Waldbrand Niedersachsen helfen aus der Luft
Niedersachsen und Sachsen-Anhalt kooperieren fortan beim vorbeugenden Brandschutz sowie der Waldbrandbekämpfung im Harz.
Harzkreis l Die in Hildesheim stationierte rot-weiß lackierte Cessna des niedersächsischen Feuerwehr-Flugdienstes dürfte künftig häufiger über den Wäldern im Ostharz kreisen. Die benachbarten Niedersachsen haben seit wenigen Tagen ganz offiziell vom sachsen-anhaltischen Umweltministerium den Auftrag, bei extrem brandgefährlichen Wetterlagen auch jenseits der Landesgrenze gezielt nach aufsteigendem Rauch und damit nach Waldbränden zu fahnden.
Mit diesem Schritt reagieren die Verantwortlichen im Umweltministerium auf die nun wieder unübersehbare Dürre in den Waldgebieten im Ostharz. Das Problem war bereits im Sommer vorigen Jahres hochgekocht – insbesondere auch mit Blick auf die Perspektiven, die Klimaexperten für die kommenden Jahre und Jahrzehnte aufmachen.
Womit sie mit der aktuellen Situation bestätigt werden: Seit Wochen wartet die Harzregion auf Regen, die Wälder sind längst wieder extrem trocken und damit anfällig für Feuer. Nachdem im März mit 176 Litern Regen pro Quadratmeter das langjährige Mittel von 170 Litern pro Quadratmeter auf dem Brocken knapp überboten worden sei, sei der April mit bislang gerade mal 2,8 Litern pro Quadratmeter fast schon Lichtjahre vom Mittel entfernt, so Marc Kinkeldey, Chef in der Brockenwetterwarte. Üblich seien für April 132 Liter. Aktuell herrscht in den Harzwäldern die Waldbrandgefahrenstufe 4.
Der Überflug über den gesamten Harz sei daher die beste Lösung für den Waldbrandschutz, so Umweltministerin Claudia Dalbert von den Bündnisgrünen. Innenminister Holger Stahlknecht lobt vor allem die länderübergreifende Kooperation: „Waldbrände machen nicht an Landesgrenzen halt, deshalb ist es ein tolles Signal, dass die zuständigen Behörden aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt Hand in Hand agieren“, so der CDU-Politiker.
In der Praxis werden die Leitstellen der tangierten Landkreise Harz, Mansfeld-Südharz und Börde zu Beginn des Flugtages informiert. Relevante Beobachtungen – an Bord jedes Fliegers sind nach Angaben des Harzer Kreisbrandmeisters Kai-Uwe Lohse neben dem Pilot auch eine Führungskraft der Feuerwehr sowie ein Forstexperte – gehen direkt an die Leitstellen. Das Landeszentrum Wald trägt laut Umweltministerium die Kosten an den Flügen. Pro Flugtag werde die Route zwei bis maximal vier Mal abgeflogen. Die geschätzte Flugzeit für den Ostharz betrage 15 bis 20 Minuten, es entstünden Kosten von rund 80 Euro pro Überflug. „Gerechnet wird mit Gesamtkosten von 8000 bis 10.000 Euro pro Jahr, abhängig von der Wetterlage“, so Ministeriumssprecherin Jenny Schwarz.
Der Vorstoß und die nun gefundene Lösung seien gut, aber auf lange Sicht nicht ausreichend, lautet das Fazit von Kreisbrandmeister Lohse und dem Chef des Kreisfeuerwehrverbands Harz, Alexander Beck. Beide haben nach der extremen Trockenheit im vorigen Sommer Alarm geschlagen und sich für mehr präventiven Brandschutz in den Wäldern stark gemacht – insbesondere im Harz, aber auch im Jerichower Land, in der Altmark sowie dem Raum Wittenberg/Bad Düben.
„Es wäre wünschenswert, wenn die Flugroute des niedersächsischen Feuerwehr-Flugdienstes auf weitere Wälder im Land ausgeweitet würde“, so Lohse. Mehr noch: Früher habe Niedersachsen mal drei Flieger besessen, heute noch zwei – vor diesem Hintergrund wäre es doch nur gut und solidarisch, wenn Sachsen-Anhalt mittelfristig auch eine Maschine anschaffe und beim Einsatz mit Niedersachsen länderübergreifend kooperiere, so Lohses Schlussfolgerung.
In den von Lohse neben dem Harz genannten Bereichen finde die Überwachung der Waldflächen mit Waldbrand-Überwachungskameras statt, erklärt Ministeriumssprecherin Jenny Schwarz. Alle 15 Standorte seien sind seit Herbst 2019 mit neuer Hardware mit besserer optische Erkennung modernisiert worden. Das Ministerium habe dafür rund 1,3 Millionen Euro investiert. „Aus unserer Sicht ist das in ebenem Gelände ausreichend.“ Unterstützung und Führungssteuerung aus der Luft könne bei Bränden sinnvoll sein – entsprechende Investitionen lägen jedoch nicht im Bereich des Umweltministeriums.
Wunsch und Wirklichkeit gehen beim Waldschutz aber noch an anderer Stelle auseinander: Lohse und Beck fordern mit Blick auf die weitläufigen Wälder und die schwierige Wasserversorgung im Brandfall mehr mobile Wassertanks, die vorsorglich in den Wäldern stationiert werden. Schließlich seien die maximal 3000 Liter in Löschfahrzeugen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Firmen könnten mobile Tanks für bis 50.000 Liter liefern – zehn bis 15 Tanks hält Lohse für den gesamten Ostharz für wünschenswert.
Das Ministerium hat nach eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit der Schierker Feuerwehr einen mobilen 5000-Liter-Löschwasserbehälter bestellt. Ein weiterer soll hinzukommen, so sei es bei einem Vor-Ort-Termin mit Ministerin Dalbert besprochen worden. Waldbesitzer könnten vorbeugende Waldbrandschutz zudem mithilfe des Ministeriums finanzieren.
Lohse und Beck sehen derweil beim vorbeugenden Brandschutz viel mehr Bedarf: Mehr Tanks und mehr Drohnen zwecks Kontrolle aus der Luft. „In Celle sind schwere Hubschrauber der Bundespolizei stationiert, die bis zu 2000 Liter in Wassersäcken aufnehmen können. Langfristig bekommen wir unsere Wälder und Brände nur mit solcher Technik in den Griff“, betont Lohse. Und auch Wernigerodes Vize-Stadtwehrleiter Marco Söchting sieht noch reichlich Bedarf: „Alle Verantwortlichen müssten dringend an einen Tisch.“