Baustelle Millimeter-Arbeit gefragt bei neuer Bahnbrücke im Vorharz
Ein 55-Tonnen-Koloss ist über der Holtemme beim Vorharz-Ort Nienhagen gelandet. Die Deutsche Bahn erneuert für knapp zwei Millionen Euro eine Brücke.
Nienhagen -
Die Bahngleise in Nienhagen bei Schwanebeck sind trotz der späten Stunde hell erleuchtet. Einige Arbeiter huschen über das abgesperrte Gleisbett, ihre Warnwesten reflektieren das Licht, welches auf sie herabfällt. Das spendet eine Taglichtlampe. Denn es ist kurz vor Mitternacht.
Dass trotzdem noch Arbeiten an der Eisenbahnüberführung in Nienhagen vorgenommen werden, hatte am Freitagabend, 21. Mai, einen ganz besonderen Anlass. Die Strecke durch den Schwanebecker Ortsteil hat eine neue Eisenbahnbrücke bekommen.
Mit Spannung verfolgen Bauherr Steffen Zindler von der Deutschen Bahn und Bauüberwacher Felix Jänsch das nächtliche Treiben. Einige interessierte Bürger haben sich zu ihnen gesellt, um den Einhub der Brücke hautnah mitverfolgen zu können.
Alte Brücke stammte aus dem 19. Jahrhundert
Die Erneuerung des Bauwerkes sei nötig gewesen. „Die Bahnbrücke in Nienhagen ist von 1883 und entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen“, informiert Zindler. Die Instandhaltungsarbeiten würden daher viel Geld kosten und man trage laufende Kosten. Daher habe man sich für eine neue Überführung über die Holtemme entschieden.
Der ursprüngliche Betonbau mit zwei im Wasser platzierten Stahlträgern werde durch eine Dickblechtrogbrücke ersetzt, erläutert Zindler weiter. Der Stahltrog wurde in der Nacht zum Samstag mit dem Tieflader zur Baustelle transportiert und mit einem Kran auf die Brückenlager gehoben. Diese hat es nicht nur finanziell in sich. Rund 1,9 Millionen Euro würden in die neue Brücke fließen, so eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Volksstimme-Anfrage.
Die Dickblechbrücke sei 5,50 Meter breit und 14 Meter lang. 55 Tonnen bringe der Koloss auf die Waage, informiert Felix Jänsch. Um dieses Gewicht in den vorgesehenen Platz zu heben, wurde ein Kran organisiert. Dieser arbeite mit einem Gegengewicht, um nicht in Richtung der Brücke in Schieflage zu geraten, erklärt Felix Jänsch.
Brücke muss Platz für Hochwasser lassen
Um die Brücke vom Tieflader in ihre Endposition zu bewegen, musste sie über den Fluss gehoben werden. Für diesen Weg wurden an den mit der Brücke verbundenen Bolzen die Schlupfe des Krans angebracht. Anschließend hob der Kran den Stahltrog in seine finale Lage. Trotz der stattlichen Werte dürfe die Brücke nicht zu tief über dem Fluss platziert werden.
„Wenn die Holtemme voller wird, muss trotzdem genug Platz für das Wasser sein“, gibt der Bauherr zu bedenken. Bei der neuen Brücke sei - im Gegensatz zur alten Brücke - kein Mittelpfeiler erforderlich, informiert eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Treibgut könne sich daher nicht mehr so leicht ansammeln.
Die Holtemme habe es dem Team bisher nicht leicht gemacht. „Wir mussten vor den Bauarbeiten das Bachfischauge elektrobefischen lassen“, erklärt Zindler. Nach Informationen des Bauherrn werde der Fisch dabei unter der Verwendung von Strom nach oben befördert, um dort abgefischt zu werden. Auch für die neue Brücke mussten einige Vorgaben eingehalten werden. So sei sogar der Farbton des Bauwerkes eine Vorschrift gewesen. „Der Grauton nennt sich DB 702. Nur dieser durfte für die Brücke verwendet werden“, so Zindler.
Spezialbeschichtung gegen Graffiti
Neben einem ausgesuchten Grauton bringe die Brücke weitere Neuerungen gegenüber der alten Brücke mit sich. „Sie ist gegenüber der alten Brücke schallabsorbierender“, sagt Zindler. Außerdem sei der Stahltrog mit einer besonderen Graffitibeschichtung versehen worden. „Damit lassen sich Schmierereien leichter entfernen“, fügt Felix Jänsch hinzu.
Für die nächtlichen Arbeiten sei die Bahnstrecke beidseitig gesperrt worden, informiert Felix Jänsch. „Wir haben uns bewusst für Nachtarbeiten entschieden, weil dort weniger Verkehr auf den Bahnstrecken herrscht.“
Das ganze Bauvorhaben an der Nienhagener Bahnüberführung werde regelmäßig von einem Drohnenbeauftragten gefilmt. Dieser könne mithilfe des Flugobjektes Luftaufnahmen im 90-Grad-Winkel aufnehmen. „Die Aufnahmen helfen uns in der Planung, damit kann man alles maßstabsgetreu darstellen“, erklärt Zindler.
Millimeterarbeit auch beim Gleisbau
Die Maßstabstreue sei sehr wichtig, denn bei einem solchen Projekt muss alles genau passen. „Das Spannende bei der Bahn ist die Millimeterarbeit. Nicht nur beim Brücken- sondern auch beim Gleisbau“, verrät Felix Jänsch über seinen Beruf.
Über Pfingsten wolle man durcharbeiten, informiert Felix Jänsch am Freitag. Die Brückenlager müssten vergossen werden und die Betonmauer im unteren Bereich werde mit Erdmaterial gefüllt. Am Dienstag wolle man das Gleis wieder aufbauen und neu verschweißen.
Arbeiten bis Mitte August
In Nienhagen herrsche ein wechselseitiger Gleisverkehr, somit müsse man nach der Vollendung der einen Seite auch die andere in Angriff nehmen, so Felix Jänsch. Die Vorbereitung sei dabei dieselbe: „Das zweite Gleis wird abgerissen.“ Das geschehe am Freitag, 28. Mai.
Doch noch sei einiges zu tun an der Nienhagener Bahnstrecke. Bis 2023 wolle man die gesamte Strecke zwischen Magdeburg und Groß Quenstedt vollendet haben, so Jänsch. In Nienhagen wolle man vom Abschlussbereich der neuen Brücken aus in jede Richtung noch 100 Meter Schienen auswechseln. Der Abschluss der Arbeiten sei für den 13. August vorgesehen.