Glocke Schwebend über der Geburtsgrube
Die Domina, größte Glocke im Geläut des Halberstädter Doms, ist verstummt. Doch sie soll sichtbar bleiben.
Halberstadt l Sie scheint zu schweben, die Domina. Über dem Ort, an dem sie geboren wurde. Die große Glockengussgrube, die 1999 auf dem Domplatz ausgehoben worden war und in der sie gegossen wurde. Nur ein schmales Metallband auf dem Platz, dass den Durchmesser der Grube symbolisiert, erinnert seit Jahren an den emotionalen Moment, als 10.000 Menschen auf dem Platz verstummten, um die Arbeit der Glockengießer nicht zu stören.
„Harald Hausmann hätte ja gern ein Glockenmuseum in der Grube gehabt“, erinnert Daniel Szarata. Das war nicht möglich, mit der schwebenden Glocke über der Grube würde man diesem Vermächtnis aber ein bisschen näher kommen, sagt der Halberstädter, als gestern Nachmittag Domverein, Kuratorium Stadtkultur und Stadt ein ehrgeiziges Vorhaben vorstellen. Die kaputte Glocke soll nicht eingeschmolzen werden, sondern sichtbar bleiben als Symbol für den Bürgersinn der Halberstädter, für den wieder erwachten Stolz auf ihre Stadt.
„Es nicht einfach eine große Menge wertvolles Metall“, sagt auch Frank Aedtner, Vorsitzender des Kuratoriums Stadtkultur, „es hängen viele Emotionen an dieser Glocke, die vor allem mit zwei Namen verbunden ist: Harald Hausmann und Johann-Peter Hinz.“ Deshalb habe man überlegt, ergänzt Peter Pinkernelle, Vorsitzender Fördervereins Dom und Domschatz Halberstadt, die Glocke von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt abzukaufen.
Denn die Stiftung ist Eigentümerin der Glocke, die im vergangenen Jahr außer Dienst gestellt werden musste. Neben dem Riss in der oberen Wölbung, der eindeutig nicht von Hämmern verursacht worden ist, droht die Glocke aus der Aufhängung auszubrechen. „Die Stiftung plant einen Neuguss der Domina“, berichtet Pinkernelle. Dafür soll die Glocke zum Schrottpreis an eine Glockengießerei abgegeben werden. Rund 80.000 Euro etwa würden die acht Tonnen Glockenbronze einbringen, verwendet werden könnten für den Neuguss aber nur rund zehn Prozent der alten Glocke. Der Rest würde in die Schmelze für weitere Glocken kommen. „Auch in dieser Domina steckt Metall mittelalterlicher Glocken andere Kirchen“, sagt Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke). Denn auch die Stadtverwaltung sei der Meinung, dass diese Glocke erhalten werden sollte, trotz der irreparablen Schäden. „Damals haben viele Halberstädter dafür gespendet, dass das Domgeläut vervollständigt wird, auch viele Menschen, die keine gläubigen Christen sind, engagierten sich für den Neuguss der Glocke“, erinnert Henke.
Man wisse, das es schwierig sei, nun wieder um Spenden für diese Glocke zu bitten, aber gerade weil daran so viele Erinnerungen hängen, sehe man keinen anderen Weg, einschmelzen sei keine Option, sagt Peter Pinkernelle. Der Domverein ist federführend bei dem Präsentationsprojekt.
Gespräche mit Unterer Denkmalschutzbehörde und Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege gab es bereits, auch mit Glockensachverständigen und der Kulturstiftung. „Das Schöne ist, es gab Hinweise und Einwände, aber nirgendwo echten Widerstand gegen diese Idee“, berichtet Frank Aedtner.
Mit Anne und Bastian Herbst habe man zwei Planer gefunden, die viel Arbeit investiert haben, um eine mögliche Präsentation der Glocke visuell vorstellbar zu machen. „Wir haben dabei sehr viel vom Wissen und der Hilfe von Dr. Volker Lind profitiert“, sagt Anne Herbst.
Die große Glocke soll auf einem Podest ruhen, das von vier Stahlstützen gehalten wird, die wiederum auf dem Boden der geöffneten Glockengrube ruhen. Ein Geländer und ein Sicherungsnetz im Inneren sollen verhindern, dass jemand in die Grube fallen kann, und zugleich die Glocke vor Vandalen schützen.
Damit die schwebende Domina tatsächlich ein Hingucker auf dem Domplatz wird, starten Domverein und Kuratorium eine Spendenaktion, auch eine Crowdfunding-Plattform soll wieder genutzt werden, so wie es für die Feuerskulptur der Fall war. Doch bevor die freigeschaltet wird, gibt es eine öffentliche Präsentation des Projektes, auf der Fragen der Halberstädter beantwortet werden sollen, kündigt Peter Pinkernelle an. Stattfinden wird diese Vorstellungsrunde am Dienstag, 11. Juni, um 17 Uhr im Ratssaal.
„Wir brauchen insgesamt vielleicht rund 120.000 Euro. Das sind drei Euro pro Einwohner“, sagt Aednter. „Das müsste doch zu schaffen sein.“ Wer schon vorher spenden mag, kann das unter dem Stichwort Domglocke auf das Konto des Domvereins tun. Die Kontoverbindung , also IBAN, lautet DE87 810 520 000 352 006 668.