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Familie Nolte hegt eine bunte Autogeschichte Karosserien begleiten Familie durch unterschiedliche Zeiten

Von Christin Käther 18.08.2011, 06:27

Der Durchschnittsdeutsche besitzt in seinem Leben 9,8 Autos. Das geht zumindest aus den Statistiken hervor. Beliebteste Automarke ist der VW. Das Ehepaar Nolte aus Halberstadt ist eher Opel-Fanatiker und kann mit der Statistik locker mithalten.

Halberstadt. Heute verbringen Friedlinde und Gerhard Nolte einen ruhigen Lebensabend im Halberstädter Stadtteil Wehrstedt. Sie haben ein nettes Häuschen, freuen sich über ihre Urenkel und hüten ihren mintgrünen Opel Vectra wie ihren Augapfel. Den haben sie von ihrem Sohn zur Goldenen Hochzeit 2007 bekommen. Der ganze Stolz des Ehepaares.

Aber noch etwas bewahrt Gerhard Nolte in seiner Garage auf: Einen ausrangierten Rasenmähertrecker, mit dem er bis vor einigen Jahren noch das Gelände der St. Laurentius Kirche in Schuss hielt und ihn für 150 Euro wieder fahrtüchtig machte. Bei der Betrachtung dieses kleinen Schatzes fallen ihm noch viel mehr solcher Beispiele ein.

"Viele Jungs hatten damals so einen Wagen und fuhren damit herum"

Die Familie Nolte kam 1935 von Braunschweig in die Kreisstadt und betrieb in der Magdeburger Chaussee eine Schmiede. Gerhard Nolte kam im selben Jahr zur Welt und wurde früh mit dem Schmiedehandwerk von seinem Vater vertraut gemacht. Als kleiner Junge bekam er einen Ziegenwagen geschenkt mit seinem Namen drauf. "Viele Jungs hatten damals so einen Wagen und fuhren damit herum", erinnert sich der 76-Jährige.

Als Jugendlicher legte er sich eine RT 125 zu. Als er seine zukünftige Frau Friedlinde kennen und lieben lernte, besorgte er einen Soziuswagen, um sie damit zu beeindrucken. Und als er schließlich seinen Autoführerschein machte, kaufte er sich seinen ersten eigenen Wagen: einen Goliath. Ein Zweisitzer auf drei Rädern. "Damit hat mich mein Mann immer zur Arbeit gefahren", erzählt Friedlinde Nolte, die damals als Näherin in der Friedenstraße beschäftigt war.

Nach dem Krieg hatte sich die Schmiede mehr dem Metallvertrieb verschrieben. Gerhard Nolte kümmerte sich vorwiegend um die Reparatur von Autos. Da gab es in Halberstadt reichlich zu tun, denn die Holperstraßen machten die Federn der Pkw kaputt, erzählt der Rentner. Und weil er viel unterwegs war, musste ein Lieferwagen her: ein Barkas. Ausgestattet mit einer geschlossenen Ladefläche konnte so viel Metall ausgefahren werden. Privat gönnten sich die Noltes einen Opel P4. Der bot mehr Platz für die junge Familie.

Das nächste Bastelprojekt des Automechanikers war ein Barkas Framo, der den P4 als Firmenwagen ablöste. Das Ehepaar selbst bekam weiteren Familienzuwachs. Das dritte Kind wurde geboren. Ein geräumiger IFA F9 geriet in den Besitz und wurde sogar als "Hochzeitskutsche" für den großen Tag eines befreundeten Paares genutzt.

Die Noltes erstanden später einen Wartburg Camping und bald darauf einen Wartburg Tourist, den sie kurz vor Weihnachten 1969 aus Berlin abholen mussten.

Der Wartburg blieb der Familie liebstes Stück und wurde nur sonntags aus der Garage geholt, wenn die Noltes in den Harz fuhren. Ansonsten wurde er sorgfältig abgedeckt. Ein Trabant Kombi, für den die Eheleute 10 000 Ostmark hinlegten, wurde hauptsächlich für den Alltag genutzt. Mittlerweile lief es für den Automechaniker Gerhard Nolte geschäftlich nicht mehr so gut. "In der DDR gab es ja kein Material mehr für mich." Man schlug sich mit anderen Jobs durch.

Nach dem Mauerfall gingen die Noltes in Rente. Sie verkauften Trabi und Wartburg und holten sich einen Opel Vectra. "Ich liebe große Autos. So ein kleiner Wagen ist nichts für mich", erzählt Gerhard Nolte. Auch sein Sohn Frank teilte die Begeisterung für Autos und diese Marke. Denn der fand Arbeit in einem Autohaus.

Hinter seinem Haus richtete sich Gerhard Nolte eine Schmiedewerkstatt ein, wo er heute noch kleinere Schmuckstücke bastelt. So zum Beispiel einen verschnörkelten Kerzenständer, der im Rahmen der Wiederaufbau-Aktion der St. Laurentius Kirche 1992 entstand.

Nebenher verdiente sich der 76-Jährige noch ein wenig Geld als Landschaftspfleger. Mit einem Rasenmähertrecker hielt er das Gelände der neuen Kirche in Schuss. Das tut er auch heute noch - aushilfsweise. Den kleinen Trecker hat er von der Gemeinde übernommen. Der war nämlich kaputt, aber auch das bekam Nolte in den Griff. Heute ist das Gefährt öfter mal festlich geschmückt auf diversen Veranstaltungen in Wehrstedt zu sehen - manchmal mit Kindern auf der Ladefläche des selbstgebauten Anhängers.

Der Trecker und die Anhänger sind die einzigen Gefährte, die die Noltes noch aus der Vergangenheit besitzen. Alles andere wurde verkauft. Aber der Opelmarke ist man treu geblieben. Und eigentlich ist der Rasenmäher auch schon wieder verplant. Denn ihr Enkel freut sich ganz besonders auf dieses Erbstück, verraten Friedlinde und Gerhard Nolte augenzwinkernd.