Finanzsorgen Osterwiecker Brückenbau und mehr in Frage
Die Stadt Osterwieck könnte im kommenden Jahr mehrere Investitionen mit äußerst hohen Fördermittelquoten umsetzen. Doch dem stehen Haushaltsprobleme entgegen.
Stadt Osterwieck. - Der Stadtratsbeschluss steht seit Januar 2020: Spätestens 2025 soll die seit Ende 2016 gesperrte Stummühlenbrücke über die Ilse bei Stötterlingen erneuert werden. Tatsächlich wurde nun ein Weg gefunden, das Vorhaben finanziell günstig umzusetzen. Über Leader nämlich, zu 80 Prozent gefördert. Ebenso wie ein neuer Weg mit Parkflächen zum Berßeler Sportplatz, Beckenfolie fürs Osterwiecker Sommerbad, die Erneuerung der Laufbahn im Sportzentrum Ratsgarten oder einer Kleinfeldsportanlage auf jenem Gelände.
Doch das steht vorerst ebenso in den Sternen wie zwei zu 90 Prozent geförderte Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz in Berßel und Osterwieck.
Was ist passiert, wo die Stadt in den letzten Jahren ausgeglichene Haushalte vorlegen konnte?
2025 sind sogar zwei Punkte gänzlich anders.
Das Land Sachsen-Anhalt hat dieses Jahr die Daumenschrauben für jene Gemeinden angezogen, die bei der Erstellung ihrer Jahresabschlüsse säumig sind. Konkret: Wer einen Etat für 2025 genehmigt bekommen will, muss mindestens das Jahr 2023 abgerechnet und der Kommunalaufsicht vorgelegt haben. Die Stadt Osterwieck hat sich nach Auskunft von Bürgermeister Dirk Heinemann (SPD) jetzt bis zum Jahresabschluss 2016 vorangearbeitet. Fehlen also noch sieben Jahresabschlüsse. Ohne Haushaltsgenehmigung durch die Kommunalaufsicht darf an Investitionen nur Begonnenes abgearbeitet oder Unabweisliches angefangen werden.
Bürgermeister Heinemann schätzt, dass die offenen Jahresrechnungen zum Spätsommer fertig sind.
Wie konnte es aber zu diesem Verzug kommen?
2013 hielt mit der Doppik ein völlig neues, an die doppelte Buchführung angelehntes Haushaltssystem Einzug und löste die Kameralistik, die einfach auf Einnahmen und Ausgaben fußte, ab. Jetzt spielen Werte, Vermögen und Abschreibungen eine Rolle. Alles ist komplizierter und aufwändiger. Schon das Vermögen der Stadt zu ermitteln, hatte sich über Jahre hingezogen.
Und das alles parallel zur Erarbeitung und Pflege der jährlichen Haushalte. Im Rathaus ist Kämmerin Kristin Reilein quasi Einzelkämpferin in diesen Angelegenheiten, darüber hinaus auch noch als Wahlleiterin mit der lokalen Organisation aller Wahlen betraut. Vor diesem Hintergrund machen sich Stadträte schon Sorgen, dass die Kämmerin das Ziel Spätsommer nicht erreichen wird.
Bürgermeister Heinemann hat indes eine Lösung parat. Aus einer früheren Tätigkeit als Betriebsprüfer beim Finanzamt verfügt er über Fachwissen, wie Jahresabschlüsse auszusehen haben und will selbst einige übernehmen. Die voraussichtliche Bundestagswahl Ende Februar sieht er nicht als großes Hemmnis, da deren Organisation bei weitem nicht den Aufwand einer Kommunalwahl wie letzten Juni erfordere.
Hat es vor diesem Hintergrund überhaupt Sinn, einen Haushaltsplan aufzustellen? Bürgermeister und Fraktionschefs haben sich dafür entschieden. Sie wollen es sogar zügig tun, mit Beschlussfassung im Februar.
Vor allem für den Fall, wie Stadtratsvorsitzender Heimo Kirste (Förderverein Dardesheim) sagte, wenn das Land erkennt, dass es mit seinem Gesetz quasi alles lahm legt und dann die Daumenschrauben wieder lockern sollte.
Denn die säumige Stadt Osterwieck ist kein Sonderfall, sondern gehört eher zur Mehrheit. Im Frühjahr war von zwei Drittel der Gemeinden die Rede, die es betrifft.
Doch nun zu Punkt zwei im Haushaltsdilemma. Der Plan für 2025 weist momentan ein Defizit von 1,3 Millionen Euro aus. Und Bürgermeister Heinemann sieht keine Chance, das Loch zu kitten. Die Stadt wäre also auch dann in der vorläufigen Haushaltsführung, Kredite und damit Investitionen wären von der Zustimmung des Landkreises abhängig. Ob Brücke oder Sportanlagen dann als unabweisbare Vorhaben gewertet werden? Dieses Jahr war sogar ein für die Sicherheit von Kindern wichtiger Fußweg in Veltheim vom Landkreis gestrichen worden.
Warum Osterwieck 2025 in die roten Zahlen rutscht?
Im Jahr 2023 hatte die Stadt Osterwieck durch die Nachzahlung eines Unternehmens eine Million Euro höhere Gewerbesteuereinnahmen als normal. Es gehört zu den komplizierten Regularien des Finanzausgleichs, dass das Land zwei Jahre darauf annimmt, die Stadt sei reich und entsprechend weniger Landeszuweisungen überweist. Nach Auskunft von Bürgermeister Heinemann werden 2025 weniger Gewerbesteuern erwartet, zur Wahrheit gehören aber auch die hohen Tarifsteigerungen des Personals. Momentan seien drei Prozent eingearbeitet, Verdi will indes um acht Prozent kämpfen. Jedes Prozent mehr als drei vergrößert das Haushaltsloch um etwa 90.000 Euro.
Bürgermeister Heinemann sieht die Kommunen in Sachsen-Anhalt nicht auskömmlich finanziert. Rote Zahlen erwartet er für die Stadt noch mindestens bis 2027. Erst danach könnte die Lage wieder besser werden.