Verwirrter Keiler sorgt in Ballenstedt für Flurschaden / Mieter kritisieren schleppende Reparatur Spätes Happyend nach tierischem Wutanfall
Wildschweinen wird Temperament nachgesagt. In Ballenstedt hat es ein
Keiler damit auf die Spitze getrieben. Das Schwergewicht verirrte sich
ins nahe Wohngebiet. Mit dem Flurschaden haben Anwohner noch heute, zwei
Jahre später, zu kämpfen.
Ballenstedt l Die Geschichte hatte seinerzeit nicht nur in Ballenstedt für Gesprächsstoff gesorgt. Schließlich jagt nicht täglich ein ausgewachsener Keiler durchs Wohngebiet und ängstigt die Anwohner. Kennt man den Grund für das tierische Chaos, sind die Orientierungsstörungen indes verständlich. Lärmende Mähdrescher störten die Schweinerotte an jenem 28. Juli 2011 im Weizenfeld - möglicherweise mitten beim Abendessen. Während die allermeisten Tiere getreu dem inneren Kompass in den nahen Wald flüchteten, schlug ein Keiler die falsche Richtung ein und rannte geradewegs ins Wohngebiet am Pestalozziring. Und dort verlor das gestresste Tier vollends die Orientierung.
Mit fatalen Konsequenzen: "Nachdem ein Kind in unser Haus gegangen war, nutzte das Tier die noch nicht wieder geschlossene Haustür, um ins Treppenhaus zu rennen", erinnert sich Ina Hirthe. Während das Kind mit dem Schrecken davonkam, schnaufte der kapitale Keiler kurzerhand rauf bis in die dritte Etage. Dort lieferte sich das Wildschwein mit dem Hund einer erschrockenen Mieterin ein kleines Scharmützel, verwüstete den Hausflur, um sich dann wieder in Richtung Ausgang zu orientieren. "Und beim Abgang krachte der Keiler geradewegs durch die Scheibe der Haustür", berichtet Ina Hirthe. Ein Nachbar, der gerade vor dem Haus war, habe sich nur mit einem beherzten Sprung auf einen nahen Baum vor dem wütenden Keiler retten können.
So unglaublich sich all das liest, so wahr ist die Geschichte. Polizeisprecher Peter Pogunke bestätigt anhand der Protokolle die Schilderung: "Aufgeregte Mieter, ein Loch in der Türscheibe und Zeugen, die die Wildschwein-Rotte auf dem nahen Feld beobachtet haben. Allein den wütigen Keiler konnten wir nicht mehr stellen." Der hatte sich nach jenem spektakulären Abgang sprichwörtlich verdünnisiert.
Der filmreife Abgang war Auslöser für eine mittlerweile unendlich anmutende Geschichte rund um die demolierte Tür. Zwar sei die Scheibe damals schnell ausgetauscht worden - die Tür selbst schließe seither aber nicht mehr richtig, moniert Ina Hirthe stellvertretend für andere Mieter.
Ihre Kritik machen die Hausbewohner an der Ballenstedter Stadtentwicklungsgesellschaft BAL als Vermieter fest. "Die BAL hat in den vergangenen gut zwei Jahren an der Tür immer nur herumdoktern lassen, aber den Missstand nicht wirklich abgestellt", heißt es beim Ortstermin im Treppenhaus.
Eine Entwicklung, die für einige Mieter schließlich fatale Folgen hat: In der Nacht zum 22. Oktober dieses Jahres nutzten Unbekannte die offene Haustür, um in mehrere Keller einzudringen. Nach Angaben der Mieter wurden unter anderem Fahrräder, Auto-Kompletträder und Weihnachtsdekoration gestohlen. Polizeisprecher Peter Pogunke bestätigt den Einbruch.
Nun - gut zwei Jahre später - will sich die BAL-Chefetage des Problems annehmen, versichert Immobilienverwalter Uwe Biermann. "Wir haben vor 14 Tagen den Auftrag für den Einbau einer gänzlich neuen Tür erteilt."
Dass der tierische Wutausbruch zu diesen Konsequenzen für die Mieter geführt hat, sei bedauerlich. Aber: "Ich bin erst seit diesem Jahr bei der BAL tätig und habe im Spätsommer erstmals von den Problemen im Pestalozziring 56 erfahren."
Als er vom "schweinischen Abenteuer" hörte, habe er zunächst an einen Scherz gedacht, sagt Biermann. "Vor Ort musste ich dann aber feststellen, dass es mit einer einfachen Reparatur tatsächlich nicht getan ist." Der gesamte Türrahmen muss erneuert werden - Kostenpunkt fast 6000 Euro. Logisch - der schwere Keiler hatte ja tüchtig gewütet.
Dieser Tage nahmen Vertreter der beauftragten Firma genau Maß. Bis zum Einbau der neuen Tür würden aber noch einige Wochen vergehen, hieß es. "Wir können keine Tür von der Stange nehmen, hier muss eine Maßanfertigung her, die exakt in den bestehenden Anbau eingefügt werden muss", erklärte Tischler und Fensterbauer Jürgen Trolldenier. Und das dauere halt seine Zeit - "Ende Januar ist ein realistischer Zeitpunkt für den Einbau".
Ein spätes Happyend nach einem tierischen Wutanfall.