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Wahl Wer zieht ins Harzer Landratsamt?

Am 5. Juli entscheiden die Harzer, wer neuer Landrat im Harzkreis wird. Im Forum der Kreisverwaltung stellten sich die vier Kandidaten vor.

Von Ivonne Sielaff 24.06.2020, 01:01

Halberstadt l Die aufgeklebten Pfeile auf dem Boden des Halberstädter Theaters wiesen den Besuchern den Weg. Coronabedingt galten beim Forum zur Landratswahl besondere Regeln: wenig Kontakt untereinander, ausreichend Abstand und eben die vorgegebene Laufrichtung für die Besucher. Auch die Veranstaltung selbst sei richtungsweisend. Die Vorstellung der vier Kandidaten soll den Harzern eine Hilfestellung bei der Wahl des neuen Harzer Landrats sein, so Vize-Landrätin Heike Schäffer bei der Begrüßung.

Zur Wahl am Sonntag, 5. Juli, stellen sich Thomas Balcerowski (CDU) aus Thale, der gemeinsame Kandidat für SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen, Maik Berger (SPD) aus Aderstedt, Annette Ivkin (AfD) aus Halberstadt und Dieter Kühn (Freie Wähler), ebenfalls aus Halberstadt. Vier Themenkomplexe, viele Fragen – Moderator Tom Koch prüfte die vier Kandidaten auf Herz und Nieren.

Er setze auf Kooperation mit seinen Mitarbeitern, so Dieter Kühn auf die Frage zu seinem künftigen Führungsstil. Wichtig sei ihm Zusammenarbeit. Er wolle seinen Mitarbeiten gleichzeitig Freiheiten und klare Richtlinien geben.

Für Annette Ivkin zählt ebenfalls das Miteinander sowie ein freundlicher, konstruktiver Umgang. Bei Problemstellungen handhabe sie es so, dass sie zuerst ausgiebig recherchiere, um dann nach Lösungen zum Wohle der Bürger zu suchen.

Maik Berger würde in der Kreisverwaltung seine Erfahrungen aus der freien Wirtschaft einfließen lassen. Das heißt: teamorientiertes Arbeiten und ein Landrat, der von oben draufschaut, so Aderstedts (Huy) ehrenamtlicher Bürgermeister.

Für Thomas Balcerowski ist es zielführend, die Mitarbeiter mitzunehmen und zu überzeugen. „Dann arbeiten sie gut mit“, so Thales langjähriger Stadtchef. Sein Wunsch: Seine Mitarbeiter sollen jeden Tag mit Freude zur Arbeit gehen.

Stichwort bürgerfreundliche Verwaltung. „Was ist Ihr Begehren?“ So sollte die Verwaltung der Zukunft aus Sicht von Thomas Balcerowski auf die Bürger zugehen. Keine anonymen, aber dafür standortnahe Entscheidungen - und diese müssten den Harzern auch erklärt werden. Die aktuellen Öffnungszeiten seien überholt. „Eine Kreisverwaltung muss immer erreichbar sein.“ Zumindest telefonisch. Internetauftritt und der Auftritt des Kreises in den sozialen Medien müssten ebenfalls überarbeitet werden.

Maik Berger möchte Bürgersprechstunden einführen und als Landrat vor Ort schauen, wo es Probleme gibt. Er spricht sich ebenfalls für kundenfreundliche Öffnungzeiten und einen modernen Internetauftritt aus.

Wie auch Annette Ivkin. Zudem sollte Verwaltungen ihre Entscheidungen immer vor Ort treffen und nicht von oben herab.

Dieter Kühn kritisierte wie seine Vorredner den Internetauftritt der Kreisverwaltung. „Man muss es Investoren und Bürgern so einfach wie möglich machen“, so der Halberstädter. Auch im Internet.

Das Thema Waldwandel und Brandschutz bewegt die vier Landratskandidaten. „Wir brauchen Hubschrauber, Drohnen und Wasservorräte“, so Dieter Kühn. Das habe Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) bei seinem besuch im Harz als Hausaufgabe mitgenommen. „Das war schon letztes Jahr aktuell.“ Wichtig sei eine gut aufgestellte Polizei, Katastrophenschutz und Feuerwehr, um im Falle eines Waldbrandes handlungsfähig zu sein. Und dazu intensive Hilfestellungen von der Regierung. Dafür würde sich Kühn als Landrat einsetzen.

Annette Ivkin forderte in dem Zusammenhang eine bessere Abwägung der Interessen von Natur und Wirtschaft. „Das muss noch mehr verzahnt werden.“

Wenn es um Wald geht, gebe es viele Protagonisten, gab Maik Berger zu bedenken. Nationalpark, Stadt und Kreis, private und kommunale Waldbesitzer. „Ich würde sie alle an einen Tisch holen.“ Ziel sollte ein übergreifendes Waldbrandschutzkonzept sein.

