Tiere richten Schäden auf gesamtem Gelände an - Mitarbeiter des Stadthofs probieren Lösungen aus Rehe fressen Stiefmütterchen von Friedhofsgräbern
Eine böse Überraschung erleben in diesem Frühjahr dutzende Besucher des städtischen Friedhofs Haldensleben, die die Gräber ihrer Angehörigen pflegen: Rehe fressen Stiefmütterchen und Tulpen von den Gräbern.
Haldensleben l Das Telefon von Angelika Witt, der Verwalterin des städtischen Friedhofs Haldensleben, hat in den vergangenen Wochen häufig wegen immer ähnlicher Anfragen geklingelt. "Viele riefen an und beschwerten sich, dass ihre Stiefmütterchen oder Tulpen kurz nach dem Pflanzen total zerstört oder ganz und gar verschwunden waren", erklärte die Angestellte des Haldensleber Stadthofes.
Und auf die Beschwerden der oftmals wütenden oder einfach nur verwunderten Bürger musste sie immer die gleiche Antwort geben: "Es sind Rehe, die sich vorwiegend nachts auf dem Friedhof herumtreiben und mit Vorliebe die Blätter der frischen Stiefmütterchen abzupfen."
"Dadurch, dass die Pflanzen gerade erst gesteckt wurden und noch keine richtigen Wurzeln schlagen konnten, ziehen die Tiere dabei oft die ganze Pflanze heraus", fügt Jens Spindler hinzu, der als Mitarbeiter des Stadthofs täglich auf dem Friedhof zu tun hat. Er und seine Kollegen brauchen momentan viel länger für ihre Arbeit. "Morgens gehen wir etwa drei Stunden über den Friedhof und müssen erstmal die Schäden der Rehe kontrollieren und herausgezogene Pflanzen wieder einbuddeln - wenn sie noch zu retten sind", berichtet er.
Neu ist das Problem mit den Rehen für die Friedhofsmitarbeiter nicht. Schon vor ein paar Jahren haben sich die Rehe im Wäldchen auf dem angrenzenden Grundstück angesiedelt, das Ekkehard Wolf gehört. Der etwa 1,50 Meter hohe Zaun, der das Gelände des Gärtnermeisters und den Friedhof trennt, bildet kein Hindernis für die Rehe. "Wir haben schon beobachtet, wie die Tiere aus dem Stand darüber springen", erzählt Jens Spindler. "An manchen Stellen haben sie den Zaun auch hochgebogen und sind einfach darunter durchgekrochen", weiß wiederum Ekkehard Wolf. Gemeinsam mit den Friedhofsmitarbeitern konnte er beobachten, wie aus anfänglich zwei Rehen in diesem Jahr eine kleine Familie wurde. Der Schaden, den die Ricken und Kitze anrichten, ist deshalb in diesem Frühjahr besonders gravierend, sie fressen nicht nur von Privatgräbern.
"Im Eingangsbereich vor der Friedhofskapelle hatten wir hunderte Tulpen gepflanzt, die im Frühjahr schön aufblühen sollten. Aber schon vorher haben die Rehe die Pflanzen bis zum Boden abgefressen", erzählt Jens Spindler. Noch lieber als Tulpen sind den Tieren aber Stiefmütterchen. "Komischerweise interessieren sich die Rehe aber fast ausschließlich für die hellen - also gelben oder orangen - Blüten. Die violetten rühren sie kaum an", weiß Spindler.
Auch die ähnlich aussehenden Hornveilchen mögen die Rehe nicht besonders. "Auf der sicheren Seite ist aber jeder, der Primeln pflanzt. Da gehen die Tiere überhaupt nicht ran", erklärt der Stadthof-Mitarbeiter. "Für mich sind die Tiere auch ein Ärgernis", sagt Ekkehard Wolf. "Sie nagen nicht nur an den Pflanzen vieler Gräber, die wir bewirtschaften, sondern richten auch enormen Schaden an unseren Weihnachtsbäumen an."
Über diverse Lösungen des Problems hat die Friedhofsverwaltung bereits mit dem Rechts- und Ordnungsamt gesprochen. "Um nachhaltige Lösungsansätze entwickeln zu können, sind zunächst alle relevanten Fakten festzustellen", heißt es in einer Erklärung der Stadtverwaltung. Ob das Problem jagdrechtlich gelöst werden könne, ist bisher offen. Eine Anfrage an die Jagdgenossenschaft Haldensleben sei von der Stadt bereits gestellt worden. "Wenn ein solcher Vorschlag vorliegt, ist er noch mit dem Landkreis Börde auszuwerten", heißt es weiter.
Auf eine Antwort wollte Wolf aber nicht warten. Er fragte selbst bei der zuständigen Jagdbehörde nach und erfuhr, dass die Rehe wegen der Nähe zum Wohngebiet nicht geschossen werden dürfen und dass das Betäuben und Umsetzen der Tiere wegen ihrer Duftmarken keinen Sinn hätte. Gemeinsam mit den Friedhofsmitarbeitern trieb der Gärtnermeister die Tiere vom Gelände und errichtete vor einigen Tagen einen Wildschutzzaun. "Und bis jetzt hilft es", ist er zuversichtlich.