Landratsamt Kapitän geht von Bord
Ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit kündigt Landrat Martin Skiebe an, dass er im Sommer 2020 definitiv nicht noch einmal kandidiert.
Halberstadt l Martin Skiebe: Nachdem er im Wendejahr 1990 als Baudezernent in die damalige Kreisverwaltung Quedlinburg gewechselt war, blieb er viele Jahre der Macher, der eher still im Hintergrund agiert hat. Gleichwohl an entscheidender Stelle. Von Anfang an als Dezernent, später auch als Vize des Quedlinburger Landrats Wolfram Kullik (SPD), nach der Fusion zum Harzkreis als rechte Hand von Landrat Michael Ermrich. Als der CDU-Mann im Sommer 2013 als Präsident zum ostdeutschen Sparkassenverband wechselte, war Skiebes Moment gekommen: Er amtierte zunächst übergangsweise und holte im Herbst 2013 ganz offiziell das Mandat für sieben Jahre als Kapitän auf der Brücke im Landratsamt. Nun steht hier in absehbarer Zeit ein personeller Wechsel an: Am gestrigen Donnerstag kündigte Skiebe an, dass er 2020 nicht erneut kandidiert und die Brücke im Herbst 2020 turnusmäßig verlassen wird.
Eine Entscheidung, die ganz überraschend nur für Außenstehende ist. Im Landratsamt wird hinter vorgehaltener Hand schon länger daran gezweifelt, dass der 60-Jährige seine im Februar formulierte Ankündigung tatsächlich umsetzt. Damals hatte der CDU-Mann vor Parteifreunden durchaus Ambitionen auf eine zweite Amtszeit formuliert. Schließlich gebe es noch reichlich Aufgaben, wo er persönlich mit anpacken wolle. Allerdings hatte Skiebe schon damals eine ganz persönliche Einschränkung gemacht: Gesundheitlich müsse es passen.
Genau da, das steht nach Skiebes Worten nunmehr fest, passt es doch nicht so, wie es passen müsste, um noch einmal sieben Jahre das Steuer in die Hand zu nehmen. „Ich habe lange nachgedacht, habe mit vielen mir nahestehenden Menschen gesprochen, habe mich mit Medizinern ausgetauscht und natürlich meine Familie einbezogen und bin zu einer Entscheidung gekommen: Es wäre nicht verantwortungsbewusst, noch einmal für sieben Jahre anzutreten.“ Für ihn, so Skiebe, gebe es mit Blick auf das Amt nur ganz oder gar nicht. „Und ganz – also sieben Jahre – das kann ich nicht verantworten.“
Seiner Gesundheit wegen, Skiebe war im Sommer 2018 plötzlich schwer erkrankt, und eben auch wegen seiner Familie. Oder besser: Für seine Familie. Seine Frau sowie drei Töchter und ein Sohn seien wegen des Jobs in all den Jahren oft zu kurz gekommen. „Ich hätte mir mehr Zeit für sie gewünscht.“ Nun, wo auch eine ein Jahr alte Enkelin dazu gehöre, sei die Zeit gekommen, die Weichen grundsätzlich neu zu stellen und „der Familie wieder ein bisschen was zurück zu geben. Ich bin schließlich ein Mensch, der die Familie braucht.“
Deswegen die Kurskorrektur, die er bewusst schon jetzt vollziehe, wie Skiebe betont. So hätten potenzielle Anwärter für den Spitzenjob im Landrats-amt, aber auch die Parteien und Wählergruppen, klare Fakten und genügend Zeit, sich für die Wahl im Sommer 2020 warm zu laufen. Hat Skiebe – 2013 mit CDU-Unterstützung auf den Posten gewählt und seit 2014 ordentliches CDU-Mitglied – dafür einen Wunschkandidat? Hier lässt sich der 60-Jährige aktuell nicht in die Karten schauen – „vielleicht aber zu gegebener Zeit“.
Noch sei die ja auch mit Blick auf die Legislaturperiode ausreichend. Ein gutes Jahr – bis zum 31. Oktober 2020 – ist Skiebe noch im Amt. Seine Amtspflichten wolle er, Stichwort „Ganz oder gar nicht“, bis zum letzten Tag erfüllen.
Erfüllen – das passt zu Skiebe. Insider, Kollegen und Weggefährten beschreiben ihn als ehrgeizigen, pflichtbewussten Arbeitsmensch. Einer, der seine Aufgaben im Sinne des Harzkreises möglichst optimal erfüllen will. Dass er dabei als Landrat Aufgaben auch delegieren muss, liegt auf der Hand. Genau hier musste Skiebe zuletzt unschöne Erfahrungen machen und zuweilen Kritik einstecken.
Erinnert sei an die Megapleite bei der Fahrplanumstellung im Busverkehr. Skiebe hatte sich 2017 auf seine Fachressorts verlassen, um kurz vor der geplanten Umstellung auf die Bremse zu treten. Trotz Verschiebung ins Jahr 2018 mündete der Start ins reinste Chaos. Konsequenz für Skiebe: Gesundheitlich angeschlagen, zog er sich – auch verärgert über die zuvor Verantwortlichen – das Thema Bus selbst auf den Tisch. Gleichwohl ist das Thema Nahverkehr bis heute nicht ausgestanden.
Hinzu kamen auch ganz persönliche Enttäuschungen. So über die damalige Chefin der Kreisvolkshochschule (KVHS), die sich und Mitarbeitern in der KVHS-Chefetage eigenmächtig mehr Gehalt genehmigt hatte. Skiebe setzte ihr den Stuhl vor die Tür, die Frau klagte, vor Gericht gab es einen Vergleich, dessen Inhalt – obwohl es um Steuergelder geht – streng geheim ist.
Obendrein das monatelange Tauziehen um Haushalt und Kreisumlage. Hier bekam die von Skiebe geführte Verwaltung zuletzt von vielen Harzer Kommunen schlechte Haltungsnoten, weil vor allem der Stil der Bescheid-Erteilung kurz vor den Weihnachtsferien 2018 gar nicht gut ankam. Mehrere Kommunen klagten, Skiebe selbst fädelte schließlich einen Kompromiss ein, was darauf schließen lässt, dass er mit dem Handeln seiner Verwaltung selbst haderte.
Und schließlich zuletzt das Tauziehen mit dem Landesverwaltungsamt um Genehmigung des Nachtragsetats. Weil die oberen Gralshüter Skiebe reingrätschten, kündigte er Zuweisungen für Kultureinrichtungen des Landes im Harz und sorgte für ein ziemliches Erdbeben. Mit Erfolg zwar – nun soll gemeinsam mit dem Land nach Lösungen gesucht werden – aber eben auch Kräfte zehrend.
Gut möglich, dass Klavierspieler Skiebe dabei einmal mehr die Begrenztheit seiner Kräfte deutlich geworden ist und er den „tollen Job für den Harzkreis“ in der Abwägung mit Gesundheit und Familie nun nach hinten rückt. „Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Das Schönste war und ist der Kontakt mit Menschen, die hier im Kreis ehrenamtlich so viel bewegen“, bilanziert der studierte Architekt.
Gänzlich verschwinden will Skiebe ab November 2020 nicht von der Bildfläche. „Ich werde garantiert nicht wieder in führender Position in der Kreisverwaltung arbeiten. Ich werde die Entwicklung im Kreis aber sehr aufmerksam beobachten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich für mich noch interessante Aufgaben finden werde.“ Neben der Familie, die fortan die erste Geige spielen soll. Kommentar Seite 13