1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Stadtrat beerdigt Diesterwegschule

Schulschließung Stadtrat beerdigt Diesterwegschule

Es steht fest: Der Stadtrat beschließt das Aus für die Diesterweg-Grundschule. Doch noch ist der Kampf für die Siedler nicht beendet.

Von Sabine Scholz 28.04.2016, 22:47

Halberstadt l 20 Ja-, 18-Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Mit diesem Abstimmungsergebnis hat der Stadtrat gestern Abend entschieden, die Diesterwegschule zu schließen. Nach fast 90 Minuten hoch­emotionaler Debatte nahmen die mehr als 150 anwesenden Einwohner der Sargstedter Siedlung dieses Ergebnis erschüttert zur Kenntnis. Es gab Tränen, wütende, lautstarke Rufe wie „Sie sollten sich schämen“, „Nie wieder CDU wählen“ und verzagtes Fragen. „Was nun?“

Dieter Krone nutzte die Einwohnerfragestunde, um die Abgeordneten zu fragen, was ein Bürgerbehren ist. „Sollten Sie das nicht wissen, dann werden Sie in den nächsten zwei Monaten davon Kenntnis nehmen“, antwortete der Vorsitzende des Fördervereins für die Diesterwegschule und Sarg­stedter Siedlung gleich selbst. „Wir nutzen das Maifeuer in der Siedlung am Sonnabend, um die ersten Unterschriften für das Bürgerbegehren zu sammeln“, kündigte er in der Pause der Ratssitzung an.

 

Die war auch nötig, um die Emotionen bei den Abgeordneten zu besänftigen. So entschuldigte sich zum Beispiel Ralf Barthel (Buko) nach der Pause für seine Wortwahl. Er hatte in der Debatte gesagt, wer 2007 beschlossen hatte, eine Grundschule in einem vier Jahre zuvor abgerissenen Stadtteil, (den Nordring, Anm.d.Red.) zu sanieren, „gehöre erschossen“. Auch wenn er selbst aus monetären Gründen für nur fünf Grundschulstandorte im Stadtgebiet sei, bitte er darum, aus dem Bahndamm zwischen Goetheschule und Siedlung keine chinesische Mauer zu bauen. Schließlich müsse kein Kind das Halberstädter Stadtgebiet verlassen, um zur Schule zu gehen.

Detlef Eckert (Die Linke) hatte darauf hingewiesen, dass ihm bundesweit keine einzige Kommune bekannt sei, die ohne Not eine Schule schließe. Hans-Joachim Nehrkorn, Chef der Linksfraktion, sprach von einer Zäsur in der parlamentarischen Arbeit.

„Vor Monaten haben Rat und Verwaltung noch darum gekämpft, eine mit Fördermittel zuvor sanierte Schule gegen den Willen des Landkreises und gegen die Bestimmungen des Landeschulgesetzes zu erhalten. Und jetzt wollen Teile eben diesen Rates eine Schule schließen, die in ihrem Bestand bis 2030 nicht gefährdet ist? Aus Angst vor den Sanierungskosten?“, fragte Nehkorn.

Peter Köpke, Chef der Frak­tion SPD/Bündnis90/Die Grünen, brachte einen Antrag ein, keinen Neubau zu beschließen, sondern im Bestand zu sanieren, und zwar so, wie es viele Einwohner der Siedlung in einer Versammlung im vergangenen Jahr als gute Lösung angesehen hatten: Im bestehenden Gebäude als einzügige Schule. Dann könnte auch Fördergeld genutzt werden. Auch die Kindertagesstätte „Bummi“ sollte im bestehenden Gebäude saniert werden. Leider habe die Verwaltung diese Variante nie geprüft und mit Zahlen unterlegt zur Debatte gestellt, kritisierte Köpke.

Unter Buhrufen von den Rängen stellte Daniel Szarata den Antrag der CDU-Fraktion, künftig fünf Grundschulen in der Stadt zu erhalten – die Diesterwegschule war nicht dabei. Die Kindertagesstätte solle saniert werden. Man diskutiere seit zehn Jahren, sagte Szarata. Wenn man jetzt die Diesterwegschule nach den aktuell vorliegenden Plänen baue, könne die Stadt in den nächsten Jahren nicht eine einzige Investition mehr tätigen – in keiner anderen Grundschule, in keinem Kindergarten, in keiner Straße. Der Rat sei aber gewählt worden, um die Interessen der gesamten Stadt zu wahren.

 

Michael Schubert (SPD) verwies auf den Fakt, dass die Siedlung – obwohl größter Stadtteil in Halberstadt – schon seit Jahrzehnten vernachlässigt werde. Nur ein Drittel der Grundsteuereinnahmen aus der Siedlung seien bisher in die Siedlung zurückgeflossen, zwei Drittel der Einnahmen gehen ins Stadtsäckel. „Nun ist es an der Zeit, endlich mal was für diesen Stadtteil zu tun, den Siedlern etwas zurückgegeben, die Jahrzehnte immer nur verzichtet haben!“

Vor der Sach-Abstimmung hatte sich eine Mehrheit des Rates für die von den Linken beantragte namentliche Abstimmung ausgesprochen.