Dafür spricht sich auch Thomas Balcerowski aus. Das Waldsterben im Harz sei nicht nur ein Harzer, sondern ein sachsen-anhaltinisches Problem. „Die Landesregierung sieht das aber nicht so.“

Was den Tourismus angehe, profitiere der Harz von der Natur, so Balcerowski weiter. „Was uns noch fehlt, sind Schlechtwetterangebote.“ Investoren dürften keine Steine in den Weg gelegt werden. „Man muss sie unterstützen. Der Harz muss da sein piefiges Image ablegen.“

Maik Berger warnte vor einem Disneyland im Harz. „Was wir brauchen, ist ein sanfter Tourismus.“ Zudem ein einheitliches Radwegekonzept. Deshalb würde er sich für einen Radwegebeauftragten stark machen.

Annette Ivkin hingegen sieht Potenzial in Osteuropa. „Dort sollte sich der Harz mehr auf Tourismusmessen präsentieren.“

Um die Wirtschaftskraft im Landkreis zu stärken, müsse sich der Harz als Region vermarkten, sagte Thomas Balcerowski. „Wir müssen besser sein als andere.“ Wichtig sei ein investorenfreundliches Image. Was die Zukunft der Automobilzuliefererindustrie angehe, sieht der Thalenser eine große Gefahr im Anmarsch. „Wir müssen sehen, wie viele Teile beim E-Auto dann noch aus dem Harz kommen.“

„Die Wirtschaftsförderung wird Chefsache“, kündigte Maik Berger an. „Denn wenn es der Wirtschaft gut geht, wirkt sich das positiv auf die Steuereinnahmen aus.“ Seine Ideen: Gründern behilflich sein und auf die Absolventen der Hochschule Harz zugehen, „damit sie hier im Harz bleiben“. Gleichzeitig müsse die Digitalisierung voranschreiten, um Funklöcher zu schließen.

Annette Ivkin machte sich für die mittelständigen Betriebe stark. „Sie sind ein Garant für Arbeitsplätze in der Region.“ Deshalb sollte die Ansiedlung solcher Unternehmen unterstützt werden. „Dabei könnten wir europäische Förderprogramme nutzen.“

Dieter Kühn sprach sich ebenfalls für den Ausbau des Internets sowie für Förderprogramme für kleine und mittelständige Betriebe aus. Als Landrat wolle er sich zudem für die Förderung von Zukunftstechnologien einsetzen.

Die Finanzen wieder ins Lot zu bringen, das ist die große Herausforderung für den neuen Landrat. Acht Millionen Euro fehlen im aktuellen Haushalt. Die coronabedingten Verluste sind dabei noch nicht eingerechnet. Sind Kürzungen im Kulturbereich die richtige Lösung? Die Kulturlandschaft müsse erhalten werden, forderte Dieter Kühn.

Das sieht Annette Ivkin genauso. „Wir müssen schauen, wie wir das künftig schultern.“

Kultur ziehe Touristen an und trage zum Lebenswert bei, so Maik Berger. Deshalb sei sie erhaltenswert. Er wolle nicht übers Sparen sprechen. „Wir müssen die Einnahmensituation verbessern - durch Wirtschaftsförderung.“

Das hält Thomas Balcerowski ebenfalls für den richtigen Weg. Gleichzeitig müsse es aber Bewegung in allen Ebenen geben - auch in der Kultur. „Wir müssen Gespräche mit allen Beteiligten führen. Vielleicht sind Fusionen und Kooperationen möglich.“ Er hoffe auf „pfiffige Ideen“, um eine Zwangsverwaltung zu verhindern.

„Ich wünsche mir kurze Wege für die Schulkinder“, so Dieter Kühn zum Thema Schulstandorte. Das Thema sei gerade mehr als aktuell im Harzkreis. Das Gymnasium Thale wurde vor der drohenden Schließung bewahrt.

„Kurze Beine, kurze Wege“, das vertritt Annette Ivkin. Ihr sei es wichtig, sowohl Grundschulen, Sekundarschulen und Gymnasium als auch die Standorte der Berufsschulausbildung zu erhalten.

Dem pflichtete Maik Berger bei. Und wenn Standorte nicht erhalten werden können, seien Kooperationen wie in Thale eine Lösung.

Die Schließung der Schulen sei für die betroffenen Orte „tödlich“, sagte Thomas Balcerowski. Denn dadurch ziehe sich weitere Infrastruktur zurück, dadurch gehe die Attraktivität für Familien verloren. „Deshalb müssen wir uns dagegen wehren.“