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Musik Warum sich eine Südkoreanerin auf Halberstadt freut

In der Reihe der Sommerkonzerte im Halberstädter Dom werden des Öfteren die Jubilare des Jahres geehrt. Am 7. August stehen deshalb unter anderem Werke von Michael Praetorius auf dem Programm einer Frau, die sich intensiv mit dem Komponisten befasst. Und die die Mathematik in der Musik liebt.

Von Sabine Scholz 06.08.2021, 13:44
Young-Keum Chung forscht zu Leben und Werk von Michael Praetorius und wird am 7. August im Halberstädter Dom Werke von ihm, aber auch von Bach und Sweelinck spielen.
Young-Keum Chung forscht zu Leben und Werk von Michael Praetorius und wird am 7. August im Halberstädter Dom Werke von ihm, aber auch von Bach und Sweelinck spielen. Foto: Chung

Halberstadt - Schwierig, wenn die Interessenslage so vielfältig ist. Eine Erfahrung, die Young-Keum Chung mit vielen Menschen teilt.

Die in Seoul aufgewachsene Organistin hat als Kind mit dem Klavierspiel begonnen, besuchte in Südkorea ein Musikgymnasium. Zugleich faszinierte sie die Mathematik und Physik.

Eine Frage der Logik

Als die Studienwahl anstand, siegte zunächst die Vernunft – von der Musik zu leben, das schaffen nur wenige, auch wenn sie gerne Pianistin geworden wäre, sagt Chung beim Telefoninterview. Also wandte sie sich den geliebten Naturwissenschaften zu, schloss ein Studium der Mathematik und Informatik ab. Und merkte, warum in früheren Jahrhunderten Mathematiker oft parallel dazu Musik, Theologie und Astronomie studierten. „Ich verstehe das sehr gut“, sagt Young-Keum Chung, „es nicht ganz entfernt von einander, wie mancher denkt. Bachs Musik zum Beispiel ist sehr mathematisch für mich. Man muss logisch denken und alles gut durchdenken, das hilft beim Spielen der Stücke.“

Überhaupt, die alte Musik, sagt die in Hannover lebende Organistin, stellt viele Regeln auf. „Bei alter Musik geht es darum, zu spielen, was der Komponist aufgeschrieben hat, weniger um die eigene Interpretation. Wenn man sich intensiver damit befasst, merkt man, wie streng alte Musik ist. Das Stück sagt einem, wie es zu spielen ist.“

Musik hat in ihren Augen viel mit Mathematik zu tun. Harmonien, die Beziehungen zwischen den Oktaven, Quinten – alles stecke voller Zahlen.

Tradition lockt

Am morgigen Samstag ist die mathematikliebende Musikerin zu Gast im Halberstädter Dom. Sie freut sich auf Halberstadt, nicht nur, weil sie ein Konzert geben wird.

Chung hat nach ihrem Abschluss in Südkorea beschlossen, nach Deutschland zu gehen. Gelockt hat sie das Orgelspiel, wie sie erzählt. „In Südkorea, Japan und China gibt es durchaus Orgeln, das hat man aus Europa übernommen. Aber das sind alles neugebaute Instrumente. Hier in Deutschland hat das Orgelspiel eine lange Tradition. Deshalb wollte ich hier studieren“, erklärt die Koreanerin.

Hier könne man in die Bibliothek gehen und sich die Noten anschauen, die Quellen direkt ansehen. Auch das reizte sie. Immerhin hat das Orgelspiel in Deutschland – inzwischen mit dem Orgelbau in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben – eine mehr als 1000-jährige Tradition.

Sie war in Nürnberg, Hannover, Salzburg und Wien, um Kirchenmusik, Orgel, Cembalo, Musikpädagogik und Musikwissenschaft zu studieren. In Bad Pyrmont lebte sie mehrere Jahre und war dort als Kantorin angestellt, hat dort ein Luther-Musical auf die Beine gestellt. Aber dann stieß sie auf Michael Praetorius und damit auf das Thema ihrer Doktorarbeit, an der sie aktuell schreibt.

Ein unterschätzter Mann

Der Kirchenmusiker fasziniere sie aus mehreren Gründen, sagt Chung auf die Frage, warum es den Praetorius ist, zu dem sie forscht. Er ist nicht alt geworden, nur 50 Jahre (1571-1621) waren ihm vergönnt. Aber er hat ein immenses Werk hinterlassen, wohl rund 1700 Stücke, einige sind verloren gegangen, andere, zumeist für den Gottesdienst verfasste Messen, Choräle, Motetten, Kirchenlieder, füllen 15 der 20 Bände der heutigen Gesamtausgabe.

Der Hoforganist und Kapellmeister in Diensten von Heinrich Julius, Bischof zu Halberstadt und Herzog zu Braunschweig/Lüneburg, ist auch als Musiktheoretiker in Erscheinung getreten. „Aber er ist nicht ganz so berühmt geworden“, sagt Chung. Genau das interessiere sie, denn er habe viele für die damalige Zeit ungewöhnlich groß angelegte Werke hinterlassen, Partituren, die neuartig waren. Aber woher kommt das auf einmal? Und wie wirkt es weiter? Fragen, denen sie nachgehe, sagt Chung. „Vor Bach waren nicht nur Schütz und Buxtehude, vor Bach war auch Praetorius.“

Gemeinsames Spiel mit Domkantor

Von ihm wird sie am Samstag „Nun lob mein Segel“ spielen, dazu Werke von Muff und Sweenlinck sowie von Bach. Sie freut sich darauf, in Halberstadt die Martinikirche zu besuchen, wo die Beck-Orgel wieder aufgebaut werden soll, an der einst Praetorius spielte. Und sie freut sich darauf, mit Domkantor Claus-Erhard Heinrich zu musizieren. Bei Praetorius und der Partita von Bach spielt er am historischen Positiv. So erklingt Musik im Wechsel der beiden Orgeln.

Der Eintritt zu dem um 18 Uhr beginnenden Konzert im Dom ist frei. Es wird um eine Spende zugunsten der Orgelprojekte am Dom und in Martini gebeten.