Nahverkehr Erste Pleite schon vor Abellio-Start
Vor dem Fahrplanwechsel sorgt Bahnanbieter Abellio in Wernigerode und Halberstadt für Irritationen.
Halberstadt/Wernigerode l Wird die Harz-Region abgehängt, wenn ab 9. Dezember 2018 die Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH die Bahnleistungen vom bisherigen Anbieter Hex (Harz-Elbe-Express) übernimmt? Eine Befürchtung, die seit wenigen Tagen im Raum steht und die die Wernigeröder Stadträtin Dr. Martina Tschäpe (SPD) in der jüngsten Ratssitzung veranlasst hatte, Alarm zu schlagen. „Ich habe bemerkt, dass mit dem Fahrplanwechsel die Verbindungen zwischen Wernigerode-Halberstadt und Halle um 50 Prozent reduziert werden“, so die Stadträtin, die nur eine Schlussfolgerung hatte: „Da muss doch ein Aufschrei durch die Stadt gehen.“
Martina Tschäpe hatte das Defizit bemerkt, als sie mittelfristig eine Bahn-Verbindung von Wernigerode nach München herausgesucht hatte. Bei der Hinfahrt – vor Fahrplanwechsel und Abellio-Start am 9. Dezember – sei alles paletti. Danach – bei der Rückfahrt – werde sie über Göttingen und Goslar geleitet. Den Grund für diesen Umweg habe sie bei der genauen Recherche im Fahrplanwerk entdeckt: Statt bislang stündlichen Verbindungen werde die Region Wernigerode-Halberstadt-Halle dann nur noch alle zwei Stunden bedient.
Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos), den Martina Tschäpe direkt ansprach und zum Handeln aufforderte, zeigte sich im Stadtrat überrascht „und ein bisschen entsetzt“. Ihm sei seitens der Abellio-Geschäftsführung versichert worden, dass sich im Vergleich zum bisherigen Hex-Angebot nichts verschlechtere.
Ganz offensichtlich ist dieser Fakt grundsätzlich richtig. Allerdings – das belegt die Recherche der Volksstimme – hat Abellio mit Defiziten im Service den Eindruck von weniger dichter Zugfolge selbst verursacht. Sprecher Matthias Neumann räumt Probleme beim Einstellen der Fahrpläne im Internet ein. „Bislang sind noch nicht alle künftigen Verbindungen dort registriert.“ Das sorge für Lücken und erwecke den Eindruck, dass zwischen Halle und Wernigerode nur noch alle zwei Stunden Züge unterwegs sind.
Wenn überhaupt: Am Donnerstagabend wurden auf der Abellio-Internetseite für Dienstag, 11. Dezember, zwischen Wernigerode und Halle noch gar keine Verbindungen ausgewiesen. Tags drauf gab es zumindest alle zwei Stunden Reisemöglichkeiten mit Umsteigen in Halberstadt.
Diese Möglichkeiten basieren auf der Linie RE 24 Halle-Halberstadt. Dort müssen die Reisenden in einen von Magdeburg kommenden Zug der Linie RE 21 umsteigen, der via Wernigerode nach Goslar fährt. Beim Start um 10.46 Uhr in Halle ergibt sich eine Ankunft um 12.17 Uhr und damit 91 Minuten Reisezeit. Im Internet findet sich – bislang – die nächste Verbindung zwei Stunden später um 12.46 Uhr ab Halle mit Ankunft um 14.17 Uhr in Wernigerode.
Was im Internet im Moment noch fehlt, ist der Fahrplan der RE-Linie 4, die direkt zwischen Halle, Halberstadt, Wernigerode und Goslar pendelt. Wie der RE 24 alle zwei Stunden, zu diesem aber um eine Stunde versetzt, sodass sich in Summe der Überlagerung ein Stunden-Takt ergibt.
Beispiel: Mit dem RE 4 um 11.46 Uhr ab Halle mit Ankunft um 13.20 Uhr in Wernigerode. Macht ohne Umsteigen 94 Minuten Reisezeit.
Die noch nicht komplett eingestellten Fahrpläne sorgen nach Angaben von Abellio-Sprecher Neumann auch zwischen Wernigerode, Halberstadt und Magdeburg aktuell für Irritationen. Auch hier fehlten noch die RE-4-Verbindungen. Die Folge: Reisende werden jede zweite Sunde von Wernigerode mit dem Bus nach Blankenburg oder Halberstadt chauffiert, sind rund zwei Stunden unterwegs, während die Direktverbindung auf der Schiene nur gut eine Stunde benötigt.
„Ab Freitag, 16. November, werden die Fahrplan-Daten vollständig im Internet verfügbar sein, dann kann man sich vollständige Fahrtinformationen abrufen“, versichert Abellio-Sprecher Neumann und signalisiert Bedauern für die jetzige Situation.
Bei der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (Nasa), dem Auftraggeber von Abellio, sorgen die Verzögerungen und Defizite beim Bereitstellen der Fahrpläne für großen Unmut. „Um es ganz deutlich zu sagen: Wir planen seit Jahren den Übergang von Hex zu Abellio und wollen den Reisenden ab 9. Dezember mindestens ebenso viel Service bieten. Wenn knapp vier Wochen vorher aufgrund lückenhafter Fahrplan-Publikationen derartige Irritationen entstehen, ist das völlig inakzeptabel“, unterstreicht Nasa-Sprecher Wolfgang Ball. Daher gebe es seitens der Nasa ernsthafte Erwägungen, Zahlungen an Abellio zu kürzen. Auch Ball betont: „Überall, wo Hex bislang im Stundentakt gefahren ist, wird es auch ab 9. Dezember einen Stundentakt geben.“Kommentar
Fahrplanauskünfte im Internet unter www.insa.de, www.bahn.de sowie im DB-Railnavigator.
Bis 16. November ist allerdings noch mit unvollständigen/fehlerhaften Verbindungen zu rechnen.