Erste Führung durch das Flechtinger Wasserschloss sowie den Schloss- und Kurpark Mit dem Nachtwächter auf Tour
Mit einem Nachtwächter konnten am Sonnabend erstmals 35 Kinder und Erwachsene in die Flechtinger Geschichte eintauchen. Lebendig und anschaulich wurde die Historie der Burg vermittelt, wobei auch Überraschungen vorbereitet waren.
Flechtingen l "Hört ihr Leute, lasst euch sagen, die Uhr hat Stunde 6 geschlagen!": So ähnlich wird es wohl vor 500 Jahren geklungen haben, wenn der Nachtwächter durch Flechtingen zog und zu dunkler Stunde ein wachsames Auge auf alles Schützenswerte hatte. So klang es nun erstmals auch am Sonnabend mit etwas Verspätung nach einem kräftigen, langgezogenen Ton aus dem Horn. Nicht im Gewand eines Nachtwächters, wohl aber in dem eines Landknechtes begrüßte Sebastian Lipper die rund 35 Kinder, Frauen und Männer, die sich zu einer Führung über das Burggelände und den angrenzenden Schloss- und Kurpark bei der Gemeinde angemeldet hatten. Der Wächter hatte sich mit einer historischen Hellbarde, einer Kombination aus Hieb- und Stichwaffe, sowie einer Laterne ausgestattet.
Im Zuge des Herbstferienprogramms der Gemeinde Flechtingen ermöglichte die Schlossverwaltung eine solche Tour.
Die Geschichte der Schenckschen Burgbesitzer stand dabei ebenso auf dem abendlichen Bildungsprogramm wie die Gegenwart des Schlosses.
Nicht fehlen durfte die Sage von den Ablassbriefen und dem Tetzelkasten, der noch heute in der Flechtinger Patronatskirche besichtigt werden kann. Ihm sei der Kirchenbau zu verdanken, denn ein Blanko-Ablassbrief befreite von der Sünde des Diebstahls, bevor er begangen worden war. Ein Mönch hatte den Kasten, voll gefüllt mit Geld, von Flechtingen aus eine halbe Tagesreise weiter im Walbecker Forst, an die Flechtinger Ritter herausgeben müssen, die dank des Ablassbriefes nicht bestraft werden konnten. Sie verwendeten der Sage nach ihre Beute für den Bau der Kirche.
Eigentlich nicht geplant, weil jahreszeitlich zu spät, durften die Teilnehmer trotzdem einen Blick in den kleinen Brunnenhof werfen, in dem sich nahezu jede Fledermausart, die in Sachsen-Anhalt nachgewiesen werden kann, angesiedelt hat. Zu sehen waren sie allerdings gerade nicht.
Und wo findet man wohl die meisten Fledermäuse? Richtig, im Brunnen selbst, der mit seinen zahlreichen, teilweise grünbewucherten Stein- und Mauervorsprüngen den Feldermäusen nahezu ideale Aufenthaltsbedingungen beschert.
In lauen Sommernächten kann man die kleinen Flattertiere im Dämmerschein auf Nahrungssuche in Scharen ausfliegen sehen. Auch in die Schlossräumlichkeiten hätten sie sich schon begeben, was unschwer an den Exkrementen zu sehen war, die die Fledermäuse hinterlassen hatten.
Staunen in der Rüstkammer, dem einzig noch erhaltenen Raum aus historischen Tagen. Die dunklen Holzwände, aus dem 17. Jahrhundert noch bestens erhalten, sind mit prächtigen Ornamenten verziert. Lange wurden die Wände mit Waffen aller möglichen Art behangen, das Zimmer als Versammlungsort erhalten.
Ansonsten ist die Burg eine große Baustelle, die mit viel Liebe zum Detail nach und nach wieder hergerichtet werden soll. Sebastian Lipper berichtete von einem Brand von 1483, bei dem der alte Palas im Ostteil so stark beschädigt worden war, dass ein neuer Bau gegenüber her musste. Aus den Wohngemächern wurden Remise und Lager.
Wagemutig zeigte sich der Wächter beim nächtlichen Gang an der Burgmauer entlang, um den Kindern zu zeigen, dass eine Kanonenkugel gut versteckt hinter Büschen im Gemäuer steckt.
Am Kanonenplatz selbst begann für die Mädchen und Jungen die erste Schatzsuche, denn dort hatten die Organisatoren einen Beutel voll süßem Gold versteckt. Cora war die erste, die das Säckchen entdeckte, aber mit allen teilte.
Die zweite Überraschung des Abends wartete an der großen, alten Eiche, wo jedes Kind sich noch über ein leuchtendes Knicklicht freuen konnte.
Noch eine solche Nachtwächter-Führung ist aufgrund der großen Nachfrage für den kommenden Freitag geplant. Allerdings ist auch diese Tour bereits ausgebucht. Treffpunkt für alle angemeldeten Teilnehmer ist um 18 Uhr das Torhaus am Schlosseingang, der übrigens mal eine Zugbrücke hatte, ehe er als Übergang befestigt worden ist.