Modellprojekt So fällt die Bilanz von Ritter Kempski zu seinem unfreiwillig verkürzten Hotel-Modellprojekt im Südharz aus

Stolberg
Ausgebremst im wahrsten Wortsinn. Einen Monat lang sollten im Rahmen eines Modellprojektes zwei Hotels in Stolberg geöffnet sein – trotz Pandemie. Nach nur einer Woche wurde das Modell bereits wieder gestoppt – mit Inkrafttreten der Bundesnotbremse am vorigen Wochenende. Dr. Clemens Ritter von Kempski, der seine beiden Häuser in Stolberg für Gäste öffnete, zieht eine ambivalente Bilanz.
Seine Verärgerung über das abrupte Ende ist seiner Stimme deutlich anzuhören. Sein Fazit für das Konzept aber fällt „durchweg positiv“ aus. „Wir haben den Beweis erbracht, dass das Projekt ,Sicheres touristisches Reisen’ funktioniert. Wir brauchen solche Modellprojekte“, betont der 58-Jährige, der eine Approbation als Arzt vorweisen kann.
Hoffnung auf Fortsetzung, wenn Inzidenzwert sinkt
Er selbst spricht nicht vom Ende des Projekts, sondern von einer Unterbrechung. „Ich habe die Hoffnung, dass der Inzidenzwert für Mansfeld-Südharz mittelfristig unter 100 sinkt. Dann kann das Modellprojekt fortgesetzt werden.“
Aktuell liegt der Wert für die Region laut Robert-Koch-Institut bei 204,5 , der Ritter und seine Mitarbeiter müssen also Geduld haben. Dennoch sei die Stimmung gut - auch wenn die Unterbrechung heißt, dass für die meisten des Teams wieder Kurzarbeit angesagt ist.
Lange waren sie davon nicht befreit – am Dienstag nach Ostern durften sie erstmals arbeiten. „Innerhalb von zehn Tagen haben wir das Naturresort Schindelbruch und das Romantik Hotel FreiWerk hochgefahren“, berichtet Kempski. Bevor die ersten Gäste am 16. April begrüßt werden konnten, erhielten die Angestellten eine Einweisung in das Hygiene- und Sicherheitskonzept. „Es war eine Riesenfreude zu beobachten, mit wie viel Engagement und Kompetenz die Mitarbeiter das Konzept umgesetzt und sich um die Gäste gekümmert haben“, betont der Chef.
Drei Mitarbeiter positiv auf Corona getestet
Bei dreien seiner Angestellten währte die Freude nicht lange. Sie wurden im Rahmen der regelmäßigen Schnelltests positiv auf Corona getestet und in Quarantäne geschickt. Für Kempski eindeutiger Beleg dafür, dass sein Konzept aufgehe. „Sie waren symptomlos und deshalb froh, dass sie getestet wurden, bevor sie andere anstecken konnten. Wir haben Infektionsketten unterbrochen.“
Die Pflicht, sich testen zu lassen und Hygienevorschriften einzuhalten, sei bei den Hotelbesuchern nicht negativ angekommen. „Es war spürbar, dass die Gäste zum Erfolg des Projektes beitragen wollten“, berichtet Kempski. Die große Nachfrage habe verdeutlicht, wie groß das Bedürfnis der Bevölkerung nach Urlaub, danach, sich verwöhnen zu lassen, nach Normalität sei.
Dass dies nun wieder auf unbestimmte Zeit nicht ermöglicht werden kann, sorgt bei dem Hotelbesitzer für Unverständnis und Unmut. „Aus medizinisch-epidemiologischer Sicht habe ich Verständnis für Lockdowns. Auch verstehe ich, dass wir bundeseinheitliche Regeln brauchen. Aber ich kritisiere zutiefst, dass es auf die Frage, wie es danach weitergeht, seitens der Bundespolitik für unsere Branche keine differenzierten Antworten gibt.“
Kritik an Entscheidung der Politik
Es sei erschütternd für ihn, dass Modellprojekte bei der Bundesnotbremse nicht berücksichtigt werden und nur auf den Inzidenzwert geschaut werde. „Der Bundestagsausschuss für Gesundheit hat noch am Tag vor der Änderung des Infektionsschutzgesetzes die Sieben-Tage-Inzidenz als alleinigen Maßstab für Schutzmaßnahmen als ungeeignet eingestuft und eine klare Empfehlung für Modellversuche gegeben“, so Kempski. Aus seiner Sicht sei es grob fahrlässig von der Bundespolitik, das zu ignorieren. „Modellprojekte müssen auf Landesebene entschieden werden“, betont der Arzt. „Wie soll in Berlin entschieden werden, welche Außengastronomie in Quedlinburg geeignet ist, zu öffnen?“
Von der Landespolitik – allen voran Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) – habe er dagegen große Unterstützung erhalten. Darauf baue er auch, sobald das Modellprojekt wieder möglich ist. Kommentar