am Ende dieser Zeit werden die restlichen Schulden erlassen, unabhängig davon, wie viel getilgt wurden. Doch bis dahin ist es ein harter Weg.