Schwanebecker beteiligen sich an Wettbewerb - Blinde Elfjährige berichtet aus ihrem Leben Petri-Schüler erleben Blindheit auf Zeit
Wie fühlt es sich an, wenn man blind ist? Diese Erfahrung konnten Schülerinnen und Schüler der Petri-Sekundarschule in Schwanebeck machen. Mit diesem speziellen Projekttag beteiligt sich die Schule an einem bundesweiten Wettbewerb.
Schwanebeck/Nienhagen l Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 6 b der Petri-Sekundarschule Schwanebeck gingen am Freitag ziemlich aufgeregt zum Unterricht. Ihre Klassenlehrerin Sabine Borchardt hatte einen Projekttag zum Thema Behinderung organisiert und dazu ganz besonderen Besuch eingeladen: ihre blinde Nichte Marie-Christin Hermann.
Anlass dazu gab der Schülerwettbewerb "Behinderung verstehen", der von der Christoffel-Blindenmission ausgeschrieben worden ist und für den sich unter anderem Schauspieler Hannes Jaenicke als Botschafter engagiert. An dem Wettbewerb können sich Schulklassen beteiligen, indem sie sich mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen. "Meine Nichte ist blind geboren. Da hat sich das ja angeboten, sie mal in meine Klasse kommen und erzählen zu lassen, wie sie so lebt", erklärt Sabine Borchardt.
Elfjährige Marie-Christin sieht bestenfalls schemenhaft
Zur Einstimmung auf den Projekttag lernten die Kinder, was eine Behinderung ist und dass Behinderte trotz ihrer Einschränkung ganz normale Menschen sind. Außerdem erhielten sie mit einem kurzen Dokumentationsfilm einen Einblick in das Leben einer blinden Schülerin.
Danach folgte die Gesprächsrunde. Die Schüler hatten dafür viele Fragen vorbereitet, die sie Marie-Christin stellen wollten. Vor allem zu ihren persönlichen Vorlieben, aber auch, wie sie mit ihrer Behinderung im Alltag zurechtkommt. Die Elfjährige ist als Folge ihrer Frühgeburt blind, kann aber vereinzelt schemenhafte Umrisse erkennen. Selbstbewusst und mit viel Geduld beantwortete sie alle Fragen der Sechstklässler.
Nach der Theorie folgte dann die Praxis. Die Schüler konnten an verschiedenen Stationen eigene Erfahrungen mit der Blindheit machen. Mit Hilfe einer Simulationsbrille versuchten sie - auf Zeit erblindet - zu essen und zu trinken, um so ihre Sinne zu schärfen. Dass es gar nicht so einfach ist, fast blind Cola ins Glas zu kippen und dabei nicht zu kleckern, kann sich wohl jedes Kind vorstellen.
An einer anderen Station formten die Schüler mit Simulationsbrillen auf der Nase Tiere aus Tonmasse. Wie die Blindenschrift funktioniert und zu lesen ist, erklärte ihnen Marion Hermann, die Mutter von Marie-Christin. Sie arbeitet im Cecilienstift Halberstadt im Wohnheim für taubblinde Erwachsene und erklärte den Petri-Schülern sehr anschaulich, wie blinde Menschen ihre Umwelt wahrnehmen. An einer speziellen Schreibmaschine lernten die Kinder, ihren Namen in Brailleschrift für Blinde zu schreiben.
Mit Dunkelbrille und Blindenstock durchs Schulhaus
Im Mobilitätstraining tasteten sie sich mit Hilfe von Marie-Christins Blindenstock durch die Schulflure, um nachzuvollziehen, wie schwierig es ist, sich ohne Sehkraft fortzubewegen.
Marie-Christin präsentierte außerdem Dinge aus ihrem alltäglichen Leben, darunter sprechende Gegenstände wie eine Waage oder einen Taschenrechner, eine Geldzählhilfe oder Hefte in Blindenschrift. Die Elfjährige hatte sichtlich Spaß an dem Projekttag, was auch daran lag, dass sie mal unter Gleichaltrigen war. Denn wegen ihrer Behinderung habe sie nur wenige Freunde, berichtete Sabine Borchardt.
Den Petri-Schülern ist sie schnell ans Herz gewachsen. Sie gingen sehr behutsam mit ihr um und sangen zum Abschluss auch noch das Lied "Bunt sind schon die Wälder", das Marie-Christin auf dem Keyboard begleitete.
Zum Abschluss und als Dankeschön für ihr Kommen überreichte die Klasse ihrem Besuch Klappkarten, in denen die Schüler persönliche Worte an Marie-Christin geschrieben hatten. Sie wünschten ihr für ihren Lebensweg viel Glück, aber es waren auch einige lustige Beiträge darunter.
Den Projekttag hat Sabine Borchardt mit der Kamera begleitet - nun will sie den Beitrag für den Wettbewerb einreichen. Zu gewinnen gibt es ein Erlebnisfrühstück im Dunkeln für die ganze Klasse. Zuvor geht es am 23. November für die Schüler ins Cecilienstift. Dort wollen sie sich den Alltag der taubblinden Bewohner selbst anschauen.