Harz Noch nicht alle Rätsel der Hünenburg gelöst
Seit mehr als 22 Jahren erforschen Archäologen die Hünenburg bei Watenstedt. Ihre Arbeit an der Bronzezeit-Anlage könnte unfreiwillig enden.
Watenstedt l „Hier befindet sich die am besten erforschte Anlage der Bronzezeit in Deutschland“, sagt Immo Heske voller Überzeugung. Er spricht von der Hünenburg bei Watenstedt, einer ringförmigen Wallanlage mit weitläufiger Außensiedlung im Landkreis Helmstedt, nahe der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt. Beinahe sein halbes Leben – 22 Jahre lang – ist sie der Arbeitsplatz des 51-jährigen Archäologen. Einer, der noch immer Überraschungen für den Grabungsleiter bereithält.
Welche das sind, berichtet und zeigt er regelmäßig Geschichtsinteressierten. Gelegenheit dazu bietet kürzlich ein Tag der Grabung auf dem 2,5 Hektar großen, archäologischen Gelände. „Die Besucher zeigten erneut großes Interesse“, resümiert Dr. Immo Heske. Während er selbst an diesem stürmischen Tag die erwachsenen Besucher mit auf eine Reise in die Vergangenheit nimmt, zeigt sich Archäologin Anna Wesemann für Kinderführungen zeichnete verantwortlich.
Was auf dem Gelände dieser Unterstadt seit 2005 erforscht wurde, habe es in Mitteleuropa bisher noch nicht gegeben, informiert Heske die Teilnehmer. „Dort lebten vor langer Zeit etwa 400 Menschen.“ Weiter südlich, am Rande des Großen Bruchs, sei ein ausgedehnter Kultbezirk mit steinernen Herdstellen nachgewiesen worden. Um 900 vor Christus übten hier Siedler, die aus dem Ostseeraum kamen, ihre Kultpraktiken aus, erläutert er.
Der leitende Archäologe informiert zudem darüber, dass die Hünenburg zum Kulturkreis der Saalemündungs-Gruppe mit mehreren Wehranlagen im Nordharzgebiet gehört. Sie sei die nördlichste derartiger Burgen, die besonders in Sachsen-Anhalt verbreitet seien. Seit 5400 vor Christi Geburt gab es hier „eine ideale Besiedlung“.
Zum Schluss der archäologischen Grabungen 2018 wurde auf dem Plateau ein neuer Graben mit großen Steinen entdeckt. Er ist fünf bis acht Meter breit und stand 2019 im Mittelpunkt der Forschungen.
In diesem Jahr wurde vorrangig der westliche Grabenkopf sorgfältig untersucht. Für Immo Heske sei es sehr wichtig gewesen, den „gewachsenen Boden“ zu erreichen. Die Ausgräber gingen mehr als drei Meter tief, ab Geländeunterkante, in den Erdboden. Es sei sehr viel Erde bewegt worden, zum Vorschein kamen einzelne Knochen vom Rind und Schaf/Ziege sowie verzierte Keramik aus der jüngeren Bronzezeit. Geborgen wurden auch zwei Bronzefragmente und ein Flachhechel aus Knochen, mit dem vor etwa 3000 Jahren Leder bearbeitet worden ist, wie der Archäologe seinen Zuhörern erläutert.
Dieser Graben sei die erste Befestigung gewesen. Erst danach hättem die Menschen den Ringwall errichtet. Heske: „In der Gründungsphase auf dem vorgelagerten Südhang hatte der Graben eine Schutzfunktion. Mit der deutlichen Erweiterung des Umfeldes fand dann ein Funktionswandel der Burg statt.“ Der mächtige Verteidigungsgraben, der in die Zeit von 1121 bis 1048 vor Christus datiert worden ist, wurde verfüllt und diente als Grenze im Gelände.
Einen mächtigen Wall errichteten die Bewohner in der Zeit von 1130 bis 1020 vor Christi nur 15 Meter davor. „Es wird deutlich, dass neben dem Schutz auch die Repräsentation von Macht zum Tragen kommt“, erklärt der Göttinger. Beeindruckend sei auch die erkennbare Umgestaltung des westlichen Sporns des Heeseberges im 2. Jahrtausend vor Christus – von Menschenhand erschaffen. Mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln wurde der harte Stein bearbeitet – wie genau, sei noch nicht geklärt.
Im Jahr 2013 begannen auf dem Burggelände die Ausgrabungen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit etwa 350.000 Euro finanzierten Projektes. Die Laufzeit konnte von 2018 bis jetzt noch einmal verlängert werden. In diesem Corona-Sommer forschten Archäologen und Studenten – insgesamt waren es bereits mehr als 200 aus mehreren Ländern – jedoch „nur drei Wochen lang“, wie Heske informiert.
Alle Finanzmittel seien nun aufgebraucht. „Ich habe Hoffnung, dass es hier noch einmal weitergeht“, informierte Grabungsleiter Immo Heske. Denn es gibt noch einige offene Fragen, die erforscht werden können.