Raubtier Wolf-Debatte erreicht Halberstadt
Die Debatte um eine mögliche Jagd auf den Wolf ist Thema in Halberstadt.
Halberstadt l Canis lupus – der Wolf – galt rund 150 Jahre lang als in Deutschland ausgerottet. Bis zum Jahr 2000, als erstmals wieder Wolfswelpen in Freiheit geboren worden – auf einem Truppenübungsplatz in der sächsischen Oberlausitz, wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) informiert.
Stück für Stück erobert sich das Tier seitdem seinen Lebensraum zurück. 73 Rudel wurden nach Angaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes im Beobachtungszeitraum 2017/2018 73 nachgewiesen. 13 mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kommen 30 Paare und drei sesshafte Einzeltiere. Andere Statistiken sprechen von einer größeren Population.
Um herauszufinden, wie die Bevölkerung Sachsen-Anhalts zum Thema Wolf steht, hat die CDU eine Befragung des Instituts infratest dimap in Auftrag gegeben. Demnach halten 53 Prozent der 1000 Befragten die Wiederansiedlung des Wolfes im Land für wichtig. Gleichzeitig sprechen sich jedoch mehr als 80 Prozent dafür aus, den strengen Schutzstatus auf den Prüfstand zu stellen. Berichte über gerissenes Weidevieh und Wölfe, die durch Wohnsiedlungen streifen, dürften daran ihren Anteil haben.
Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ist derzeit eine Regulierung der Wolfsbestände aufgrund des Schutz- und Gefährdungsstatusses der deutschen Population nicht möglich. Und „auch nicht erforderlich“, da „die Entnahme einzelner Wölfe, die zum Beispiel fortwährend hinreichend geschützte Nutztiere erbeuten, oder die sich dem Menschen gegenüber auffällig verhalten“ auch nach geltendem Recht möglich sei.
In Halberstadt treffen zwei Parteien aufeinander, die der aktuellen Rechtslage kontrovers gegenüberstehen: die Gesellschaft für Wildtier- und Jagdforschung, die zu einem Symposium eingeladen hat, und der Verein Wolfsschutz-Deutschland, der eine Demonstration angekündigt hat. Das sind ihre Anliegen:
„Wir wollen keine Großdemo veranstalten, sondern ein Zeichen setzen“, sagt Brigitte Sommer. Die freie Journalistin aus Hanau (Hessen) ist Vorsitzende und Sprecherin der Wolfsschützer. Für sie und ihre Mitstreiter fehlt es an stichhaltigen Argumenten für die Jagd auf Wölfe. Sommer betont: „Die Gefahr, die von Wölfen ausgehen soll, ist herbeigeredet.“ Kein gesunder Isegrim würde einem Menschen zu nahe kommen, geschweige denn, ihn angreifen. Auch seien Fälle, in denen nachweislich ein Wolf Weidetiere gerissen hat, selten. Und das liege dann an unzureichenden Barrieren wie zu niedrigen Zäunen, die wie eine Einladung auf den Wolf wirken. Ihrer Ansicht nach halte Jagd Wildtiere nicht von Weiden und aus Orten fern. Im Gegenteil. „Der Jagddruck treibt Tiere geradezu in die Städte.“ Ein Beispiel dafür seien Wildschweine.
Der Behauptung, dass der Wolf den Wildtierbestand gefährde, fehle es an Substanz. „Wie viele Rehe und Wildschweine werden denn von Jägern erschossen?“, fragt Sommer. „Im Gegensatz zum Jäger suchen sich Wölfe keine Trophäen. Sie suchen alte, schwache und kranke Tiere aus“, betont sie. Ihr Verein Wolfsschutz-Deutschland wurde im Januar 2018 gegründet und zählt bundesweit rund 150 Mitglieder. Auch wenn es der Name vermuten lässt, engagieren sie sich nicht nur für den Wolf. Sie plädieren für eine Abschaffung der allgemeinen Jagd in Wäldern, Auen, Wiesen und Feldern. Es sei ethisch nicht vertretbar, „in Familienverbände reinzuschießen“. Tiere seien sensibel, handeln sozial und empfinden Schmerz, was Forschungen immer wieder belegen würden.
„Nein, wir sind überhaupt nicht gegen den Wolf. Wir sind für ihn. Aber in begrenzter Population.“ Das betont Dr. Michael Stubbe. Der Zoologe, ein emeritierte Professor der Universität Halle, ist auch Vorsitzender der Gesellschaft für Wildtier- und Jagdforschung (GWJF). Diese veranstaltet eine Tagung in Halberstadt unter dem Thema „Der Wolf in Europa – Utopie und Wirklichkeit“. Mitveranstalter sind die Universität Zagreb (Kroatien), Fakultät für Forstwissenschaften, sowie die Landesjagdverbände Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern. „Wir wollen die Diskussion auf sachliche Beine stellen“, so Stubbe zum Anliegen des Symposiums. Etwa 200 Personen nehmen daran teil. Dabei handelt es sich um Vertreter von Mitgliedsverbänden, Experten, Referenten und Gäste aus Deutschland und „anderen Wolfländern“ wie den USA, Kanada, Finnland, Kroatien oder Kasachstan. Auf Deutsch und Englisch werden Fachvorträge angeboten, unter anderem zur Geschichte des Raubtieres sowie darüber, wie international mit dem Wolf verfahren wird. So sei es, berichtet Stubbe, in zahlreichen Ländern möglich, dass der Wolfsbestand reguliert wird, ohne jedoch die Art in ihrer Existenz zu gefährden. Etwas Vergleichbares wünsche sich Stubbe auch in Deutschland. Der Wissenschaftler ist für die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht. „Wo soll er denn sonst hingehören?“
Seiner Ansicht nach wird die Wolfsdebatte häufig unsachlich geführt. „Pro und Kontra beharren auf ihren Positionen.“ Dabei, so betont er, sprechen viele über das Tier, ohne es zu kennen. Es kursieren Halbwahrheiten und Halbwissen. „Wir sind auch für den Schutz des Wolfes. Darum ist eine Gegendemonstration völlig unsinnig“, so Stubbe. Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass der Wolf ein Raubtier und damit gefährlich für den Wildtierbestand und die Weidetierhaltung sein könne. Deshalb müsse die Population überwacht und eingegrenzt werden.