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Notfallseelsorger sind etwa 40 Mal im Jahr in Krisensituationen im Einsatz "Man kann froh sein, dass es Menschen gibt, die sich solcher Aufgabe stellen"

Von Regina Malsch 18.10.2011, 04:23

Notfallseelsorger stehen Opfern und Angehörigen in Krisensituationen bei, aber auch Helfern zur Seite. Der Lionsclub Ohrekreis stellte den ehrenamtlich Tätigen acht Einsatztaschen zur Verfügung und informierte sich über ihr Wirken.

LandkreisBörde l Ein schwerer Verkehrsunfall auf der B189. Die Rettungskräfte, Ärzte, Polizei und Feuerwehr, eilen herbei. Mehrere Insassen sind in den Autos eingeklemmt, bei zwei Männern kommt jede Hilfe zu spät. Der Einsatzleiter alarmiert das Notfallseelsorgeteam Börde Nord. Innerhalb von knapp 20 Minuten sind drei Mitglieder vor Ort.

Nicht nur bei Unfällen wie dem bei Colbitz kommen Notfallseelsorger zum Einsatz. Sie stehen Opfern und Angehörigen, aber auch den Helfern in akuten Krisensituationen zur Seite, beraten und stützen, ermutigen und trösten. Sie begleiten die Polizei, um Todesnachrichten zu überbringen, stehen vergewaltigten Frauen oder auch misshandelten Kindern als Gesprächspartner zur Seite, sind bei Bränden oder Katastrophen wie dem Zugunglück bei Hordorf vor Ort.

Wie diese ehrenamtliche Arbeit organisiert wird, die Helfer darauf vorbereitet werden und sie selbst die Einsätze verkraften, darüber berichteten Vertreter des Notfallseelsorgeteams Börde in der letzten Mitgliederversammlung des Lionsclubs Ohrekreis. Teamleiter Gunnar Müller, Koordinator Steven Majchrzak und Teammitglied Frauke Beust hatten die Einladung in Auerbachs Mühle in Wolmirstedt sehr gern angenommen. Hatten sie dadurch doch auch Gelegenheit, sich bei den Lions für eine Spende zu bedanken, mit der acht Einsatztaschen angeschafft werden konnten.

"Wir haben immer kleine Engel, Teelichter, Teddys für Kinder und Taschentücher dabei"

"Darin finden nicht nur die notwendigen Arbeitsmappen Platz. Wir haben immer auch kleine Engel aus Bronze, Teelichter, Teddys für Kinder und Taschentücher dabei", zählt Steven Majchrzak auf. Besonders die Engel würden Betroffene in den Schicksalsstunden nicht mehr aus der Hand geben. Der 31-jährige Zielitzer ist Polizeiangestellter und weiß, dass Menschen bei Notfällen ganz unterschiedlich reagieren. "Ob Hysterie am Unfallort, Schweigen oder Selbstanklage beispielsweise nach Suizid - wir müssen uns auf jede Reaktion einstellen."

Gunnar Müller (44) aus Erxleben ist Pfarrer. Er hat 1999 mit zwei Berufskollegen und einem Tierarzt aus Gutenswegen das Notfallseelsorgeteam im Kreis gegründet. Heute unterstützen acht Männer und fünf Frauen aus der Region das Anliegen, Menschen in höchster Not Beistand zu leisten. "Manchmal genügt es, den Betroffenen beim Unglück vor Ort die Hand zu drücken oder in den Arm zu nehmen. Bei Hausbesuchen ist es oft auch ganz praktische Hilfe wie die Benachrichtigung von weiteren Angehörigen, ein Gespräch oder die Tasse Kaffee", berichtet Frauke Beust (50), gelernte Krankenschwester.

Und sie hat die Erfahrung gemacht, dass Betroffene sehr dankbar auf uneigennützige, warmherzige Hilfe reagieren. "Das ist für uns der schönste Lohn!"

Durchschnittlich bei 40 Vorkommnissen sind die Seelsorger jährlich gefragt. In diesem Jahr gab es bislang 25 Einsätze, bei denen 29 Teammitglieder aktiv waren, durchschnittlich 2,6 Stunden. Im Monat kommen auf jeden drei bis fünf Bereitschaftsdienste.

Wie Müller betont, eignet sich nicht jeder für dieses besondere Ehrenamt. Notwendig sind Mitgefühl, Teamfähigkeit und die Einhaltung der Schweigepflicht. Bewerben kann man sich ab 25 Jahre, die berufliche Ausbildung spielt keine Rolle.

Die jetzigen Mitglieder sind beispielsweise Apothekerin, Kraftfahrer, Behördenangestellte, Geschäftsführer. Neben der Ausbildung als Notfallseelsorger und Weiterbildungen findet zweimal im Jahr eine Arbeitsberatung statt, an der Vertreter des Trägers der Notfallseesorge, des evangelischen Kirchenkreises Wolmirstedt-Haldensleben, der Kreisfeuerwehr, des Amtes für Brand-, Katastrophenschutz und Rettungswesen des Landkreises, des DRK und der Polizei teilnehmen Auf die Frage, wie die Notfallseelsorger denn solche Einsätze selbst verkraften, meinte Teamleiter Gunnar Müller, dass es bestimmte Rituale gibt. Er selbst würde zum Beispiel nach dem Einsatz immer als erstes die Kleidung wechseln. "Aber es gibt Bilder, die man nicht so schnell vergisst." Und es hätte schon Mitglieder gegeben, die nach dem ersten Einsatz gesagt haben: Einmal und nicht wieder!

Lionspräsident Felix Meyer bedankte sich im Namen aller Clubmitglieder für den sehr beeindruckenden Vortrag und das Engagement der Notfallseelsorger. "Man kann froh sein, dass es Menschen gibt, die sich einer solchen Aufgabe stellen."